Sprache digitalisieren?

Begonnen von Kilian, 2004-12-20, 18:54:39

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Kilian

*macht zustimmende Gesten* Das hast du schön gesagt!

caru

das macht die konsulwürde.
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('.')__('.')

Nijntje - de echte nederlandse konijn

amarillo

Das für mich einfachste Unterscheidungsmerkmal dieser Disziplinen ist, daß Musik und Mathematik nicht schummeln und nicht lügen können, die arme Mathematik muß sogar darauf hinweisen, daß die getroffene Aussage unwahr ist.

Ich habe einen Kunden, der mir nach einer anstrengenden Sitzung mit herabgezogenen Mundwinkeln und verdrehten Augen sagt: "Sie waren heute mal wieder besonders ekelhaft!"
Und ich weiß, daß er voll des Lobes ist und meine Arbeit zu schätzen weiß.
Das Leben strebt mit Urgewalt nach Entstehung und Musik.

gehabt gehabt

Zitat von: amarillo in 2004-12-23, 07:15:40
Das für mich einfachste Unterscheidungsmerkmal dieser Disziplinen ist, daß Musik und Mathematik nicht schummeln und nicht lügen können, die arme Mathematik muß sogar darauf hinweisen, daß die getroffene Aussage unwahr ist.

Ich habe einen Kunden, der mir nach einer anstrengenden Sitzung mit herabgezogenen Mundwinkeln und verdrehten Augen sagt: "Sie waren heute mal wieder besonders ekelhaft!"
Und ich weiß, daß er voll des Lobes ist und meine Arbeit zu schätzen weiß.

Musik kann doch betruegen: Hoer dir mal zum ersten Mal ein Klavierstueck von Jacques Ibert (zB in de Fassung von Aldo Ciccolini an) und versuche mitzusingen. Du fuehlst dich genasfuehrt weil die Melodien andere Richtungen gehen als du es vermuten wuerdest.

caru

musik kann deswegen nicht lügen, weil sie keinerlei aussagen macht. musik ist einfach da - sie kann zwar gewisse stimmungen erzeugen (die unecht sind, insofern man sie ohne die musik nicht empfände) und naturlaute nachahmen (auf der geige gespielter nachtigallenschlag kann bisweilen eine nachtigall täuschen), aber sie sagt nicht "hier ist melancholie, hier ist eine nachtigall", was falschaussagen wären. ebensowenig wie lügen kann sie natürlich die wahrheit sagen.

mathematik lügt nicht, nein - aber selbst bei rein mathematischen belangen kann sie uneindeutig oder unentscheidbar werden (siehe gödel), und bei außermathematischen habe ich meine zweifel, etwa in der theoretischen physik: warum soll eine kombination physikalisch richtiger formeln, nur weil sie mathematisch richtig ist, auch gleich einer wahren aussage über die äußere welt entsprechen? kann man nicht auch sachen berechnen, die gar nicht da sind?

ja, und die sprache als solche lügt auch nicht. lügen tun, wenn, dann wir. eine sprachliche äußerung kann grammatisch falsch sein, aber ob sie inhaltlich richtig ist, bestimmt allein der sprecher.
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Nijntje - de echte nederlandse konijn

amarillo

Können wir uns darauf einigen, daß die Musik eine Sprache ist, die sich ausschließlich an das Fühlen richtet, die Mathematik spricht die Ratio an, und die Sprache/das Sprechen läßt keinen Aspekt aus?

Die zwölf Apostel waren eine Räuberbande, der Mond ist ein riesiger Käsekuchen, nichts ist leichter als die Division durch Null, und morgen fahre ich mit 80facher Lichtgeschwindigkeit zu Oma, ohne auch nur eine Sekunde jünger zu werden.

Alles falsch, alles gelogen, alles grammatisch korrekt, alles blanker Unsinn. Fühlt sich jemand belogen, peinlich berührt, gar verarscht?
Vielleicht schmunzelt jemand - dann hat das mit der Emotion geklappt; vielleicht erkennen alle die falschen Aussagen, dann hat die Ratio auch ihr Teil. Das versuche mal einer mit Mathe oder Musik.

Das Leben strebt mit Urgewalt nach Entstehung und Musik.

gehabt gehabt

Musik richtet sich nicht nur ans Gefuehl. Bach hat ja
in seine Musik ede Menge geheime botschaften verklausuliert.

Ich wuerde Folgedem zustimmen: Musik sollte vor allem schoen sein, Mathematik vor allem wahr,

die Sprache muss halt ihrem Zweck dienen: ein Gedicht ist vielleicht schoen,
eine Gebrauchsanweisung nuetzlich eine SMS wichtig ...

amarillo

Wenn Musik vor allem schön sein soll, dann erkläre mir jemand Stockhausen. Ein begnadeter Musikalartist wie er hätte doch alle Möglichkeiten gehabt, Schönes zu kreieren. Was man dann hört ist doch eher zum Weglaufen.
Ich habe von modernen Komponisten gehört, denen das "ästhetisierende Musizieren" gehörig auf den Keks geht. Was die dann so auf's Notenpapier bringen - na, viele Dank!

Und was die Wahrheit in der Mathematik betrifft, möchte ich auf carus letzten Beitrag hier verweisen. Mathe beschreibt (folgerichtig) Umstände, die von Physikern und Mathematikern gleichermaßen für die Realität in Zweifel gezogen werden.

Aber Du hast ja recht, sie sollten....
Das Leben strebt mit Urgewalt nach Entstehung und Musik.

Kilian

#23
ZitatKönnen wir uns darauf einigen, daß die Musik eine Sprache ist, die sich ausschließlich an das Fühlen richtet, die Mathematik spricht die Ratio an, und die Sprache/das Sprechen läßt keinen Aspekt aus?

Also, zunächst einmal ist Musik eine Kunst und Mathematik eine Wissenschaft. Musik mir in einer Funktion als Sprache vorzustellen, fällt mir noch leicht, denn Komponisten und Musiker können bis zu einem gewissen Gerade Empfindungen und Vorstellungen beim Hörer beeinflussen. Aber Mathematik als Sprache? Gewiss, wenn mir jemand sagt "Sinus dreißig Grad gleich ein Halb", dann bedient er sich eines speziellen, der Mathematik eigenen Codes, den ich entschlüsseln und mit Hilfe meiner Ratio einordnen kann, aber dieser Code ist nicht die Mathematik selbst. Er beschreibt mathematische Sachverhalte. Mit deiner Aussage stößt du, finde ich, an die Grenzen der Vergleichbarkeit von Mathematik, Musik und Sprache.

Auch das mit "ausschließlich" ist mir zu eng. Musik kann in einem hohen Maße auch die Ratio bewegen, und wer will behaupten, die Beschäftigung mit Mathematik könne sich nicht auch emotional auswirken?

amarillo

#24
Zitat von: Kilian in 2004-12-25, 13:45:29
Auch das mit "ausschließlich" ist mir zu restriktiv. Musik kann in einem hohen Maße auch die Ratio bewegen, und wer will behaupten, die Beschäftigung mit Mathematik könne sich nicht auch emotional auswirken?

In diesem Fall spricht man doch eher von der Musikwissenschaft; und die Beschäftigung mit der Mathematik kann natürlich sehr emotional sein, das weiß ich aus meiner eigenen Schulzeit, aber das gilt doch für alle Beschäftigungen. Ich meinte die Mathematik selbst. Sie dient doch dazu, die Dinge auf eine abstrakte Ebene zu heben. Ich sehe da keinen Raum für Emotion. Meine Freude beim Entdecken eines Beweises ist nicht mathematisch, sondern mein Finden ist emotional; der Beweis war schon vorher da.

Demzufolge beschreibt die Mathematik Naturgesetzlichkeiten, die bereits existent ware, bevor jemand sie als These formulor und sie dann bewies.
Musik schafft immer Neues (sollte sie zumindest, alles andere wäre Plagiat). Meine Melodie war nicht schon vorher existent.
Das, glaube ich, gilt für alles künstlerische Schaffen.
Ich weiß, Michelangelo sagte, daß der Block Marmor bereits die Skulptur enthielt, und er, der Bildhauer, sie lediglich vom überflüssigen Stein befreit. Das scheint mir aber eher ein Sinnbild für Michelangelos Bild einer Skulptur zu sein, das er bereits als Idee im Kopf hatte.
Das Leben strebt mit Urgewalt nach Entstehung und Musik.

Kilian

#25
Du sprachst von "ansprechen". Ich vernien, dass die Musik ausschließlich das Fühlen anspreche und dass die Mathematik ausschließlich die Ratio anspreche.

Nun willst du von der Beschäftigung mit Musik und Mathematik abstrahieren und nur auf die Musik und die Mathematik selbst gucken. Erstens widerspricht das dem, was du vorher gesagt hast, als du nämlich beides als "Sprachen" bezeichnetest - aber das ist gut, denn es sind ja auch keine Sprachen. Zweitens können wir dann natürlich weder Emotio noch Ratio in der M./M. finden, denn in der Musik (Tonkunst, Anordnungen von Tönen) und in der Mathematik (hochabstraktes Gedankenkonstrukt) selbst ist weder Emotio noch Ratio vorhanden. Beides ist dem Menschen eigen und kommt erst bei der Beschäftigung mit M./M. zum Tragen.

Bei der Beschäftigung eines Menschen mit Musik kann sowohl Emotio (z. B. ästhetisches Vergnügen, Nachempfinden ausgedrückter Gefühle) als auch Ratio (z. B. wenn man beim Hören im Kopf den Aufbau eines Stücks analysiert) beteiligt sein. Gleiches gilt für die Mathematik: Vor allem Ratio (die ganze Gedankenarbeit), aber auch Emotio (Freude beim Finden eines Beweises, Genuss schöner Strukturen...). Wo ist die saubere Grenze, die du ziehen willst?

Deinen Ausführungen zu "schon vorher da" <-> "Neues schaffen" kann ich, glaube ich, zustimmen, ich verstehe nur nicht, was sie mit dem Thema zu tun haben. Dem Sprung, den du mit dem letzten Semikolon im ersten Absatz machst, kann ich nicht nachvollziehen.  ???

amarillo

'tschuldigung, das ist wirklich dämlich ausgedrocken. Gemienen  war, daß: aquadrat plus bequadrat gleich cequadrat schon wahr war, bevor Pythagoras diesen Beweis geführt hat.  
Das Leben strebt mit Urgewalt nach Entstehung und Musik.

Kilian

Das ist schon klar, ich verstehe nur nicht, wie du von dem Thema "Emotio/Ratio" auf das Thema "Neues schaffen/entdecken" kamst.

amarillo

Ich muß gestehen, daß ich im Moment Schwierigkeiten habe, Deinen letzen Beitrag zu verstehen.
Ich will versuchen, die (meine) Vorstellung in eine simple Formel zu fassen:

Musik = emotionale Idee mit rationalen Begleiterscheinungen (da                    hast Du m.E. recht)
             Schafft - auf der Basis einer Emotion - Neues

Mathe  =  rationale Idee mit emotionalen Begleiterscheinungen.
               Entdeckt - auf der Basis der Ratio - Existentes

Ob wir "Idee" hier als platonisches Ideal ansehen müssen, weiß ich nicht, aber sicherlich ist sie mehr als "Einfall".
Das Leben strebt mit Urgewalt nach Entstehung und Musik.

Kilian

Zitat von: amarillo in 2004-12-29, 12:06:04Musik = emotionale Idee mit rationalen Begleiterscheinungen (da                    hast Du m.E. recht)
             Schafft - auf der Basis einer Emotion - Neues

Mathe  =  rationale Idee mit emotionalen Begleiterscheinungen.
               Entdeckt - auf der Basis der Ratio - Existentes

Okay, einverstanden. :)