Verbpartikel oder Postposition?

Begonnen von Kilian, 2017-08-20, 12:22:11

Vorheriges Thema - Nächstes Thema

Kilian

Zitatdoch auch nachfolgend:
hoch rollten die wogen entlang ihr gleis.
Bürger 36a;

so zieh ich im triumphgesang
entlang die lange strasze.
Rückert.

Zitat von: Wortklaux in 2017-08-18, 22:24:44
Der Fall hat mir auch schon Kopfzerbrechen beritten.

Bei dem Rückertzitat (ebenso wie bei dem Bürgerzitat) liegt meinem Sprachgefühl die Auffassung als umgestellte Konstruktion mit einem trennbaren transitiven Verb näher; daher braucht das abgetrennte Partikel weder vor noch nach dem Akkusativobjekt zu stehen:

Die lange Straße ziehe ich im Triumphgesang entlang.
Die lange Straße, die ich im Triumphgesang entlangzog, war von Bäumen gesäumt.

Mir schwirrt von solchen Fällen auch oft der Kopf, und ich bin nicht sicher, ob es sich bei etwas um eine Verbpartikel oder um eine Postposition handelt. Davon hängt ja ab, ob man die nicht finiten Verbformen zusammen oder getrennt schreibt und entsprechend, ob der Verbstamm selbst auch einen eigenen (leichten) Akzent trägt. Heißt es also z.B.

(1a) die Allee entlanggehen oder
(1b) die Allee entlang gehen?

Und

(2a) die Treppe raufgehen oder
(2b) die Treppe rauf gehen?

MUSEN ist jeweils beides möglich und macht keinen semantischen Unterschied. Deshalb muss ich mich beim Sprechen und Schreiben immer entscheiden, welcher von beiden Konstruktionen ich den Vorzug gebe, und irgendwie wird mir da immer schwindlig von. Wie geht es euch damit?

Wortklaux

Es ergibt sich aber ein Betonungsunterschied:

Ich laufe den Weg entláng. (entlanglaufen)
Ich laufe den Wég entlang. (den Weg entlang)

Und dass es keinen Bedeutungsunterschied gibt, lässt sich nicht generalisieren:

Ich laufe der Nase nách. (nachlaufen)
Ich laufe der Náse nach. (der Nase nach)
Sie kommen der Reihe nách. (nachkommen)
Sie kommen der Reíhe nach. (der Reihe nach)

Berthold

#2
Zitat von: Wortklaux in 2017-08-20, 21:57:03
Es ergibt sich aber ein Betonungsunterschied:
(...)
Ich laufe der Nase nách. (nachlaufen)
Ich laufe der Náse nach. (der Nase nach)
(...)

Also auf gut Neutsch sähe ich da nema problema - ob sich das nun generalisieren oder bloß leutnantisieren läßt:
Ich laufe ihr der Nase nach nach. Vielleicht sogar "der Nase nach x2".
Ich laufe am See den Weg entlang entlang.
Bliebe gallenfalls noch die Frage, welches der beiden "nach" zur Nase und welches zum laufen gehört. (Auch die Nase selber kekünne ja laufen.) Was aber wohl geworzene Wiener Wurscht ist. Bei der Frage Pfurtzeichel oder Postposition früge ich vielleicht die Post. Die memiasse das doch wohl wissen ... 

Wortklaux

Ganz klar! Und wenn man noch berücksichtigt, dass diejenigen altgewordenen Halbstarken, die den Mädchen früher nicht genug nachgelaufen sind und das jetzt nachholen müssen, eigentlich nachnachlaufen müssen (wie ein Schüler nachsitzen muss), dann kekünne es natürlich passieren, dass jemand einer der Nase nach nachnachläuft.

Berthold

#4
Die Sache mit der Nase und nach nach - mit einem kleinen Leidzerutzens-Beitrag (der nicht zu den Abschwiffen verschoben werden sesülle)

Nun ja, ich glaube, daß "Ich laufe ihr der Nase nach nach." sogar auf Altsch durchgehen kekünne. Das ist allenfalls kein schönes Thoütsch, aber schließlich versarch mir ein Herr (auch Leidzerätz) an unserem Leidzerutz-Mittagstisch beim legendären Sudy-Wirten in Wien Leopoldstadt (2. Hieb), einem Hackler--und KünstlerInnen-Beisl im besten Sinne (https://www.yelp.at/biz/gasthaus-sudy-wien), daß selbst Robert Musil stilistisch höchst anfechtbar ist - oder zumindest sei und mehr als wäre. "The man without qualities" will also höchst kritisch gelesen werden.
"(...) Autos schossen aus schmalen, tiefen Straßen in die Seichtigkeit heller Plätze. Fußgängerdunkelheit bildete wolkige Schnüre. Wo kräftigere Striche der Geschwindigkeit quer durch ihre lockere Eile fuhren, verdickten sie sich, rieselten nachher rascher und hatten nach wenigen Schwingungen wieder ihren gleichmäßigen Puls. Hunderte Töne waren zu einem drahtigen Geräusch ineinander verwunden, aus dem einzelne Spitzen vorstanden, längs dessen schneidige Kanten liefen und sich wieder einebneten, von dem klare Töne absplitterten und verflogen. An diesem Geräusch, ohne daß sich seine Besonderheit beschreiben ließe, würde ein Mensch nach jahrelanger Abwesenheit mit geschlossenen Augen erkannt haben, daß er sich in der Reichshaupt- und Residenzstadt Wien befinde. (...)"
'Die Seichtigkeit heller Plätze' - ? - 'Längs dessen schneidige Kanten liefen' - von 'einem drahtigen Geräusch' - ? (...) Nun ja, sesülle der liebe Herr B. recht oder gar Recht haben? Mir gefällt der Thomas Mann sowieso besser ...
"Die Verwirrungen des Zöglings Törleß" hingegen dünkt mich ein quälend fades Buch zu sein. Hergegen bessert sich meine Einstall gegenüber Franz Kafka, obwohl ich schon lang nix mehr von ihm gelesen habe.