Stärkung der Nomen

Begonnen von amarillo, 2004-12-09, 19:36:34

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amarillo

Waß mich schon seit geraumer Zeit nicht recht ruhen lassen will, ist der Umstand, daß sich in unserer Sprache viele Nomen (vorwiegend Abstrakta) nur unter Zuhilfenahmen des Suffix -igkeit aus einem vorgegebenen Adjektiv bilden lassen. Das klingt dann teilweise doch recht läppisch (in meinen Ohren).

Wie wäre es und man störke jene Nomen, indem man sie zunächst des Suffixes beribbe, um sodann - eventuell auf der Grundlage des Adjektivs - ein freies, schönes und großes neues Nomen das Licht der Welt erblicken zu lassen?

Müdigkeit (pfui Deibel) ----- die Möde, das Möd oder vielleicht auch der, die oder das Mud.

Für ein solches Unterfangen könnte man doch prima eine Liste anlegen, wie sie schon den gestorkenen Verben zuteil wurde.
Das Leben strebt mit Urgewalt nach Entstehung und Musik.

Kilian

#1
Erstaunlich, die -igkeiten stießen auch mir schon vor längerer Zeit auf, und ich legte eine Datei an, die ich eigentlich erst im Rahmen zukünftiger Internetprojekte mit der Öffentlichkeit teilen wollte. Aber jetzt, wo du's ansprichst...

[font='Courier New']
"Rückzüchten von Substantiven aus Adjektiven"
=============================================

NEU:         STATT:             VON:
Ams          Emsigkeit          emsig
Behand       Behändigkeit       behände
Ebenburt     Ebenbürtigkeit     ebenbürtig
Eindaut      Eindeutigkeit      eindeutig
Fah          Fähigkeit          fähig
(Gemult      Gemütlichkeit      gemütlich)
Großzug      Großzügigkeit      großzügig
Gult         Gültigkeit         gültig
Haft         Heftigkeit         heftig
(Harrl        Herrlichkeit       herrlich)
Hartnack     Hartnäckigkeit     hartnäckig
(Hiel        Heiligkeit         heilig)
Leband       Lebendigkeit       lebendig
Mud          Müdigkeit          müde
Notwand      Notwendigkeit      notwendig
(Ploltz      Plötzlichkeit      plötzlich)
Sal 1)       Seligkeit          selig
Sam          Sämigkeit          sämig
(Schaulß     Scheußlichkeit     scheußlich)
Tucht        Tüchtigkeit        tüchtig
Unterschwall Unterschwelligkeit unterschwellig
Vollstand    Vollständigkeit    vollständig
Wart         Wertigkeit         wertig
Widerspanst  Widerspenstigkeit  widerspenstig
Zielstrab    Zielstrebigkeit    zielstrebig
Zuverlass    Zuverlässigkeit    zuverlässig

1) entsprechend: Armsal, Biersal, Glücksal, Rührsal, Unsal, Vertrauenssal, Weinsal
[/font]

Die Geschlechterfrage wäre noch zu klären, ich hab die Substantive erst mal alle - enstprechend den Vorlagen - als weiblich angedacht.

amarillo

Worauf warten wir dann noch? Und  Mud ist auch schon drin - ich bin überwolgt. Wie das mit dem Genus werden soll, weiß ich auch nicht, vielleicht kann man das dem Empfinden der Beitragenden überlassen. Wenn alles Feminina werden, ist es doch vollkommen geschehen um die Emanzipation des Mannes.
Das Leben strebt mit Urgewalt nach Entstehung und Musik.

caru

na, da bin ich mal gespannt, was Seine Hiel der Papst dazu sagt  ;D

eigentlich kann er nix dagegen haben, heißt ja auch Durchlaucht und nicht Durchleuchtigkeit.
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Nijntje - de echte nederlandse konijn

Kilian

Zitat von: amarillo in 2004-12-09, 23:05:20Wenn alles Feminina werden, ist es doch vollkommen geschehen um die Emanzipation des Mannes.

Och nö, das hat doch damit nix zu tun.

rotfl @ caru :D

amarillo

Vielleicht könnte man ja schon einmal alles, waß sich auf -haftigkeit gründet, zu -huft zusammenfassen?
Wahrhaftigkeit --- Wahrhuft
Leibhaftigkeit ---- Leibhuft

Und wie verhält es sich bei Nomen auf -heit (soweit sie sich aus einem Adjektiv ableiten)?
Dummheit ---- Dümme

oder aus einem Partizip (hier könnte man sich natürlich prima aus dem Fundus der gestorkenen Verben bedienen)
Zerknirschtheit ----- Zerknursch (das klingt seltsam maskulin).

Im Groben und Ganzen muß ich Dir recht geben, oh mein Administrator, der weitaus größere Teil der von mir im Stillen ausproborenen Nomen klingt sehr feminin - weiß der Henker, woran das liegt, bei auslautendem "e" ist es natürlich klar, aber der Rest....? Wunder der Sprache....!


Das Leben strebt mit Urgewalt nach Entstehung und Musik.

caru

liegt wohl daran, daß die dinger ähnlich klingen wie die alten aktionsnomina: gunst, haft, gruft, tracht...
und auch wie ein paar tatsächliche alte abstrakta: huld und andere, die mir grad nicht einfallen.
und die sind alle feminin.

auch die -heit-losen abstrakta größe, stärke etc. sind alle feminin.


"zerknursch" soll männlich klingen? höchstens, weil sichs auf "bursch" reimt:

ernüchtertnurchten morgens sprach der bursch:
"wie übermannt mich die zerknursch!"


ach ja, und "tucht" gibts schon.
(\___/)
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Nijntje - de echte nederlandse konijn

amarillo

#7
Es litten heftig am Zerknursch
Das Mägdelein und auch der Bursch.
Es fahl den beiden etwas Fröhle,
Die letzte Sünd' brannt' auf der Seele.

Typisch katholisches Liebespaar
Das Leben strebt mit Urgewalt nach Entstehung und Musik.

amarillo

#8
Himmel, mein eigener Vierzeiler hat mich den ganzen Tag nicht ruhen lassen. Ich mußte ihn vervollständigen; das Gesamtwerk werde ich meinem Gedichtzyklus "Abenteuer der katholischen Landjugend" hinzufügen.

Sie sprach: "Wie konnt' es nur gescheh'n,
Daß wir die Keusche so vergaßen;
Trübt Dich nicht über alle Maßen,
daß wir nun hier so nackig steh'n?"

Der Knabe aber sprach: "Ach wo,
da kann ich gut mit leben.
(Er kam aus Dortmund - oder so,
Da sagt man das halt eben.)

Jedoch die Maid hog tiefe Zweifel,
Ob das Getane richtig war.
Sah an den Knaben, glott sein Haar
und wonsch ihn doch zum Teufel.

"Zick' jetzt nicht rum, Du kleine Schnalle,
Du labest meine Fingerfart,
der Elfte tut's - wir wissen's alle -
auf seine ganz besond're Art."

Und schon tock aus das liebe Mädel,
schlug mit dem Täschchen zweimal drein,
mißachtend Hölle, Tod und Pein,
Noch drei Tag' später bromm sein Schädel.
Das Leben strebt mit Urgewalt nach Entstehung und Musik.

Kilian

Weitere Möglichkeiten der kreativen -igkeitenvermeidung:

kundig -> die Kundigkeit die Kundik
einfarbig -> die Einfarbigkeit die Monochröme

amarillo

#10
Die fette Weihnachtsgans hatte dazu gefohren, daß er des Abends an einem kleinen Unpaß litt.

("die Unpaß" kommt mir einfach nicht über die Lippen)
Das Leben strebt mit Urgewalt nach Entstehung und Musik.

gehabt gehabt

Hier ein Zitat aus dem waermestens empfohlenen Buch "Die Insel des zweiten Gesichts" von Albert V. Thelen. Haette er nicht nur dies eine und noch ein Buch (der schwarze Herr Bahssetup) geschrieben, so zaehlte er sicherlich zu den deutschen Grossschriftstellern. Die Insel des zweiten Gesichts ist aber mE besser als alles was Grass, Boell etc. geschrieben haben und misst sich mit Thomas Manns Buechern.

»Unbeholfen im Leben, in das ich mich immer noch nicht eingelebt habe, des Lebens Untüchte wie ein Zeichen an der Stirn«.

Also "die Tuechte"  nicht "die Tucht".


Kilian

Untüchte ist der Plural zu Untucht, behaupte ich.

caru

wäre das nicht "untuchten"?
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Nijntje - de echte nederlandse konijn

Kilian

Stimmt auch wieder. Hm... im Grimm'schen Wörterbuch fand ich in dem Eintrag "Tucht" einige Tüchte-Belegstellen, wo ich nicht erkennen kann, ob es eine Singular-Nebenform oder ein Plural ist. Einen eigenen Eintrag zu Tüchte gibt es nicht. Entsprechendes gilt für Untucht/Untüchte.

Für unseren Zweck, einen Ersatz für Untüchtigkeit zu erfinden, finde ich beide Wörter gleich gut. :)