Wiedererstarken von BRINGEN

Begonnen von MrMagoo, 2005-01-23, 00:26:29

Vorheriges Thema - Nächstes Thema

MrMagoo

Beim Durchsehen der Roten Liste fiel mir auf, daß noch ein wichtiges Verb fehlt; eines, dem in der Sprachgeschichte viel Schaden zugeführt wurde - und daher fordere ich die Rehabilitation dieses armen Verbs, das heutzutage so wichtig ist, daß es aus unserem Sprachgebrauch gar nicht mehr wegzudenken ist!

Das Verb, um das es mir geht ist "BRINGEN"

Bringen ist ein starkes Verb gewesen und hatte die Formen
bringen - brang - gebrungen.

Schon im Mittelhochdeutschen aber hat man dem starken Präteritum das schwache "-te" Suffix verpaßt, sodaß aus
brang -----> über *brancte (analog zu denken: Mit Ausfall des "n" und Assimilation) -----> brachte wurde; das Partizip Perfekt schloß sich dem an und wurde zu gebracht.

Ich bitte daher um alsbaldige Aufnahme dieses zu Unrecht so gescholtenen und geschwächten Verbs in die Rote Liste. Vielen Dank.
Wâ mag ich mich nu vinden? wâ mac ich mich nu suochen, wâ? nu bin ich hie und bin ouch dâ und enbin doch weder dâ noch hie. wer wart ouch sus verirret ie? wer wart ie sus zerteilet mê?
(Gottfried von Straßburg)

MrMagoo

Ich muß mich berichtigen:
Man hat bringen nicht nur geschwächt, im Grunde hat man es verkrüppelt!
Es ist ja heute weder ein starkes Verb, noch ein schwaches - nein, viel schlimmer: Es ist eine Verkrüppelung eines ehemals überaus glanzvollen, starken Verbums!  :'(
Das arme arme Bringen!!
Wâ mag ich mich nu vinden? wâ mac ich mich nu suochen, wâ? nu bin ich hie und bin ouch dâ und enbin doch weder dâ noch hie. wer wart ouch sus verirret ie? wer wart ie sus zerteilet mê?
(Gottfried von Straßburg)

gehabt gehabt

Ich habe die Haende geracht als ich das gelesen habe: dachte
ist doch schoen und analog konjugoere ich sogar:

singen  sachte gesacht


(hab ich immer schon gesacht.), wenns nicht so doppeldeutig waere.

MrMagoo

Zitat von: gehabt gehabt in 2005-01-23, 00:51:37
Ich habe die Haende geracht als ich das gelesen habe: dachte
ist doch schoen und analog konjugoere ich sogar:

singen  sachte gesacht


(hab ich immer schon gesacht.), wenns nicht so doppeldeutig waere.

In dieser Form würdest Du singen gleichermaßen Schaden zuführen wie bringen; die angegebenen Formen aber paßten - in der von Dir konjugierten Weise - zu sengen!
Wâ mag ich mich nu vinden? wâ mac ich mich nu suochen, wâ? nu bin ich hie und bin ouch dâ und enbin doch weder dâ noch hie. wer wart ouch sus verirret ie? wer wart ie sus zerteilet mê?
(Gottfried von Straßburg)

gehabt gehabt

Dann muesste denken wohl auch eine andere Konjugation verpasst bekommen, oder?

Ich denke, ich dank, ich daenke, gedunken

MrMagoo

Zitat von: gehabt gehabt in 2005-01-23, 01:06:24
Dann muesste denken wohl auch eine andere Konjugation verpasst bekommen, oder?

Ich denke, ich dank, ich daenke, gedunken


Jein, dem Verb, dem diese Formen zustünden, ist "dünken".

dünken in der ursprünglichen Bedeutung hieß "scheinen", davon ist denken Kausativ und heißt daher in etwa "machen, daß etwas einleuchtet".

Die Formen wären also
dünken ------- dank ------- gedunken
denken ------- dachte ----- gedacht

In einigen süddeutsche Mundarten ist denken vollkommen regelmäßigt:
denken ------- denkte ----- gedenkt.
Wâ mag ich mich nu vinden? wâ mac ich mich nu suochen, wâ? nu bin ich hie und bin ouch dâ und enbin doch weder dâ noch hie. wer wart ouch sus verirret ie? wer wart ie sus zerteilet mê?
(Gottfried von Straßburg)

MrMagoo

Hab's gerade nocheinmal genauer nachgeschlagen - wie ich vermutete:
"dünken" war tatsächlich ein starkes Verb (mußte ja), also auch rauf damit auf die Rote Liste!
Wâ mag ich mich nu vinden? wâ mac ich mich nu suochen, wâ? nu bin ich hie und bin ouch dâ und enbin doch weder dâ noch hie. wer wart ouch sus verirret ie? wer wart ie sus zerteilet mê?
(Gottfried von Straßburg)

Kilian

Ich bedaure für bringen; die Rote Liste frisst nur Neuhochdeutsches. (Sollte ich mir bei einigen der Sternchenformen schon Älteres haben unterjubeln lassen? Ich bäte dann um Korrektur.)

sachte, sächte, gesacht ist bei uns schon von senken okkuporen.

MrMagoo

Zitat von: Kilian in 2005-01-24, 23:08:53
Ich bedaure für bringen; die Rote Liste frisst nur Neuhochdeutsches. (Sollte ich mir bei einigen der Sternchenformen schon Älteres haben unterjubeln lassen? Ich bäte dann um Korrektur.)

sachte, sächte, gesacht ist bei uns schon von senken okkuporen.

Aber die Formen brang und gebrungen kann man doch heutzutage auch hören, wenn auch nur scherzhaft oder mundartlich.

Übrigns gehört dann "to bring - brang - brung" auf jeden Fall auch auf die englische "Rote Liste" (aber dort gibt's nur eine Liste für alles, richtig?) ;)
Besonders in einigen Regionen der USA sind diese alten, starken Formen noch durchaus gebräuchlich.

P.S.: sachte, gesacht gelten sowohl für sengen als auch für senken.
Genaugenommen kann man (nach alter Bildungsweise noch heute in besonders plattdeutschen Mundarten), wie gehabt gehabt bereits erwähnte, auch das Verb sagen dazunehmen.

Die Präteritum- und Partizip 2 - Formen wären also für sagen, sengen und senken dieselben, aber das muß ja nichts heßen... (vgl. z.B. denken und dachen oder das Partizip2 "getroffen" für treffen und triefen)..
Wâ mag ich mich nu vinden? wâ mac ich mich nu suochen, wâ? nu bin ich hie und bin ouch dâ und enbin doch weder dâ noch hie. wer wart ouch sus verirret ie? wer wart ie sus zerteilet mê?
(Gottfried von Straßburg)

MrMagoo

Interessant - habe vorhin in einer mittelhochdeutschen Grammatik nachlesen können, daß es noch einen zweiten Erklärungsansatz zu bringen und dessen Formen gibt; und zwar den, daß es neben dem starken bringen noch ein Kausativ brengen (also "bringen machen") gegeben haben soll.
Die Formen kämen nach diesem Ansatz also von zwei unterschiedlichen Verben:
bringen - brang - gebrungen
brengen - brachte - gebracht.

Ich grüble allerdings ein wenig über die Bedeutung dieses brengen - ein "bringen machen" scheint mir nicht sehr logisch...

Wie dem auch sei: Beide Ansätze rechtfertigen die alten starken Formen von "bringen".
Wâ mag ich mich nu vinden? wâ mac ich mich nu suochen, wâ? nu bin ich hie und bin ouch dâ und enbin doch weder dâ noch hie. wer wart ouch sus verirret ie? wer wart ie sus zerteilet mê?
(Gottfried von Straßburg)

Kilian


gehabt gehabt

Das erklaret natuerlich das Sprichwort "wie schon die Alten sungen, so zwitschern nun die Jungen"   = Wie schon die Alten die Jungen singen machten ..."

Kilian

Das bietet wiederum eine Fülle von Erklärungsansätzen für die elterliche Drohung: "Bist du jetzt brav, sonst gibt's Senge!"

MrMagoo

Zitat von: Kilian in 2005-01-30, 11:17:53
Das bietet wiederum eine Fülle von Erklärungsansätzen für die elterliche Drohung: "Bist du jetzt brav, sonst gibt's Senge!"


Hmm... interessant - über "Senge" in dieser Bedeutung habe ich noch nicht nachgedacht, werde nachher aber mal im Etymologischen Wörterbuch forschen...

Zitat von: gehabt gehabt in 2005-01-30, 09:03:01
Das erklaret natuerlich das Sprichwort "wie schon die Alten sungen, so zwitschern nun die Jungen"   = Wie schon die Alten die Jungen singen machten ..."

... sungen derweil hat nichts mit "sengen" zu tun, sondern kommt tatsächlich von "singen" (Alter Pluralablaut des Präteritum).
Wâ mag ich mich nu vinden? wâ mac ich mich nu suochen, wâ? nu bin ich hie und bin ouch dâ und enbin doch weder dâ noch hie. wer wart ouch sus verirret ie? wer wart ie sus zerteilet mê?
(Gottfried von Straßburg)

caru

schon seltsam, daß sengen nicht das kausativ zu singen ist. ::)
(\___/)
(>´x´<)
('.')__('.')

Nijntje - de echte nederlandse konijn