Woerter, die ihr eigenes Gegentum bedeuten

Begonnen von gehabt gehabt, 2005-01-03, 08:25:33

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Agricola

In einem Buch über Schubert nach einem Schumann-Zitat über die C-Dur Symphonie des ersteren:

Und wie aus solchen Auslassungen Legenden geboren werden!

Handelt es sich bei den "Auslassungen" um das von Schumann Ausgeführte oder um die Lücken darin, also das Nicht-Ausgeführte? Beides könnte die Legenden beflügeln (wenn es nicht ohnehin meistens Geflügel wäre, das der Tätigkeit des Legens nachgeht).
The future lies in front of me,
but "lies" is all that I can see.

Kilian

Wie war das noch? "Das müssen Sie in Ihrem Vortrag noch herausstreichen."

Agricola

Wenn ich aber einen Teil meiner Auslassungen herausstreiche, wird der Vortrag zu lang.
The future lies in front of me,
but "lies" is all that I can see.

Blindfisch

- Wo liegt denn das Rathaus?
- Wenn du zum Bahnhof gehst, kommst du direkt daran vorbei.
- Ach, daran bin ich immer blind vorbei gegangen.

Kilian

sich entblöden etwas zu tun bedeutet für mich dasselbe wie sich nicht entblöden etwas zu tun, wobei Letzteres richtiger klingt. Wie geht euch das?

Agricola

Also ich entblöde mich, "entblöden" ohne "nicht" zu gebrauchen. Im übrigen finde ich das Wort überhaupt blöd.
The future lies in front of me,
but "lies" is all that I can see.

katakura

#96
blöde bedeutet doch ursprulng schwach / kraftlos ... sich ent-blöden bedüte dann doch wohl, sich starkmachen ... ergo wäre es ohne nicht logischer, oder?
Toleranz ist vor allem die Erkenntnis, dass es keinen Sinn hat, sich aufzuregen. (Helmut Qualtinger)

katakura

... gerade bei wiki ergoolgen:

Die ursprüngliche Wortbedeutung der Blödheit als Schwäche oder Scheu wird noch in der Redensart sich nicht entblöden tradiert. Schon seit dem 17. Jahrhundert ist diese Form als sich entblöden, also die Schwäche abtun, sich erkühnen, sich erfrechen, bekannt. Das zusätzliche nicht dient dabei in der doppelten Verneinung nur der Verstärkung.

... lag ich also nicht falsch mit meiner obigen annahme :)
Toleranz ist vor allem die Erkenntnis, dass es keinen Sinn hat, sich aufzuregen. (Helmut Qualtinger)

Fleischers Karsten

...und mal wieder die Grimms:

ENTBLÖDEN, verecundiam tollere, demere, STIELER 200.

1)  einen beherzt, dreist machen
...
2)  sich entblöden, audere, conari, sich erkühnen, wagen
...
unrichtig hört man heute auch in gleichem sinn sagen 'sich nicht entblöden', als wäre sich entblöden sich schämen
Karsten

katakura

Zitat von: Fleischers Karsten in 2008-01-22, 14:06:10
...und mal wieder die Grimms:

... derer hätt' es ja nun gar nicht mehr bedurfen :D
Toleranz ist vor allem die Erkenntnis, dass es keinen Sinn hat, sich aufzuregen. (Helmut Qualtinger)

Agricola

Wiki wird halt auch nur bei Grimm gespocken haben. Es ist immer besser, auf die Quellen zurückzugehen. Übrigens heißt es bei Georges im Lateinisch-Deutschen Wörterbuch zu verēcundia:

das Gefühl dessen, der sich vor etwas scheut, die Scheu, die Zurückhaltung, Schüchternheit, Blödigkeit

Also könnte man für verecundiam tollere etwas ausführlicher sagen "seine Blödigkeit aufheben". Und ich hebe meine Blödigkeit auf, diesen Ausdruck der Deutlichkeit halber von nun an zu verwenden.
The future lies in front of me,
but "lies" is all that I can see.

Kilian

Zitat von: Agricola in 2008-01-22, 23:32:04Wiki wird halt auch nur bei Grimm gespocken haben.

Ganz schön schlecht gespocken. Da steht doch das Gegenteil! Hab's gleich geornden.

Kilian

Zitat von: katakura in 2008-01-22, 14:15:52... derer hätt' es ja nun gar nicht mehr bedurfen :D

Nicht dein Ernst. Grimm hat es super erklärt, wärend in der Wikipädie jemand was von verstärkendem nicht gefaselt und noch dazu das Gegenteil behauptet hat. Wenn gespocken, dann ganz schön schlecht!

Agricola

"Phantastisch" kann auch sein eigenes Gegentum bedeuten. Gerade begong mir folgender Satz in einem wikipedia-Artikel:

Als die augenblicklich größte Gefahr eines vulkanischen Winters wird der Supervulkan Yellowstone im Yellowstone-Nationalpark (USA) angesehen. Sein Ausbruch könnte zu mehreren Jahrzehnten eiszeitartigen Klimas führen, was weltweite Missernten und Hungersnöte nach sich zöge. In diesem keineswegs phantastischen Szenario könnten weltweit Millionen, vielleicht sogar Milliarden Menschen an den Folgen des Supervulkan-Ausbruchs sterben.

Nun bezwilft sicher niemand, dass es nicht gerade eine phantastische Aussicht ist, wenn Millionen oder gar Milliarden Menschen hungers sterben. Nur verstehe ich den Satz so, dass es ein durchaus phantastisches Szenario wäre, wenn man sich ausmiele, dass etwa der Kreuzberg in Berlin einen solchen Ausbruch erlöbe und infolgedessen nicht nur Milliarden von Menschen hungers stürben, sondern sogar die Berliner Staatsoper für einige Zeit ihren Spielplan reduzieren müsste. Dieses "durchaus phantastische" Szenario wäre sicherlich ebenso wenig phantastisch wie das oben genannte "keineswegs phantastische".
The future lies in front of me,
but "lies" is all that I can see.

Berthold

#104
Zitat von: katakura in 2008-01-22, 13:59:52
... gerade bei wiki ergoolgen:

Die ursprüngliche Wortbedeutung der Blödheit als Schwäche oder Scheu wird noch in der Redensart sich nicht entblöden tradiert. Schon seit dem 17. Jahrhundert ist diese Form als sich entblöden, also die Schwäche abtun, sich erkühnen, sich erfrechen, bekannt. Das zusätzliche nicht dient dabei in der doppelten Verneinung nur der Verstärkung.

... lag ich also nicht falsch mit meiner obigen annahme :)

Ich erkühne, ja -freche mich, herzuschreiben, daß bei 'sich entblöden' die Etymologie eine Ornithomologie sein kekünne. Da steckt wohl die 'Ente' dahinter: einfach losquaken, ohne Rücksicht auf die eigene Unwüsste.
Das dediärfe irgendwie ein ähnliches Verb sein wie 'unser' (allerdings jemanden) 'aufganserln': ihn aufstacheln, erregen. Schreibt nur ja nicht, daß das nicht 'gansauferln' heißt.