Woerter, die ihr eigenes Gegentum bedeuten

Begonnen von gehabt gehabt, 2005-01-03, 08:25:33

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AmelieZapf

So isses. "Dawider" (דוידר) wäre auch gut als "Parteigänger Davids" zu deuten  ;).

Grüße,

Amy
Religion heute:
Ex oriente deus,
ex machina lux.

Wortklauber

OK, kapiert. Der Gebrauch des "dawider" war mir nicht so geläufig. Ich befürchte allerdings, dass auch dieses Wort nicht alle Mistverstände ausräumt, wenigstens im mülnden Gebrauch. Mindestens wenn man sich vorher schon mal so, mal so entschieden hat, hehœre man doch leicht

Wir haben und da wieder entschieden ... :-\

Wortklauber

Zitat von: Wortklauber in 2010-11-12, 14:22:58
OK, kapiert. Der Gebrauch des "dawider" war mir nicht so geläufig. Ich befürchte allerdings, dass auch dieses Wort nicht alle Mistverstände ausräumt, wenigstens im mülnden Gebrauch. Mindestens wenn man sich vorher schon mal so, mal so entschieden hat, hehœre man doch leicht

Wir haben und da wieder entschieden ... :-\

Wir haben uns da wieder entschieden ...


... wewull ich schreiben.

Verb Rächer

Gegentümer sind ja wohl Freiheit und Gefängnis, und was ich vorzöge, wenn ich wählen kekünne, weiß ich wohl. Ist aber nun eine Freiheitsstrafe der Gefängnisstrafe vorzuziehen, oder verhält es sich gerade umgekehrt?

Einb Rächer

Einbruch

Bei einem Wintereinbruch (wenn er nicht gerade von mir verübt wird) geschieht mit dem Winter genau das Gegentum von dem, was bei einem Konjunktureinbruch mit der Konjunktur geschieht.

Justus Richter

Es ist richtig

Es ist richtig, dass jeden Tag in der Welt viele Kinder verhungern.

Es ist nicht richtig, dass jeden Tag in der Welt viele Kinder verhungern.

amarillo

Resultiert das nicht aus der dualen Bedut von 'richtig': a) wahrheitsgemäß b) rechtens?
Das Leben strebt mit Urgewalt nach Entstehung und Musik.

Justus Richter

Es resultiert daraus, führt aber dazu, dass der Begriff sein eigenes Gegentum bedeutet — richtig ist, dass es nicht richtig ist, dass jeden Tag viele Kinder Hungers sterben müssen, obwohl es richtig ist, dass das geschieht.

Kilian

Nebenan bei foll daneben hatte ich schon zwei Beispiele genannt, wo eine Verkäuferin bildlich sprach, dabei aber explizit behauptete, wörtlich zu sprechen. Erst: ,,Zu Küchensachen müssen Sie meine Kollegin fragen, ich bin hier im wahrsten Sinne des Wortes nur in den Betten." Und später: ,,Da muss man vorher mal fühlen, sonst kauft man buchstäblich die Katze im Sack." Auch das englische Wort literally wird anscheinend gerne gerade nicht im Sinne von buchstäblich, wortwörtlich, sondern als eine Art von Verstärkung gebraucht, und das schon seit Ewigkeiten, wie die in diesem Post im Language Log verlunkenen Artikel zeigen.

Kilian

Auf Kükenschublades Hinweis hin: Acht. Bedeutet einerseits Aufmerksamkeit und Fürsorge (daher achten, auch Achtung i.S.v. Respekt), andererseits Ächtung und Verbannung (daher ächten). Den dürftigen etymologischen Informationen in meinem Wahrig nach sind es zwei ganz unverwandte Wörter, die so ab dem Althochdeutschen allmählich die gleiche Form angenommen haben.

Nonymest

Zurück zum Thema und auf die Gefahr eines Wiederhols hin:
(to) table sth AE = etw. aufschieben, vertagen
(to) table sth BE = etw. auf die Tagesordnung bringen, einreichen

Kilian

#146
Zitat von: Fleischers Karsten in 2008-01-22, 14:06:10
...und mal wieder die Grimms:

ENTBLÖDEN, verecundiam tollere, demere, STIELER 200.

1)  einen beherzt, dreist machen
...
2)  sich entblöden, audere, conari, sich erkühnen, wagen
...
unrichtig hört man heute auch in gleichem sinn sagen 'sich nicht entblöden', als wäre sich entblöden sich schämen


Laut Johann August Eberhard bedeutet sich entblöden tatsächlich (auch) sich schämen. Somit wären sich nicht entblöden und sich entblöden deswegen synonym, weil sich entblöden sein eigenes Gegentum bedeutet. Tatsächlich erklärt Eberhard, dass schon die Vorsilbe ent- zwei verschiedene Bedeutungen hat: eine privative, bei der die Bedeutung des Verbs eine Trennung von der durch den Stamm bezeichneten Sache beinhaltet, wie bei entblättern, entkleiden, enterben usw., sowie eine inchoative, bei der die Bedeutung des Verbs den Eintritt in den durch den Stamm bezeichneten Zustand beinhaltet, wie bei entledigen, entzünden, entschlafen usw. Weiterhin geht er in einen nichtendenwollenden Rant gegen den sich auf Grimm berufenden Präskriptivismus über:

ZitatSich entblöden (eig. in den Zustand des Blödeseins eintreten, ent- ist hier nicht privativ [verneinend], sondern inchoativ, z. Art. 442, es bezeichnet das Eintreten in einen Zustand, wie in: entschlafen, entblühen, entzünden, entblößen usw.) ist nur eine Art des Scheuens, es bedeutet nämlich, sich von einer Handlung dadurch abhalten lassen, daß man eine Verletzung der Ehrerbietung und Bescheidenheit, der gesellschaftlichen Sitte und eine aus dieser Verletzung folgende Beschämung fürchtet. Gegenwärtig ist von sich entblöden nur die Verneinung im Gebrauch und sich nicht entblöden heißt so viel, wie sich nicht scheuen, sich erdreisten. Frisch, Deutsch-lateinisches Wörterbuch I, 111c jedoch und Grimm, Wb. III, 499 erklären den Gebrauch von sich nicht entblöden für unrichtig, indem sie das ent- in entblöden privativ nehmen und entblöden erklären als: die Blödigkeit benehmen, beherzt machen. In der Tat findet sich auch bei Gleim, Wieland und einigen andern Schriftstellern des achtzehnten Jahrhunderts: sich entblöden in der Bedeutung: sich erkühnen, sich erdreisten, z. B. "Verwegener, darfst du dich entblöden, | mit mir, des Donnerers Gemahlin, so zu reden?" Wieland Ausg. von 1794, Leipzig, bei Göschen, X, 175. Doch steht bei denselben Schriftstellern sich entblöden auch in der gerade entgegengesetzten und ursprünglichen Bedeutung: sich schämen, sich scheuen, z. B. "Du solltest dich entblöden (d. i. dich scheuen, schämen) ... aus diesem Ton zu reden." Wieland (Ausgabe von 1853) XII, 174. Der Gebrauch von entblöden in dem Sinne von beherzt machen ist vermutlich nur auf falsche Analogie zurückzuführen: man stellte es fälschlich mit Bildungen wie entblättern, entkleiden, enthüllen, entdecken usw. zusammen. Daher ist der gegenwärtige Sprachgebrauch, der sich nicht entblöden im Sinne von: sich erdreisten, sich erkühnen setzt und der also auf die ursprüngliche Bedeutung zurückgreift, völlig in seinem Rechte. "Die entsetzlichen Franzosen hatten sich nicht entblödet, der heiligen Jungfrau offenbar Gewalt anzutun." Seume. "Wie nicht die Willkür sich entblöde | die gleichgebornen Menschen doch in Klassen | zu teilen." Chamisso, Der Republikaner zu Paris am 7. Aug. 1830. — Selbst wenn aber auch die Annahme Grimms, daß in entblöden das ent- ursprünglich privativ sei, richtig wäre, so würde das doch nicht imstande sein, den gegenwärtigen Gebrauch von sich entblöden in der Bedeutung sich scheuen als falsch und unberechtigt erscheinen zu lassen. Wir haben häufig in unserer Sprache einen Bedeutungswandel, der oft so weit geht, daß die Bedeutung eines Wortes im Laufe der Zeit geradezu ins Gegenteil umgeschlagen ist; es sei hier nur an das Wort schlecht erinnert, das früher schlicht, glatt, gerade bedeutete, gegenwärtig aber nur noch als Gegensatz von gut verwendet wird (mit Ausnahme der formelhaften Wendung schlecht und recht). Wir können die alte Bedeutung von schlecht nicht auf künstlichem Wege wieder herstellen, und niemand wird diesen Versuch machen; wir beugen uns vielmehr dem allgemeinen Sprachgebrauch, der hier zugleich maßgebend für unser Sprachgefühl geworden ist, und genau in demselben Falle befinden wir uns der Wendung sich nicht entblöden (d. i. sich nicht scheuen) gegenüber. Überall, in ganz Deutschland, im Norden und Süden, im Westen und Osten gebraucht man diese Wendung in der genannten Bedeutung, unsere besten Dichter und Schriftsteller schreiben so, diese Wendung ist vollständig in unser Sprachgefühl übergegangen; da ist es ganz einfach die Pflicht der Wissenschaft, diese Wendung anzuerkennen, selbst wenn hier ein Bedeutungswandel vorläge. Es gibt in sprachlichen Dingen keine andere Autorität als die Sprache selbst; die lebendige Sprache schreitet in ihrer Entwicklung ruhig über das Ansehen auch des berühmtesten Sprachforschers hinweg und läßt sich nicht künstlich wieder in eine alte überwundene Form zurückdrängen. Es ist unerklärlich, wie man die Wendung sich nicht entblöden auf das Ansehen Grimms hin immer und immer wieder angreifen und tadeln kann, obwohl doch die lebendige Sprache uns täglich eines bessern belehrt und überhaupt kein wirklicher Grund vorliegt, der diese Wendung als tadelnswert erscheinen ließe. Gerade Jakob Grimm hat selbst am entschiedensten gegen eine solche Auffassung der Sprache, wie sie Adelung predigte, Verwahrung eingelegt. Sollen wir uns nun an den Buchstaben der Aufstellungen Grimms oder an den Geist seiner unsterblichen Werke halten? Ich glaube doch, daß allein das letztere Grimms würdig ist und daß sich die Sprache nicht nach der Sprachwissenschaft, sondern umgekehrt die Sprachwissenschaft nach der Sprache zu richten hat.

Homer

Verkehrsmeldung:

"Der rechte Fahrstreifen ist für Rettungsfahrzeuge gesperrt."

Dürfen hier ausschließlich Rettungsfahrzeuge fahren oder gerade die eben nicht? Gemeint sein muß ja wohl ersteres.
Anders in der im Norden immer wieder gern gehörten Meldung:

"Die Fehmarnsundbrücke ist für leere LKW und Wohnwagengespanne gesperrt."

Autofahrer

Es kann wohl sein, dass der Fahrer eines Autos zugleich auch sein Halter ist, ob das Auto nun fährt oder hält.

Wortklauber

mehr

Ich bin jetzt zu faul zu suchen, ob das Wort schon im Faden vorkommt, aber gerade las ich folgenden Satz und ralts eine ganze Weile über seinen Inhalt:

Es beschreibt einen Mann, der sich von seinem berüchtigten Bruder gar nicht mehr hätte unterscheiden können.

Denn in dem Text war vorher von sehr großen Unterschieden die Rede, und nun sollte sich der Mann ohne sichtbaren Anlass von seinem Bruder nicht mehr unterscheiden? Erst nach mehrmaligem Lesen ging mir auf, dass man das Wort mehr auch betont lesen kann und dass es dann den ganzen Satz in sein Gegentum verwandelt.