Was für die Genitiv-Liste

Begonnen von Ezilopp, 2006-02-27, 15:49:15

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amarillo

Aber katakura, mein Gutster, nun nimm das doch nicht alles so schrecklich ernst. Und vor allem: verzwilf nicht an der momentanen Stimmung, es wird auch wieder bessere Zeiten geben, da bin ich mir fast sicher. ;)
Schau mal, selbst der Chef sagt nicht ein Sterbenswörtchen - na, vielleicht ist er ja auch netzfern im Urlaub.
Das Leben strebt mit Urgewalt nach Entstehung und Musik.

katakura

#61
... ungeochten des fortdauernden gequengels fitzspindiger, abverscheuungswürdiger kritikaster berirch ich die liste eben um die genitivheischenden adjektive achtern und mittschiffs - einzusehen hier: http://verben.texttheater.de/Rettet_des_Genitivs%21
Toleranz ist vor allem die Erkenntnis, dass es keinen Sinn hat, sich aufzuregen. (Helmut Qualtinger)

Agricola

Ist zwar weniger ernsthaft für die Genitivliste, aber auch Recht geben kann man mit Genitiv gebrauchen, wenn der Dativ schon verbroochen ist:

Die Richter gaben dabei zwei Wirten aus Berlin und Tübingen sowie eines Diskothekenbetreibers aus Heilbronn Recht.

Natürlich aus dem MIAL, denn ich lese ja nichts anderes.
The future lies in front of me,
but "lies" is all that I can see.

Kilian

In diesem Satz spukt wohl der Geist der Worte "der Klage".

Agricola

#64
Zitat von: Kilian in 2008-08-05, 09:10:55
... der Geist ... der Klage ...

Auf der Suche nach des Klagegeistes begong mir dieses. Ist zwar wider der deutschen Grammatik, um nicht zu sagen widerlicher Falschheit, und in des Knupfes seines verknupfenen Dokumentes selbst heißt es auch korrekter Konstruktionis "wider den Klagegeist". Dennoch scheint hier des Genitivi Klagegeistes verborgens gewurken zu haben.
The future lies in front of me,
but "lies" is all that I can see.

Agricola

Anlalß der Eintragung "des Nachts", die katakurens in der Genitivliste erfulg, frug ich mich, ob man nicht verallgemeinerungs einige -s-Genitive wilber Vokabulorum einführen kekünne, mit und ohne des "des". Zeitangabens z.B.

(Des) siebten Stundes lässt die Aufmurks der Schüler zu wünschen übrig.
(Des) Gelegenheits ward schon mancher zum Dieb.

Und vielleicht auch mit pluralen Tanten:
(Des) Feriens pflogen wir bergs zu fahren.
The future lies in front of me,
but "lies" is all that I can see.

katakura

#66
... heute kam mir die redewendung wunders was unter, die man ugs. ja recht häufig benutzt (da wird einem wunders was versprochen, der hält sich für wunders was etc.) wäre das ein beispiel für die ggf. noch anzulegende ,,aus dem großen faß"-genitivliste? ...

...  in ahlnem zusammenhang kamen mir zwei mhd. belegstellen mit einem genitiv für wunder (oder auch nicht?) in den sinn ... nummer einst stammt aus wolfram von eschenbachs ,,willehalm":

Terramêr der wîse
dicke vrâgete mære,
wiez dâ ergangen wære:
daz moht er ein niht gar gesehen,
swaz dâ wunders was geschehen
an den hôh rîchen werden ...


... ist hier ,,geschehen" der auslöser für den genitiv ,,wunders", wenn es denn ein echter ist? ...

... nummer zwei findet sich in der anfangszeile des nibelungenliedes:

uns ist in alten mæren wunders vil geseit ...

... auch hier wieder das genitiv-s (?) an wunder ...

... allerdings habe ich gerade keinen plan, wie das alles zusammenhängt und inwiefern es für die genitiv-liste relevant ist ... hat jemand mehr uhn als ich in dieser angelegenheit? ...


Toleranz ist vor allem die Erkenntnis, dass es keinen Sinn hat, sich aufzuregen. (Helmut Qualtinger)

Kilian

#67
Na so was, ich kannte bisher nur wunder was. In wunders was und wunders vil kekünnen Genitivi partitivi vorliegen.

katakura

Zitat von: Kilian in 2008-11-17, 17:17:16
Na so was, ich kannte bisher nur wunder was. In Wunders was und wunders vil kekünnen Genitivi partitivi vorliegen.

... molgerweise ist "wunders was" auch landschalft bedungen, scheint aber über einen größeren teil des deutschen sprachraumes verbritten ... kekünnest du eruieren, ob es sich dabei tatsalch um partitive genitive handelt? ... ich wewüsse gerade nicht, wo ich nachschlagen sesölle ... obwohl: die wahrigs sind da immer recht kompetente ansprechpartner ...

... und was hältst du von dem im "willehalm" gegebenen beispiel? ...
Toleranz ist vor allem die Erkenntnis, dass es keinen Sinn hat, sich aufzuregen. (Helmut Qualtinger)

Kilian

#69
Befragen wir die Grimms. (Ächz, der Wunderartikel ist ein Brocken. Bei sieben Gliederungsebenen habe ich aufgehört zu zählen. Und die Trierer Benutzeroberfläche ist keine Hilfe.) Das Fett ist von mir.

Zitatp h r a s e o l o g i s c h e s .  formelhafte wendungen, die eine sache, einen vorgang, eine person als wunder charakterisieren, liegen meist, aber doch nicht ausschlieszlich, im bereich E. es handelt sich dabei zumeist um sehr alte, teils ausgestorbene, teils aber auch äuszerst zählebige prägungen.

(...)

die geläufigen formeln w u n d e r  w a s ,  w u n d e r  w e l c h ,  w u n d e r  w i e u. ä. entwickeln sich aus der verbindung mit den verben denken, glauben, meinen, sich einbilden nach dem typus er denkt wunder (acc. pl.) was er kann für er denkt wunder in bezug auf das, was er kann. wunder bezeichnet hier in jedem falle das fiktive falscher, meist übertreibender einschätzung, insbesondere selbstüberschätzung und selbsttäuschung. der wendung, diedeutlich an die bedeutung 'auszerordentlich, auszergewöhnlich', manchmal auch im sinne des maszbegriffs, anknüpft  (s. oben E 1 f), haftet meist ein ironischer ton an. nach vereinzeltem vorgriff im 16. jh. (s. u. b) im 17. jh. entwickelt.

(...)

unorganisch ist hier ein wunders an stelle des alten acc. pl. wunder, wohl ein erstarrter genitiv mit adverbialer funktion: es hat dich aufgeheitert, du warst heut morgen anders; noch als wir zum thor hinausgingen, sahst du vor dich hin, dasz ich wunders dachte, was es wäre ALEXIS ruhe  (1852) 57; vgl. 176; wunders was für eine antwort SCHMID-NOERR d. drache über d. welt  (1937) 200. auch mit ausfall des was oder wie: jünglinge ..., die wunders hoch in der rechnung bey ihren lieblein zu stehen glaubten MALER MÜLLER w.  (1811) 2, 52 (vgl. auch: als ob mir's wunder gefiele ebda 1, 144); als ... sie ihr ein neues spiegelein, drei groschen wert, verehrte, da meinte sie wunders zu haben MÖRIKE erz. 2134.

Worin die adverbiale Funktion bestanden haben soll, erschließt sich mir nicht. Aber wenn das stimmt, ist es ein Fall für das große Fass. Von einem partitiven Genitiv wollen die Grimm-Enkel in diesem Zusammenhang jedenfalls nichts wissen, an ähnlicher Stelle schon:

Zitatalt ist auch die rhetorische frageformel w a s  w u n d e r s ( i s t  e s ,  d a s z ), die inhaltlich das gleiche besagt wie (es ist) kein wunder (dasz) unter 2 b ε. herleitung und syntaktische verhältnisse sind nicht völlig durchsichtig. auszugehen ist von einem partitiven gen. pl., wie er ahd. bezeugt ist (s. a); mhd. gilt partitiver gen. sg. waz wunders, der sich älternhd. und archaisierend auch modern noch behauptet, im übrigen aber durch die jüngere, seit dem 15. jh. nachweisbare form was wunder stark zurückgedrängt wird. in ihr lebt kaum der ursprüngliche gen. pl. weiter; eher wird hier was in ein attributives pronomen umgedeutet, das etwa im sinne von 'welch, was für ein' neben das als nom. sg. aufgefaszte wunder tritt, vgl. etwa auch auf was art, zu was zweck u. ä., ferner das bereits ahd. uuelih uuunder unter b.

Zumindest scheint mir hinreichend sicher zu sein, dass das Verb (wie geschehen beim Willehalm) nicht der Auslöser für den Genitiv in wunders was ist.

Das Beispiel aus dem Nibelungenlied scheint sich in der Ahnenreihe des Eschenbach'schen und heute immer noch bestehenden wunders was durchaus zu finden. Oben war ja die Rede von der Verbindung mit sagen, denken usw.; der von mir hervorgehobene Verweis fördert zutage:

Zitatw u n d e r  s a g e n  v o n  j m d . oder e t w a s 'auszerordentliches, erstaunliches' (anders s. u. 5 b, vgl. auch ob. d), statt des präpositionalobjekts auch mit abhängigem nebensatz; fest schon im mhd.:

uns ist in alten mærenwunders vil geseit,
von helden lobebæren,von grôzer kuonheit,
von fröuden hôchgezîten,von weinen und von klagen,
von küener recken strîten,muget ir nu wunder hœren sagen
         Nibelungenlied 1, 1; 4 L.; vgl. 30, 1; 2067, 1; WOLFRAM V. ESCHENBACH Parzival 669, 2; (die leute) mir sagten wunder von dem erbern züchtigen und lobsamen leben, daz sy ... gefürt het ARIGO decameron 124 Keller; vgl. 45; 90; 261; 557; man sagt wunder, wie er (dr. Faust) so gar nach seinem erlittnen unfall ain armer mentsch sei gewesen Zimmer. chron. 21, 577 Barack; das gerücht sagte wunder von ihrer schönheit WIELAND Agathon (1766) 2, 333. mit negativem nebenton soviel wie 'allerhand, ein starkes stück':

Übertreiber

Lohnen wird mancherorts (ebenfalls Genitiv?) mit Genitiv verwandt, "Bertelsmann" nennt dazu als Beispiel das noch regional verbrittene "sich der Mühe nicht lohnen". Eine namhafte Internetsuchmaschine findet diese Formulur sogar im Internet noch 386-mal.
Kampf dem Schicksal!

VerbOrg

bei "sich der Mühe nicht lohnen" frage ich mich nur, was das sich dort zu suchen hat.
Aber die viele Fragerei ist der Mühe nicht wert.

Kilian

Es ist, wie das Auftreten von Reflexivpronomina überhaupt, ein lohnender Gegenstand des Wunderns und Forschens. Bei lohnen scheint sehr vieles möglich (gewesen) zu sein. Ich hab's aufgenommen, danke, Übertreiber!

Agricola

Gerade finde ich bei Heyse (vertonen von Brahms)
"und mir ist, als würd' ich wieder all der irren Qualen los"
Wird hier "los werden" mit Genitiv verwandt? Oder liegt es am "all"?
The future lies in front of me,
but "lies" is all that I can see.

Kilian

Es liegt gewiss am los, das auch schon in der Eigenart verzinchen ist.