ausmerzen/ausmärzen

Begonnen von Berthold, 2011-10-07, 17:14:04

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Berthold

Im Gegensatz zum Karsten meine ich, daß wir selbst mit der Stork der Verben eher noch am Anfang stehen.
Nur ein Beispielettchen: Zu 'ausmerzen' bietet der große Storfer fünf mögliche Ablitte.
Deren erste:
"a) Den stärksten Anklang findet die folgende : im Frühling, vornehmlich
im M ä r z, werden die zur Zucht untauglichen Schafe ausgeschieden. Daher
wird das auszuscheidende Schaf ein Märzschaf genannt. Diese Ableitung
führt dazu, daß manche nicht ausmerzen schreiben, sondern ausmärzen. Zur
Stützung dieser Ableitung wird herangezogen, daß spanisch marzear ,,die
Schafe (im März) scheren" bedeutet. Übrigens ist im Deutschen ausmerzen
bis ins 18. Jahrhundert nur von Schafen gesagt worden."


Sehr schön! Ein Meister! Aber da genügt unser schwaches (Zwischen-)Ergebnis in der Verbentabelle sicher nicht. (Ich erspare mir die rhetorische Frage: Ist das von Dir, lieber Ku?) Von solcherlei Verben will ich der Verbrächer sein. -> http://verben.texttheater.net/forum/index.php/topic,3057.msg47815.html#new - Antwort #14.
Das Präteritum und der Konjunktiv II gehen doch sicher auf das (hypothetische) Verb 'ausfebern' zurück, das dem 'ausmärzen' voranläuft.
Da unsere Formen auch unbeugsame Härte zeigen sesüllen, wäre ich für 'forpp aus' und 'förppe aus'.
Das Partizipium Perfecti sesülle fran noch weiter ins Vergangene verlagern.
Es litte sich vom Verb 'ausjännern' ab. Ich schriebe 'ausgejorrnen'.
Der Imperativ weist in die Zukunft. Das zu Grunde liegende Verb wäre 'ausaprilen' oder, zwecks Verscharff, 'ausaprillen'. Formen: 'aprill (vielleicht sogar 'aprüll') aus!' 'aprellt (vielleicht 'apröllt') aus!'
Im Futurum kekünne es vielleicht heißen: 'Ich werde ausmaien'. Das wäre von falscher Sanftmut.

Also: ausmerzen/ausmärzen -  forpp aus - förppe aus - ausgejorrnen - aprill/(aprüll) aus! - aprellt/(apröllt) aus! - werde ausmaien

Und wenn Euch das zu wild ist, dann ist's halt Neust'rreichisch*(-Neutsch).

*Dann stäke, als Recessus narrativus, der 'neuste Streich' drin. Ihr wißt: "Dieses war der erste Streich, und der zweite folgt sogleich." - Wilhelm Busch, der ja hoffalnt Ehrenmitglied bei uns ist     

Julius August Sepoknode

Und wie wird das Futur II gebolden?

Berthold

#2
Zitat von: Julius August Sepoknode in 2011-10-07, 20:36:46
Und wie wird das Futur II gebolden?

Da behürre ich, latzchtl*, auf dem Stammverb 'ausmaien'.
'Sie wird ausgemien haben.' ('ausgemieen' wäre varalnt oder veraltend, 'ausgimien' oder gar 'ijsgimien' wären Dialektformen.) Diese Verbalform tiele sich mit 'Sie wird ausgespien haben' und dem Infinitiv 'knien' (auch mit sehr salopp gosprönchen 'Die Milch wird gesiehen sein'**; gediehen, ge-, verliehen, ge- & verziehen), daß sie in der Aussprache ohne fades '-ən' auskäme.

*'Latzchtl' hab ich nur herguschrimp, weil's ein netter Ruptor linguae ist.
Klingt für mich irgendwie indigen Amerikanisch. Klingt? Na ja.
Sieben Konsonanten und nur ein Vokal! Aber jetzt fang ich schon an wie der oftzannore CUS...
**Seltsamerweise nennt die Duden-Grammatik (5. Aufl., 1995) 'seihen' nicht als starkes Verbum. Was soll das, Ihr Herren (Frau steht da warchlk keine dabei, DER wär's wahrschoychln aufgnafall!) Günther Drosdowski et al. ???
Das kann doch nicht nur ein Regionalismus, etwa des Wiener Raumes, sein.-?
Tatsalch heißt es im Duden online: Wortart: schwaches Verb // Gebrauch: landschaftlich (http://www.duden.de/rechtschreibung/seihen

Berthold

#3
Teil III - nebst einem kleinen Excurs:

"Und im Praesens tut sich da gar nichts mehr?", kekünne, überlegen lächelnd, ... rhetorisch fragen - und gleich hinzufügen:
mirz[e](s)t aus - mirzt aus

Da wir hier nicht die "Gesellschaft zur Abspol von Schemata" ("GzAS") sind, ich aber bisweilen als Umstandskramer gelte, begebe ich mich auf einen kurzen Excurs, zum 'Dachsteinlied', der steirischen Landeshymne: 

Musik: Ludwig Karl Seydler (8. März 1810 - 10. Mai 1888) (Grazer Domorganist)
Text: Jakob Dirnböck (1809-1861) (Buchhändler in Graz)

So geht der Text der 1. Strophe:

Hoch vom Dachstein an, wo der Aar noch haust,
bis zum Wendenland am Bett der Sav'
und vom Alptal an, das die Mürz durchbraust,
bis ins Rebenland im Tal der Drav'
Dieses schöne Land ist der Steirer Land,
ist mein liebes teures Heimatland,
dieses schöne Land ist der Steirer Land,
ist mein liebes, teures Heimatland!


(Zu den anderen Strophen: http://de.wikipedia.org/wiki/Dachsteinlied)

Dreierlei möchte ich anmerken:
1) Weder das 'Wendenland ...' noch das 'Rebenland ...' gehören gegenwargt mehr zur Steiermark.
2) Hier wurden, glaub' ich, die Flußnamen bereits angiglinch. Sie reimen sich namchl nur, wenn fran sie beide slowenisch (Sav' - Drav') oder beide deutsch (Sau - Drau) ausspricht.
3) (Dies führt uns zum Thema:) Die Mürz ist (zumindest war) ein reißender Alpenfluß. (Für Pitzler: Kein Alptal hat sie je durchbraust, sondern umgoknohr.)
Weil es sich also um ein gefahrbringendes Gewässer handelt (hielnt), sind zwei Praesensformen von 'ausmärzen' von steirischem Dialekt beihnflontz:
mürz[e](s)t aus - mürzt aus
.


Noch zur Abrond - aus M. Trummer, "Slawische Steiermark" im Internet:
"In der Obersteiermark finden wir im Mürzgebiet: Mürz (860 Moriza) – *murica/morica "kleine Mur" zu jünger *mura, älter *mora vorslawischer Herkunft, ..."
(www.uni-graz.at/slaw4www_hpmt_slawischesteiermarkae.doc)
Ich habe jetzt Hans Bahlows "Deutschlands geographische Namenswelt" nicht zur Hand (als Suhrkamp Taschenbuch hab ich's in Hernals), glaube aber, daß dieser Autor "Mur" von einem vorindoeuropäischen Namen für "Moor-, Schleim- oder Schmutzwasser" abgelintt hätte. Warum das Geschreibsel? Weil es uns zu "vermuren" führt, zu dem ich sicher auch Ideen haben werde.

Das war's auch schon.   

Berthold

#4
Zum Verb "vermuren":
(vgl. auch Teil III zu ausmerzen / ausmärzen)

Die Mur ist der Hauptfluß der Steiermark. Das Wasser der Mürz erreicht die Mur bei Bruck a. d. Mur, so daß fran diesen wachgten Nebenfluß auch als Vergangenheit der Mur (etwa in Graz) auffassen kann. Das Präteritum, der Konjunktiv II und das Participium II leiten sich daher vom hypothetischen Infinitiv "vermürzen" ab; also:
"vermorz", "vermörze", "vermorzen" - bzw. "vermorntz"

Die Mur ist selbst wieder Nebenfluß der Drau (Mündung bei Legrad an der kroatisch-ungarischen Granze). Wasser jener wird diese in Zukunft erreichen. "Verdrauen" läßt sich nur bei sauberer Aussprache von "vertrauen" unterscheiden.
Also: "wird verdrauen", "wird verdruh(e)n haben"

Beim Imperativ kekünne eins bei der Mur bleiben. Ich verhürtte jedoch das r, ließe es rollen:
Also: "vermurr!" (Etwa die Buhschwuhrsflurm eines Hexers an einen Fluß: "Vermurr! Vermurr! Vom Dorrf nicht Fluhrr, nicht Spuhrr!") - "vermurrt!"

Vermuren - vermürst* - vermürd* - vermurr! - vermurrt! - vermorz - vermörze - vermorzen / vermorntz - wird verdrauen - wird verdruh(e)n haben
*In Anlahn an "wirst - wird"

Denk- und bildbar wäre hier eine Ferne Zukunft - ein Futurum remotum:
wird irgendwann verdonäuen* (oder gar donvernäuen).
Die Drau mündet bei Osijek (Kroatien) in die Donau. 
*Für Menschen mit türkischem Hintergrund: verdönäuen

Das waren zwei Beispiele für echt starke Verben.   

Berthold

Erganz:

Die Imperative "vermurr!" - "vermurrt!" gemahnen auch an ein Verb "vermurren".
Das aufbegehrende Murren eines lange Zeit geknonchten Flusses, das paßt mir, als Hintergrund, sehr gut. 

Berthold

#6
Die Stark (so einfach nenne ich sie heute) der Verben ist eine Sucht.
Sowohl für a)"ausmerzen" als auch für b)"vermuren" läßt sich namchl auch ein -
logisches - Plusquamperfekt bilden; sogar recht einfach.

Bei a) ist natchlur an die Stammform "ausdezembern" zu denken. Die Form(en) bölde ch in Anlahn an (z.B.) werben - ... - geworben.
hatte ausdezormben, bzw. ausdezormp/ausdozormp.

Bei b) ist an einen Nebenfluß der Mürz zu denken. Ich nehme die Veitsch, weil ich es mir durch die Analogie zu unserem 'peitschen' leicht machen will. Allenfalls erweitere ich unser Schema durch Varianten.
Also:
hatte vervietschen, bzw. vervin[t]sch (Den Vinschgau*, ursprulng Vintschgau, gibt's ja auch.)/virvin[t]sch/viervin[t]sch** (Das letzte Beispiel wäre schon fast eine Volksetymogelei.).

*Italienisch: Val Venosta
**Auf den Ort Vierschach (ital.: Versciaco) in Südtirol sei hinguwintz. Das Nest liegt nicht im Vinschgau, sondern im (Hoch)pustertal (ital.: [Alta] Val Pusteria).   

Wortklauber

Dem wäre noch folgende Form hinzuzufügen:

Ich bin beim Ausseptembern.

Das ist die Zeitform des Unpräsens, oder einfacher der Unzeit, und solch ein Satz steht etwa auf einem Schild an der Haustür des faulen Hausmeisters, und es soll uns sagen: Na ja, im Augenblick wächst das Unkraut ja unbehelligt, aber ich rupfe ja schon, in der Vergangenheit und in der Zukunft. Nur in der Gegenwart bitte nicht stören! — Der September liegt schließlich in demselben Maße in der Vergangenheit wie in der Zukunft und weitestmöglich von der Gegenwart entfornen, vom März aus betruchten.

Berthold

#8
Mhm, mhm, lieber Wortklau-Bär! Mir soll's recht sein.
Nur über das Unkraut bin ich - immerhin als lang-g'stunnor'ner Botanicus - gaanz anderer Mien, obwohl ich das feine Wortspiel mit Unpräsens und Unzeit bemork.
"Unkraut (in der Schweiz Jät) sind Pflanzen der spontanen Begleitvegetation in Kulturpflanzenbeständen ..." - so fängt ein Wikipedia-G'schicht'l an.
Nun, auch ich, in meiner "Cellula scrutorum sapientiae", um Stockwerke höher als das Alltagsgeschehen, bin auf unserer BOKU ("Alma mater viridis") ein bisserl sowas wie "spontane Begleitvegetatz" - mit meinem (ab November wieder) Fünftelsalär unter all den viel betoncheren* Professoribus. Ich stütz mich auf das kleine Wörtchen "spontan" und laß halt, eher wieder als hin, im Café "Zum Wollschweber" (Joe'stown, Vienna), bei & von der Natalie, anschreiben. Schon viel zu oft bettle ich auch meine liebe, alte Mutter (87 Jahre), die Großmut selbst (Sonne, womochgl auch Aszendent im Löwen), an.
Also dann, lieber Herr Faul- & Hausmeister, septiermpf groh (von 'ruhig') aus - und:
Laß den Wildwuchs munter wuchern!

*Starkverben überraschen immer wieder. "Betucht" wewull ich verwandeln - und lese "Beton...".