Lautverschiebung und Recessus Narrativus

Begonnen von Fleischers Karsten, 2006-02-18, 21:54:34

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Fleischers Karsten

So, hier ein neuer Faden, den ich eröffne mit der Erklärung, was denn hinter Bertls Pfarraufeich etc. steckt.

Da ich kein Linguist bin, halte ich alles so simpel wie möglich. Die Sprachwissenschaftler unter den Lesern mögen mir den ein oder anderen Lapsus verzeihen.

Wie uns allen bewusst sein dürfte, hat die deutsche Sprache etliche Lautverschiebungen hinter sich gebracht. Manche Dialekte oder dem Deutschen verwandte Sprachen, wie z.B. Niederländisch, haben diese Verschiebungen nur teilweise mitgemacht bzw. haben sich in andere Richtungen verschoben.

Eine sehr gut erforschte und dokumentierte Lautverschiebung ist die zweite oder auch althochdeutsch genannte Lautverschiebung.

Grob gesagt fanden folgende Wandlungen statt:

Am Anfang eines Wortes wurden:
p zu pf
t zu ts (oder z)
k zu kch

Auch hinter Konsonanten fand diese Wandlung statt.

Nach Vokalen hingegen haben sich die drei Konsanten p, t, k jedoch andersartig verwandelt:
p zu ff
t zu ss
k zu ch

Damit kann man beispielsweise schon mal erklären, wie aus dem peper der Pfeffer wurde. Interessant ist, dass pepper sich im Niederländischen, Englischen und etlichen Dialekten bisher gehalten hat.
Auch water -> Wasser ist damit einleuchtend.

Dann gab's noch eine andere Konsonantenverschiebung nämlich:
b zu p
d zu t
g zu k

Im Niederländischen heißt der Tag immer noch Dag, diese Lautverscheibung ist also dort nicht passiert. Auch der englische day stammt immer noch daher.

Nun zu dem, was der Bertl macht.

Der schnappt sich ein Wort, wendet obig genannten Konsonantenverschiebungen drauf an und versucht dann, die Auflautregeln für Vokale in Substantiven darauf anzuwenden.
Ziel ist dabei, eine Lautung zu erreichen, die lesbar ist und an neuhochdeutsche Worte erinnert.

Ich nehme jetzt die Purifikation als Beispiel.
Nach der einstig bei der GSV existierenden Regel, dass -ion entfernt werden müsse, wird daraus zunächst einmal Purifikat. Es wird noch weiter gekürzt zu Purifik.

Anwendung der Konsonantenverschiebung ergibt:
Pfurifich

Sorgfältiges Auswählen der Vokalauflautungen führt dann zu:
Pfarraufeich

Oder, in meiner Variante, zu:
Pfuirufeich
(wobei ich mich da an den Auflautregelungen ein bisschen vorbei gemogelt habe)

Dann kommt das zur Anwendung, was der Bertl Recessus Narrativus nennt: Die kleinen Geschichten, die ein einzelnes Wort bereits selbst mit sich bringt. Bei Pfarraufeich ist es halt ein Pfarrer, der statt auf die Palme halt auf die Eiche geht oder mit dieser ringt und versucht, Reinigung zu erzwingen.
Bei mir - schnöde: "Pfui," rufe ich, "das gehört bereinigt, purifiziert!"

Den Recessus Narrativus hat der Bertl teilweise aus dem Chinesischen entlehnt - so wie ich ihn verstanden habe - wo die Kombination von diversen Symbolen wieder andere Bedeutungen erlangen. So kann man das Symbol für Dach über das Symbol für Frau malen, um ein trautes Heim zu verbildlichen.

Das war's eigentlich.

Ist nicht ganz einfach, da man zwei Lautverschiebungen durchführen und dann sich noch ein kleines Geschichtchen dazu ausdenken muss, aber bei weitem keine Geheimwissenschaft.
Karsten

amarillo

Vielen Dank, ich habe jetzt den Weg verstanden, werde ihn aber nicht gehen, da er mir zu steinig ist. ;D
Das Leben strebt mit Urgewalt nach Entstehung und Musik.

Fleischers Karsten

#2
Ja, ist hart. Krieg da eigentlich auch nichts auffe Reihe, außer:

Stagnation -> Stagnat -> Stacknatz -> Stecknetz:
Die Wirtschaft steckt fest im Netz, bewegt sich nicht hin oder her, sie stagniert.
Karsten

Ku

Ich habe das jetzt ansatzweise verstanden. Da ich aber ein Lesemensch bin, benötige ich immer zahlreiche Beispiele. Mach mal weiter, aber lass dir Zeit damit, ich brauche auch welche.  

Fleischers Karsten

Wie gesagt, ich krieg das auch kaum hin. Deshalb habe ich ja das ominöse Programm geschrieben.
Der Bertl macht das mit Sicherheit anders. Ich sehe ihn mit meinem geistigen Auge vor mir: Mit einem Stapel Papier bewaffnet in einem Wiener Caféhaus, ständig Notizen in seiner großzügigen Handschrift hinkritzelnd.
Karsten

Ku

Was ich nicht mitgekriegt habe, ist die angesprochene strenge Regel. Aber das wird wohl bei mehreren Beispielen noch kommen.

Fleischers Karsten

Die strenge Regel ist, sich an die Lautverschiebungen zu halten.
Ich hab mich mit Pfuirufeich nicht ganz dran gehalten.
Karsten

Fleischers Karsten

Deshalb hat sich der Bertl auch bei der Minnapoliz beschwert.

Manipulation -> Manipulat -> Manipolaz (an dieser Stelle hätte ich das p in ein f wandeln müssen) -> Minnapoliz
Karsten

Ku

Als Diskussionsgrundlage:

"Ich nehme jetzt die Purifikation als Beispiel.
Nach der einstig bei der GSV existierenden Regel, dass -ion entfernt werden müsse, wird daraus zunächst einmal Purifikat. Es wird noch weiter gekürzt zu Purifik."

Das kann ich noch nachvollziehen.

"Anwendung der Konsonantenverschiebung ergibt:
Pfurifich"

Das kann ich gerade noch nachvollziehen, wenn es mir auch schwerfällt.

"Sorgfältiges Auswählen der Vokalauflautungen führt dann zu:
Pfarraufeich"

Das kann ich nun nicht mehr nachvollziehen. Mir fehlt die Regel. ,,Sorgfältig" ist keine Regel.

Fleischers Karsten

#9
"Sorgfältig" in dem Sinne, dass ein halbwegs vernünftiges Wort (oder ein Satz) dabei herauskomme.

Bertl hält sich streng an die Auflautregelungen. So wird bei ihm wohl nie ein a zum o werden.

(Ich hingegen würde das etwas lockerer sehen.)
Karsten

Ku

Und du hälst "Pfarraufeich" wirklich für ein halbwegs vernünftiges Wort?

amarillo

Vor allem verstehe ich noch nicht, wie ich beim Lesen eines solchen Wortes wieder auf die ursprüngliche Bedeutung kommen soll; am Anfang müßte das doch möglich sein, bis man den neuen Begriff intus hat.
Das Leben strebt mit Urgewalt nach Entstehung und Musik.

Fleischers Karsten

Pfarraufeich -> Pfarrer auf Eiche oder Pfarrer rauft mit Eiche

Hey, ich hab das nicht erfunden, ich hab nur Bertls Vorgehensweise verstanden und euch jetzt erklärt.

Seine Gedanken zu diesen Wortkonstrukten erläutert er immer sehr ausführlich. In diesen zähen, schwer lesbaren Mitteilungen. Ich verstehe diese halt mittlerweile...

Wie gesagt, sehr schwer nachzuvollziehen, aber nicht unmöglich.
Karsten

Ku

Du hast dich bereit erklärt, uns die Regeln zu vermitteln. Also bitte tu es.

Fleischers Karsten

Der letzte Schritt ist halt der Recessus Narrativus, das Aufdecken von Bedeutungen innerhalb eines Wortes.

Das ist beinahe etwas Esoterisches, was ich auch nicht ganz beherrsche.

amarillos Vorschlag marschieren im Ind. Prät. zu morsch werden lassen (im Hinterkopf die Soldaten, die vom vielen marschieren schon morsch sind), geht exakt in diese Richtung.
Karsten