Wiederbelebung und Ausweitung alter Ableitungsmethoden bei Substantiven

Begonnen von MrMagoo, 2006-05-27, 21:10:54

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MrMagoo

Bei der Durchsicht einiger Seminaraufzeichnungen fiel mir eine alte Möglichkeit der Substantivierung von Verben auf, die heute nur noch in Resten fortlebt.

Für unsere Gesellschaft allerdings ein wahrhaft glücklicher Umstand, sind doch die diese alten Ableitungen teilweise so sehr durch Assimilationen geprägt, daß die Verwandtschaft zum Grundwort oft nur schwerlich zu erkennen ist - auf die Fälle mit Assimilationen beschränke ich mich jetzt mal, sonst wird's zu viel! ;D

Die Methode, die ich hier meine ist die Bildung von Substantiven mithilfe des alten Suffixes "-t".


Also los geht's:

1. Ableitung nach dem Vorbild Gift von geben und Tracht von tragen

Anmerkungen:

a) In einigen Fällen dieser Bildungen tritt Umlaut oder ein anderer Vokalwechsel ein, in anderen nicht - warum weiß ich jetzt auch nicht genau im einzelnen, aber es gibt uns die Möglichkeit, Doppelformen zu bilden und diese evtl. anders zu verwenden; vielleicht als Ausweichmöglichkeiten für die Wörter, bei denen es sonst zu einem Formenzusammenfall käme. ;)

b) Durch das "t" der Ableitungssilbe assimiliert ein b der Stammsilbe zu f, ein g oder k zu ch.

c) Die mit (*) gekennzeichneten Formen sind etymologisch korrekt gebildete und auch vorkommende Wörter.



beben - Bift
bestäuben - Bestäuft oder: Bestuft
geben - Gift*
glauben - Glauft oder: Gluft
graben - Gruft*
haben - Haft*
heben - Hift
klauben - Klauft
kleben - Klift
klieben - Kluft*
leben - Lift
loben - Loft
schaben - Schaft*
schieben - Schuft*
treiben - Trift*
trüben - Trüft oder: Truft
weben - Wift
werben - Wirft



bergen - Bircht
beugen - Beucht
borgen - Borcht
fegen - Ficht
fragen - Fracht
legen - Lacht
liegen - Liecht
mögen - Macht*
nagen - Nucht
neigen - Nicht
plagen - Placht
regen - Racht
sagen - Sacht
saugen - Sucht
schmiegen - Schmucht
schneien (<schneigen) - Schnicht
tragen - Tracht*



mit Nasalausfall:
begegnen - Begicht
denken - Dacht*
dünken - Ducht
hängen - Hacht
lenken - Lacht oder: Lecht
linken - Licht
senken - Sacht oder: Secht
trinken - Tricht


(Weitere Ableitungen nach anderen Vorbildern aber mit demselben Suffix folgen.)


Gruß
-MrMagoo
Wâ mag ich mich nu vinden? wâ mac ich mich nu suochen, wâ? nu bin ich hie und bin ouch dâ und enbin doch weder dâ noch hie. wer wart ouch sus verirret ie? wer wart ie sus zerteilet mê?
(Gottfried von Straßburg)

MrMagoo

2. Ableitung nach dem Vorbild Zunft von ziemen

Anmerkung:
Bei diesen Ableitungen, die diejenigen Verben betrifft, die heute auf m oder mm enden. Dieses m oder Doppel-m assimiliert vor t zu nf.

Desweiteren gilt auch das unter den Anmerkungen a) und c) im vorigen Beitrag genannte.



bäumen - Bunft
brummen - Brunft*
dimmen - Dunft
glimmen - Glunft
grimmen - Grunft
kämmen - Kanft
keimen - Kinft
klemmen - Klanft
klimmen - Klunft
kommen - Kunft*
nennen (<namnen) - Nanft
nehmen - Nunft*
stemmen - Stanft
stimmen - Stunft
trimmen - Trunft
ziemen - Zunft*



3. Ableitung nach dem Vorbild Kunst von können

Anmerkung:
Bei diesen Ableitungen, die diejenigen Verben betrifft, die heute auf nn enden. Dieses Doppel-n assimiliert vor t zu ns.

Und wieder gilt hier das unter den Anmerkungen a) und c) im vorigen Beitrag genannte.



brennen - Brunst*
gönnen - Gunst*
können - Kunst*
rinnen - Runst



4. Ableitung nach dem Vorbild Schwulst von schwellen

Anmerkung:
Bei diesen Ableitungen, die diejenigen Verben betrifft, die heute auf l oder ll enden. Dieses l oder Doppel-l assimiliert vor t zu ls.

Ebenfalls gilt auch hier wieder das unter den Anmerkungen a) und c) im vorigen Beitrag genannte.



ballen - Balst
bellen - Bulst
knallen - Knulst
schellen - Schulst
schwellen - Schwulst*
wallen - Wulst
Wâ mag ich mich nu vinden? wâ mac ich mich nu suochen, wâ? nu bin ich hie und bin ouch dâ und enbin doch weder dâ noch hie. wer wart ouch sus verirret ie? wer wart ie sus zerteilet mê?
(Gottfried von Straßburg)

Fleischers Karsten

Zitat von: MrMagoo in 2006-05-27, 21:10:54
1. Ableitung nach dem Vorbild Gift von geben und Tracht von tragen

lieben - Luft
stieben - Stift

nagen - Nacht
fliegen - Flucht

Zu beugen - Beucht: Wäre nicht Bucht passender?

Karsten

Fleischers Karsten

#3
Zitat von: MrMagoo in 2006-05-27, 21:42:24
2. Ableitung nach dem Vorbild Zunft von ziemen

(be-)samen - (Be-)Sanft
Karsten

MrMagoo

Zitat von: Fleischers Karsten in 2006-05-27, 22:35:31
Zitat von: MrMagoo in 2006-05-27, 21:10:54
1. Ableitung nach dem Vorbild Gift von geben und Tracht von tragen

lieben - Luft
stieben - Stift

nagen - Nacht
fliegen - Flucht

Zu beugen - Beucht: Wäre nicht Bucht passender?


Stimmt, Du hast recht - das ist mir gar nicht in den Sinn gekommen, als ich es tippte;
Bucht* kommt von biegen, daneben können wir ja trotzdem
"Beucht" als Form von beugen stehenlassen. ;)

Gruß
-MrMagoo
Wâ mag ich mich nu vinden? wâ mac ich mich nu suochen, wâ? nu bin ich hie und bin ouch dâ und enbin doch weder dâ noch hie. wer wart ouch sus verirret ie? wer wart ie sus zerteilet mê?
(Gottfried von Straßburg)

AmelieZapf

Hallo Mr. Magoo,

beim Postul Deiner neuen alten Ablutsformen sitzt Du einer gewaltigen Tusch auf, das meiste davon wurde nämlich schon einmal hier publizoren, u.a. von mir. Schön, daß Du es hier zusammenträgst, aber bitte mit Verweis darauf, wer's als erstes aufgebracht hat.

1)
a. geben -> Gift: die sei Dir vergönnt.
b. tragen -> Tracht: zuerst bei Mann.

2) ziemen -> Zunft: zuerst bei mir in Antwort #163 am: 2006-05-05, 18:38:44 im Faden "NOMEN: Systematischer Teil".

3) können -> Kunst: zuerst bei Mann.

4) schwellen -> Schwulst: zuerst bei mir in Antwort #185 am: 2006-05-13, 00:37:03 im Faden "NOMEN: Systematischer Teil".

Wenn Du jetzt auf die Idee kommst, die Muster dorren -> Durst (ebenfalls Antwort #185 am: 2006-05-13, 00:37:03 im Faden "NOMEN: Systematischer Teil") bzw. reiten -> Ritt oder sehen -> Sicht (auch bei Mann), resp. die adjektivische selig -> Sal (z.B. rührselig -> Rührsal) Postul zu ieren, muß ich Dich aus denselben Gründen auch enttäuschen.

Kakokonsonantische Variationen der o.g. Ablitte gehen auf das Konto von amarillo.

Gruß,

Amelie
Religion heute:
Ex oriente deus,
ex machina lux.

amarillo

wärmen - Wurnft

Und damit statiere ich das Folgende kon: da es jederzeit möglich ist, daß die vermeintlich von mir erfundenen Formen bereits vor mir von anderen Kollegen oder netzfremden Personen hätten erdacht worden sein können, melde ich keinerlei Urheberrecht an, solange die Urheberschaft nicht zweifelsfrei nachgewiesen ist und mir zugesprochen werden kann.
Da ich nicht plagiiere, wird es sich in jedem solchen Fall um Schullwitze handeln.
Ich werde andererseits aber auch keine Vorabrecherche unternehmen, das hämme, œde und nörve mich über das erträgliche Maß hinaus.

Abgesehen von meinem Geriemenen darf hier im Forum jedes Mitglied nach Herzenslust meine Beiträge loben, schmähen, verreißen, vermanschen, umformen, sein Eigentum nennen, den Enkeln vermachen, auswendig lernen, gleich wieder vergessen und zum Jaulen finden. :D
Das Leben strebt mit Urgewalt nach Entstehung und Musik.

MrMagoo

Zitat von: AmelieZapf in 2006-05-28, 15:43:13
Hallo Mr. Magoo,

beim Postul Deiner neuen alten Ablutsformen sitzt Du einer gewaltigen Tusch auf, das meiste davon wurde nämlich schon einmal hier publizoren, u.a. von mir. Schön, daß Du es hier zusammenträgst, aber bitte mit Verweis darauf, wer's als erstes aufgebracht hat.

1)
a. geben -> Gift: die sei Dir vergönnt.
b. tragen -> Tracht: zuerst bei Mann.

2) ziemen -> Zunft: zuerst bei mir in Antwort #163 am: 2006-05-05, 18:38:44 im Faden "NOMEN: Systematischer Teil".

3) können -> Kunst: zuerst bei Mann.

4) schwellen -> Schwulst: zuerst bei mir in Antwort #185 am: 2006-05-13, 00:37:03 im Faden "NOMEN: Systematischer Teil".

Wenn Du jetzt auf die Idee kommst, die Muster dorren -> Durst (ebenfalls Antwort #185 am: 2006-05-13, 00:37:03 im Faden "NOMEN: Systematischer Teil") bzw. reiten -> Ritt oder sehen -> Sicht (auch bei Mann), resp. die adjektivische selig -> Sal (z.B. rührselig -> Rührsal) Postul zu ieren, muß ich Dich aus denselben Gründen auch enttäuschen.

Kakokonsonantische Variationen der o.g. Ablitte gehen auf das Konto von amarillo.

Gruß,

Amelie


Bin ich etwa gezwungen, sämtliche Beiträge in diversen Foren und alle Quellen im Internet aufzusuchen, bevor ich mir Gedanken mache, wie ich Substantive oder Verben stärken könnte?!
Diesen Herrn Mann kannte ich nicht, die Seite habe ich gerade zum ersten Mal gesehen - auch die Deinigen Beiträge kannte ich nicht, da ich mich aus diesem Nomenstärkungsfaden heraushielt.

Es kommen mit Sicherheit mehrere Menschen unabhängig voneinander auf Ideen oder sprachliche Neuschöpfungen, ohne daß sie sich bewußt sind, daß eben selbige Bildungen schon einmal von irgendjemand anders zu irgendeiner Zeit gesagt, geschrieben oder gedacht wurden.

Unserem Dichter Goethe zum Beispiel sagt man hinterher, er habe die Worte "Mehr Licht!" gesagt, kurz bevor er verschied.
Hat das nun zur Folge, daß jeder Mensch, der irgendwann irgendwo die Worte "Mehr Licht!" in den Mund nimmt oder sie schreibt ein Dieb ist?!

Nun, ich bin an diese Stärkungemethoden erinnert worden, als ich Unterlagen aus einem alten Seminar zusammensuchte, in welchen ich vermerkte, daß das Wörtchen Gift eine Ableitung mit Umlaut und Primärberührungseffekt aus dem starken Verbum "geben" ist. Aufgrund dieser Notiz erschien es mir interessant, mit dieser Ableitungsmethode zu experimentieren... und die Quelle dieses "geben - Gift" habe ich angegeben: Meine Seminarunterlagen.

Weiterhin hätte ich, um ganz akribisch zu sein, für meine Ableitungsvorbilder Gruft, Haft, Kluft, Schaft, Schuft, Trift, Macht, Tracht, (Dacht), Brunft, (Kunft), Zunft, Brunst, Gunst, Kunst und Schwulst als Quellen wohl eher das etymologische Wörterbuch von Friedrich Kluge angeben müssen - welcher, natürlich unabhängig von uns, schon viel früher diese Ergebnisse derjenigen Sprachforscher zusammengetragen hat, welche wiederum ihrerseits diese Bildungen schon ca. 50 bis 150 Jahre früher als Kluge entdeckten und auch zum Teil erklärt hatten.

Gruß
-MrMagoo
Wâ mag ich mich nu vinden? wâ mac ich mich nu suochen, wâ? nu bin ich hie und bin ouch dâ und enbin doch weder dâ noch hie. wer wart ouch sus verirret ie? wer wart ie sus zerteilet mê?
(Gottfried von Straßburg)

AmelieZapf

Hallo MrMagoo,

Zitat von: MrMagoo in 2006-05-28, 22:07:49
Bin ich etwa gezwungen, sämtliche Beiträge in diversen Foren und alle Quellen im Internet aufzusuchen, bevor ich mir Gedanken mache, wie ich Substantive oder Verben stärken könnte?!

Diesen Herrn Mann kannte ich nicht, die Seite habe ich gerade zum ersten Mal gesehen - auch die Deinigen Beiträge kannte ich nicht, da ich mich aus diesem Nomenstärkungsfaden heraushielt.

Nun ja, alle nicht, aber evtl. andere aktive Fäden im selben Forum. In meinen Beiträgen hatte ich den Herrn Mann verlunken, ebenso iert ein Link auf ihn von der Seite Projekte -> Substantive exist. Ich war im Ernst der Mien, daß man die Beiträge nicht hätte übersehen können und unterstoll Dir bösen Willen. Ich bitte das zu entschuldigen.

Zitat von: MrMagoo in 2006-05-28, 22:07:49
Nun, ich bin an diese Stärkungemethoden erinnert worden, als ich Unterlagen aus einem alten Seminar zusammensuchte, in welchen ich vermerkte, daß das Wörtchen Gift eine Ableitung mit Umlaut und Primärberührungseffekt aus dem starken Verbum "geben" ist. Aufgrund dieser Notiz erschien es mir interessant, mit dieser Ableitungsmethode zu experimentieren... und die Quelle dieses "geben - Gift" habe ich angegeben: Meine Seminarunterlagen.

Weiterhin hätte ich, um ganz akribisch zu sein, für meine Ableitungsvorbilder Gruft, Haft, Kluft, Schaft, Schuft, Trift, Macht, Tracht, (Dacht), Brunft, (Kunft), Zunft, Brunst, Gunst, Kunst und Schwulst als Quellen wohl eher das etymologische Wörterbuch von Friedrich Kluge angeben müssen - welcher, natürlich unabhängig von uns, schon viel früher diese Ergebnisse derjenigen Sprachforscher zusammengetragen hat, welche wiederum ihrerseits diese Bildungen schon ca. 50 bis 150 Jahre früher als Kluge entdeckten und auch zum Teil erklärt hatten.

Diese Bulde sind ja auch alt und ihre Etymolag seit Jahrhunderten bekannt. Nur sind die Formen erstarren und ihre Herkunft kaum mehr nachvollzzuiehen. Das Schema nun auf andere Worte überzutragen und ihnen neue Analagstorke beizugesellen, das ist ja genau der Punkt, um den es hier geht. Und bei den von mir angesprochenen Anden haben das eben Michael Mann und meine Wan bereits erladogen.

Nichts für ungut,

Amelie
Religion heute:
Ex oriente deus,
ex machina lux.