Woerter, die ihr eigenes Gegentum bedeuten

Begonnen von gehabt gehabt, 2005-01-03, 08:25:33

Vorheriges Thema - Nächstes Thema

Erseht!

#180
Zitat von: Kilian in 2016-07-20, 14:45:50
...gendern zu dieser Bedeutung zu verhelfen...

AHA!
Ich hatte den Eindruck, deine Formulierung

Zitat von: Kilian in 2016-07-20, 14:17:11
Vielleicht ist auf diesem Weg der Eindruck entstanden, gendern bedeute allgemein, etwas geschlechtsneutral zu formulieren...

bezöge sich auf mich oder aufs Wesen. Aber du meintest offenbar einen eher universellen, sozusagen einen Allgemeindruck.  ;D

Kilian

Ah! :) Meine Formulur war in der Tat missverstalnd. Ich habe sie jetzt hinders künftigen Verwurrs hier Vorbeilesender edoren.

Wortklaux

Nicht ein Wort, aber ein Nebensatz, der sein eigenes Gegentum bedeutet:

In den vergangenen zehn Jahren seien viele Taten von Deutschen oder in Deutschland lebenden Personen geplant worden, die teilweise rechtzeitig hätten vereitelt werden können.
(Steht hier.)

Je nachdem, ob man den Satzteil als indirekte Rede oder als Irrealis versteht, besagt er, dass die Taten rechtzeitig vereitelt wurden, oder eben nicht. Meiner Meinung nach erschließt sich nicht einmal aus dem Kontext zweifelsfrei, was von beidem gemeint ist (wenngleich man sicher aufgrund der Stellung des Sprechers annehmen wird, dass er die Vereitelung der Taten hervorheben wollte). Nun ja, da es sich um eine Aussage über einen Teil der Taten handelt, ist das Gegentum nur die Aussage über den anderen Teil, dessen Existenz ja auch implizit behauptet wird, und damit ist der Satz auch semantisch mit seinem Gegentum eigentlich gleichbedeutend. Ein interessanter Fall, der durch die standardsprachlich korrekte Ersetzung des Konjunktiv I durch den Konjunktiv II entsteht, wenn ersterer mit dem Indikativ gleichlautet.

Durch welche Formulierung des Nebensatzes hätte man die Zweideutigkeit des Satzes aber am elegantesten vermieden?

Wortklaux

Korrektur: Der Satz ist nicht semantisch mit seinem Gegentum gleichbedeutend, denn als indirekte Rede aufgefasst sagt er implizit über den anderen Teil, dass eine rechtzeitige Vereitelung nicht geschah (aber nicht, dass eine solche Vereitelung möglich gewesen wäre), während er als Irrealis aufgefasst über den anderen Teil sagt, dass eine solche Vereitelung nicht möglich gewesen wäre (und somit ebenfalls, dass sie nicht geschah).

Kilian

Interessanter Aspekt: Die Aussage über den anderen Teil ist eine sogenannte Implikatur. Ob man Implikaturen zur Bedeutung eines Satzes zählt oder nicht, hat natürlich Einfluss darauf, was das Gegentum dieser Bedeutung ist. Wenn ja, sind z.B. die Sätze (1) und (2) Gegentümer. Wenn nicht, dann nicht.

(1) Manche der Kugeln sind rot.
(2) Manche der Kugeln sind nicht rot.

Kilian

Zitat von: Wortklaux in 2016-10-11, 06:27:43
Nicht ein Wort, aber ein Nebensatz, der sein eigenes Gegentum bedeutet:

In den vergangenen zehn Jahren seien viele Taten von Deutschen oder in Deutschland lebenden Personen geplant worden, die teilweise rechtzeitig hätten vereitelt werden können.
(Steht hier.)

Je nachdem, ob man den Satzteil als indirekte Rede oder als Irrealis versteht, besagt er, dass die Taten rechtzeitig vereitelt wurden, oder eben nicht. Meiner Meinung nach erschließt sich nicht einmal aus dem Kontext zweifelsfrei, was von beidem gemeint ist (wenngleich man sicher aufgrund der Stellung des Sprechers annehmen wird, dass er die Vereitelung der Taten hervorheben wollte). Nun ja, da es sich um eine Aussage über einen Teil der Taten handelt, ist das Gegentum nur die Aussage über den anderen Teil, dessen Existenz ja auch implizit behauptet wird, und damit ist der Satz auch semantisch mit seinem Gegentum eigentlich gleichbedeutend. Ein interessanter Fall, der durch die standardsprachlich korrekte Ersetzung des Konjunktiv I durch den Konjunktiv II entsteht, wenn ersterer mit dem Indikativ gleichlautet.

Durch welche Formulierung des Nebensatzes hätte man die Zweideutigkeit des Satzes aber am elegantesten vermieden?

Knifflig. Vielleicht durch Hinzufug eines adverbialen Ergonzes, der die nicht gewünschte Lesart deplausibilisiert?

Realis-Lesart: In den vergangenen zehn Jahren seien viele Taten von Deutschen oder in Deutschland lebenden Personen geplant worden, die teilweise glücklicherweise rechtzeitig hätten vereitelt werden können.
Irrealis-Lesart: In den vergangenen zehn Jahren seien viele Taten von Deutschen oder in Deutschland lebenden Personen geplant worden, die teilweise eigentlich rechtzeitig hätten vereitelt werden können.

Nicht wirklich befriedigend. Hatten wir nicht schon einmal irgendwo fürs Neutsche etwas entwickelt, um einen eigenständigen Konjunktiv I zu entwickeln, der nicht so nervig mit anderen Formen zusammenfällt?

Wortklaux

Zitat von: Kilian in 2016-10-11, 11:54:28
Interessanter Aspekt: Die Aussage über den anderen Teil ist eine sogenannte Implikatur. Ob man Implikaturen zur Bedeutung eines Satzes zählt oder nicht, hat natürlich Einfluss darauf, was das Gegentum dieser Bedeutung ist. Wenn ja, sind z.B. die Sätze (1) und (2) Gegentümer. Wenn nicht, dann nicht.

(1) Manche der Kugeln sind rot.
(2) Manche der Kugeln sind nicht rot.

Nun ja, es wäre zunächst die Frage zu klären, ob der Begriff "manche" überhaupt eine Bedeutung abseits jeglicher Implikatur hat. Das Gegentum von Satz (1) wäre streng genommen: Entweder gibt es unter den bezeichneten keine roten Kugeln, oder es sind so wenige, dass der Quantifikator "manche" auf die Menge nicht passt. Jedenfalls würden wir den Satz "es gibt Männer" auch nicht als Gegensatz von "es gibt Frauen" bezeichnen, obwohl (queere Gedanken einmal beiseite) der erste Satz synonym wäre mit "manche der Menschen sind männlich" und der zweite mit "manche der Menschen sind nicht männlich".

Selbstverständlich ist "manche der Kugeln sind nicht rot" im übrigen nur eine partikularisierte konversationelle Implikatur (siehe Wikipedia: Implikatur) des Satzes "manche der Kugeln sind rot", denn sonst wäre der folgende Satz in sich widersprüchlich: "Der schwarze Sack enthält viele Kugeln, und manche der Kugeln sind rot. Über die Farbe der übrigen Kugeln weiß ich nichts."

Wortklaux

Zitat von: Kilian in 2016-10-11, 12:00:09
Zitat von: Wortklaux in 2016-10-11, 06:27:43
Nicht ein Wort, aber ein Nebensatz, der sein eigenes Gegentum bedeutet:

In den vergangenen zehn Jahren seien viele Taten von Deutschen oder in Deutschland lebenden Personen geplant worden, die teilweise rechtzeitig hätten vereitelt werden können.
(Steht hier.)

Je nachdem, ob man den Satzteil als indirekte Rede oder als Irrealis versteht, besagt er, dass die Taten rechtzeitig vereitelt wurden, oder eben nicht. Meiner Meinung nach erschließt sich nicht einmal aus dem Kontext zweifelsfrei, was von beidem gemeint ist (wenngleich man sicher aufgrund der Stellung des Sprechers annehmen wird, dass er die Vereitelung der Taten hervorheben wollte). Nun ja, da es sich um eine Aussage über einen Teil der Taten handelt, ist das Gegentum nur die Aussage über den anderen Teil, dessen Existenz ja auch implizit behauptet wird, und damit ist der Satz auch semantisch mit seinem Gegentum eigentlich gleichbedeutend. Ein interessanter Fall, der durch die standardsprachlich korrekte Ersetzung des Konjunktiv I durch den Konjunktiv II entsteht, wenn ersterer mit dem Indikativ gleichlautet.

Durch welche Formulierung des Nebensatzes hätte man die Zweideutigkeit des Satzes aber am elegantesten vermieden?

Knifflig. Vielleicht durch Hinzufug eines adverbialen Ergonzes, der die nicht gewünschte Lesart deplausibilisiert?

Realis-Lesart: In den vergangenen zehn Jahren seien viele Taten von Deutschen oder in Deutschland lebenden Personen geplant worden, die teilweise glücklicherweise rechtzeitig hätten vereitelt werden können.
Irrealis-Lesart: In den vergangenen zehn Jahren seien viele Taten von Deutschen oder in Deutschland lebenden Personen geplant worden, die teilweise eigentlich rechtzeitig hätten vereitelt werden können.

Nicht wirklich befriedigend. Hatten wir nicht schon einmal irgendwo fürs Neutsche etwas entwickelt, um einen eigenständigen Konjunktiv I zu entwickeln, der nicht so nervig mit anderen Formen zusammenfällt?

Man kekünne in diesem Fall natulr auch die bemante Version verwenden:
Realis-Lesart: In den vergangenen zehn Jahren seien viele Taten von Deutschen oder in Deutschland lebenden Personen geplant worden, die man teilweise rechtzeitig habe vereiteln können.
Irrealis-Lesart: In den vergangenen zehn Jahren seien viele Taten von Deutschen oder in Deutschland lebenden Personen geplant worden, die man teilweise rechtzeitig hätte vereiteln können.

Berthold

#188
Für mich liest sich das so, als hätte eins ganze Personen vereiteln können, durch sexuelle Enthaltsamkeit, Verhütung oder so. Außerdem dünkt mich "vereiteln" hier ein alterthümelnd, leicht unklares Wort zu sein. "Ich vereit(e)le das" klingt ein bisserl g'spaßig - die Sache liest sich insgesamt geschwollen. Ich hoffe, daß ein solcherner Satz in einem Bertl-J.-Büch'l nix verloren hätte.

"Realis-Lesart: In den vergangenen zehn Jahren seien viele Taten von Deutschen oder in Deutschland lebenden Personen geplant worden, die man teilweise rechtzeitig habe vereiteln können.
Irrealis-Lesart: In den vergangenen zehn Jahren seien viele Taten von Deutschen oder in Deutschland lebenden Personen geplant worden, die man teilweise rechtzeitig hätte vereiteln können."

Im vergangenen Jahrzehnt sollen von Deutschen oder dort lebenden Menschen viele Taten geplant worden sein, die teilweise rechtzeitig verhindert werden konnten. "Teilweise rechtzeitig" ist hier wohl zu umständlich.
- von denen sich einige verhindern hätten lassen.
Oder so halt ...


Kilian

Das englische Verb fix kann einerseits fixieren, andererseits reparieren bedeuten. Bezogen auf Datensätze wird leicht ein fast genaues Gegenteil aus beidem: Wenn man den Datensatz, mit dem die Gemeinschaft der Forschenden forscht, einmal festgelegt, nicht mehr verändern darf, dann schließt das auch Korrekturen, also Reparaturen, aus. Weswegen ich Christopher Mannings Formulierung ,,a very strong current against fixing data", wenn immer sie mir begegnet, etwas unglücklich finde...

Erseht!

Da stimme ich zu.

Ich ärgere mich ähnlich stark, wenn jemand mir sagt, irgendwas wäre eine "fixe Idee". Ich verstehe das als "festgefahrene Idee", ein Gedanke, der einen schon lange beschäftigt und von dem man einfach nicht mehr loskommt. Der Sprachgebrauch der übrigen Welt zeigt mir aber, dass es Leute gibt, für die eine fixe Idee eine eben erst entstandene Idee ist, also eine, die einem gerade mal eben fix eingefallen ist.  ???

Wortklaux

Es gibt auch im Deutschen bewegliche Feste.
Wenn man einen Tag so festsetzt, dass er besonders beweglich ist, ist es ein fixer fixer Tag.
Ebenso bedeutet fix your sports car, ein paar lockere Schrauben zu fixieren, damit das Auto fix wieder fix auf der Straße ist.

Kilian

Der niederländische Ausdruck niet in het minst bedeutet einerseits überhaupt nicht, andererseits aber auch nicht zuletzt. Für Letzteres ist offiziell eigentlich niet het minst korrekt.


Pumene

Eine Wortform, die ihr eigenes Gegenteil bedeutet ist ,,ein Verdächtiger". Ein Verdächtiger, abgeleitet vom Adjektiv verdächtig, substantiviert zu ,,der Verdächtige", ,,ein Verdächtiger", ist jemand, gegen den ein Verdacht besteht. Ein Verdächtiger, abgeleitet vom Verb verdächtigen, nämlich ,,der Verdächtiger", ,,ein Verdächtiger", ist jemand, der einen Verdacht äußert.