antike Rhythmen

Begonnen von Berthold, 2006-07-25, 17:49:39

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Agricola

Liebe Amy,

betreffs Versen von Catull und Musik hat mir das ganz gut gefallen, was Wilbaius Keniensis, ein junger Kenianer produziert hat, insbesondere die Version, die er "Catullus Classical" nennt, weil er da die Längen und Kürzen wirklich 1:1 umgesetzt hat:
http://www.geocities.com/domuswilbaii/Latin/Musica.htm
wenngleich sein Musikstil selbst nicht gerade das ist, auf was ich abfahre. Leider sind die Sachen auch schon viele Jahre alt, und sein Vorhaben, mehr zu produzieren, hat er seitdem nicht umgesetzt, unter anderem deshalb, glaube ich, weil er keine vernünftigen Instrumente und Technik hat.
Ansonsten ist mir Wilfried Stroh ein Vorbild, wie man antike Verse richtig betont lesen kann:
http://www.wiredforbooks.org/aeneid/
Viele Grüße!

Hermann
The future lies in front of me,
but "lies" is all that I can see.

AmelieZapf

Lieber Arminius Agricola,

Zitat von: Agricola in 2006-07-26, 06:15:19
betreffs Versen von Catull und Musik hat mir das ganz gut gefallen, was Wilbaius Keniensis, ein junger Kenianer produziert hat, insbesondere die Version, die er "Catullus Classical" nennt, weil er da die Längen und Kürzen wirklich 1:1 umgesetzt hat:

Ich höre mal rein und erstatte Bericht

Zitat von: Agricola in 2006-07-26, 06:15:19
Ansonsten ist mir Wilfried Stroh ein Vorbild, wie man antike Verse richtig betont lesen kann:
http://www.wiredforbooks.org/aeneid/

Stroh war auch der Auslöser für mein Stück. Ich hatte auch die Längen und Kürzen arverbitten, mit einem Verhältnis von 2:1. Es ergibt sich ein 11/8 mit 1/8 Auftakt:

16 16 |  8 16 8 16    8 8 16 16     8 16 16 16 16    8 (16 16) |

Grüße,

Amy
Religion heute:
Ex oriente deus,
ex machina lux.

AmelieZapf

#17
Hallo zusammen,

peiln ist mir das Selbstzitat schon, aber so weiß man wenigstens, wo das Folgende dazugehört:
Zitat von: AmelieZapf in 2006-07-26, 09:11:35
Ich höre mal rein und erstatte Bericht

Des Wilbaii Werk setzt das Metrum ahln um wie meines (die Musik ist naturl völlig anders), nur gibt er der letzten anceps ein volles Viertel, was das Metrum natürlich auf einen recht geraden 12/8 bringt (4x3). Ich finde aber, daß die Verkurz um 1/8 am Ende die Intensität und Gehetztheit der Ducht sehr gut wiedergibt und der Natur des Metrums sehr wohl ansteht.
Religion heute:
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ex machina lux.

Agricola

#18
Zitat von: AmelieZapf in 2006-07-26, 09:34:14
Hallo zusammen,

peiln ist mir das Selbstzitat schon, aber so weiß man wenigstens, wo das Folgende dazugehört:
Zitat
Ich höre mal rein und erstatte Bericht

Des Wilbaii Werk setzt das Metrum ahln um wie meines (die Musik ist naturl völlig anders), nur gibt er der letzten anceps ein volles Viertel, was das Metrum natürlich auf einen recht geraden 12/8 bringt (4x3). Ich finde aber, daß die Verkurz um 1/8 am Ende die Intensität und Gehetztheit der Ducht sehr gut wiedergibt und der Natur des Metrums sehr wohl ansteht.
Gegen die künstlerische Intention, das Gehotzene zum Ausdruck zu bringen, ist bei entsprechendem Ausdrucksbedürfnis sicher nichts einzuwenden, aber vers-theoretisch ist die Anceps am Ende der lateinischen Verszeilen Folge einer natürlichen Pause, die musikalisch entweder durch einen langen Notenwert, einen kurzen Notenwert mit Pause oder eine agogische Zäsuram (oder eine Kombination von diesen Mitteln) ausgedrocken werden kann. Eine lateinische lange Silbe (welche ja an der Stelle der Ancipitis stehen kann) gehotzen in die Zeit einer kurzen Silbe zu pressen ist schon ein ziemlich starkes Ausdrucksmittel an der Grenze der poetischen Freiheit. (So etwas hat in der Antike Proteststürme ausgelosen, wie sich bei Tullio nachlesen lässt.)

Unregelmäßigen Takt könnte man auch dadurch erreichen, dass man eine weitere Pause von der Dauer einer Kürze (oder sogar deren halber Dauer?) einfügt.

Mich würde aber sehr interessieren, wie sich jambische Senarii und ähnliche Metra (insbesondere wenn sie in Plauti etceterorum freier Art angewandt werden) in musikalische Rhythmous umsetzen lassen, da ja hier alle Kürzen durch Ancipites ersetzt werden, auch wo es keine Zäsuram gibt. Man braucht dafür sicher eine sehr flexible Agogikên, aber es ist sicher, dass diese Versûs sehr rhythmisch vorgetragen wurden und der Rhythmus durch einen Flötenspieler unterstutzen wurde, denn Cicero schreibt:

Zitat von: Cicero link=board=4;threadid=911;start=255#msg17008 date=-2133899254
Neque enim ipse versus ratione est cognitus, sed natura atque sensu, quem dimensa ratio docuit quid accideret. Ita notatio naturae et animadversio peperit artem. Sed in versibus res est apertior, quamquam etiam a modis quibusdam cantu remoto soluta esse videtur oratio maximeque id in optimo quoque eorum poetarum qui λυρικοὶ a Graecis nominantur, quos cum cantu spoliaveris, nuda paene remanet oratio. Quorum similia sunt quaedam etiam apud nostros, velut illa in Thyeste:

quemnam te esse dicam? Qui tarda in senecta (oder "senectute" nach anderen Quellen)

et quae sequuntur; quae, nisi cum tibicen accessit, orationis sunt solutae simillima. At comicorum senarii propter similitudinem sermonis sic saepe sunt abiecti, ut non numquam vix in eis numerus et versus intellegi possit.
D.h. ungefähr (Übersetzung nur für die Nichtlateinkundigen):

Denn auch der Vers selbst wird nicht rational, sondern mit dem angeborenen Sinn erfassen, welchen das abgemessene Verhältnis gelehrt hat, was geschehe. So hat die Erkenntnis und Wahrnehmung der Natur die Kunst (= Verslehre) hervorgebracht. Aber in Versen ist die Sache offensichtlicher, obwohl auch in gewissen Modis die Rede ungebunden erscheint, wenn man ihnen die Melodie nimmt, und dies am meisten bei den besten jener Dichter, die von den Griechen "Lyriker" genannt werden, bei denen, wenn man sie einmal der Melodie beroben hat, fast die nackte Rede zurückbleibt. Diesen sind manche unserer (lateinischen) Dichter ähnlich, wie etwa jenes im Thyeste [von Ennio]:

quemnam te esse dicam? Qui tarda in senecta (oder "senectute" nach anderen Quellen)

usw. Wenn diese Versûs nicht vom Flötenspieler beglitten werden, sind sie der ungebundenen Rede sehr ähnlich. Jedoch die Senarii der Komiker sind um der Ähnlichkeit mit der Alltagssprache willen oft so abgefahren, dass man in ihnen manchmal kaum einen Rhythmon und Versum erkennen kann.

The future lies in front of me,
but "lies" is all that I can see.

AmelieZapf

#19
Zitat von: Agricola in 2006-07-26, 11:19:45
Gegen die künstlerische Intention, das Gehotzene zum Ausdruck zu bringen, ist bei entsprechendem Ausdrucksbedürfnis sicher nichts einzuwenden, aber vers-theoretisch ist die Anceps am Ende der lateinischen Verszeilen Folge einer natürlichen Pause, die musikalisch entweder durch einen langen Notenwert, einen kurzen Notenwert mit Pause oder eine agogische Zäsuram (oder eine Kombination von diesen Mitteln) ausgedrocken werden kann. Eine lateinische lange Silbe (welche ja an der Stelle der Ancipitis stehen kann) gehotzen in die Zeit einer kurzen Silbe zu pressen ist schon ein ziemlich starkes Ausdrucksmittel an der Grenze der poetischen Freiheit.

Da verstundest Du mich grulnd miß. Das Viertel ist bei meiner Lesart die Dauer von zweien Longas. Ich finde, daß ein Achtel (eine syllaba longa) für die Anceps völlig reicht. Das ist longa ohne oder brevis mit Pause. Dann erhält man besagenen 11/8, welcher auch sehr schön die katalektische Natur des Galliambi zum Ausdrucke bringt.

Zitat von: Agricola in 2006-07-26, 11:19:45
Unregelmäßigen Takt könnte man auch dadurch erreichen, dass man eine weitere Pause von der Dauer einer Kürze (oder sogar deren halber Dauer?) einfügt.

Dann ist's aber nimmer katalektisch, das Metrum.

Zitat von: Cicero link=board=4;threadid=911;start=255#msg17008 date=-2133899254
At comicorum senarii propter similitudinem sermonis sic saepe sunt abiecti, ut non numquam vix in eis numerus et versus intellegi possit.

Er sug es doch selbst: kaum mehr ein Versmaß erkelnnt - prosanah.

Grüße,

Amy
Religion heute:
Ex oriente deus,
ex machina lux.

Berthold

#20
Zitat von: Agricola in 2006-07-25, 22:08:15
Lethocerus deyroll[e]i.
Nur der Vallstanchd halber:: tian2 bie1
Die Raubwanze heißt im Chinesischen 'Reisfeld-Schildkrötchen'.

katakura

Zitat von: Berthold in 2006-07-26, 16:57:16
Reisfeld

hallo berthold,

deine texte kannst du doch ganz einfach über den "editieren"-button rechts oben noch nachträglich korrigieren oder auch löschen ... nur so als nett gemienener hinweis (hab' mich erst gefragt, was diese einzelwörter wohl bedeuten sollen, bis ich dann drauf kam, dass du nachkorrigoren hast *lach*)
Toleranz ist vor allem die Erkenntnis, dass es keinen Sinn hat, sich aufzuregen. (Helmut Qualtinger)

caru

Zitat von: AmelieZapf in 2006-07-26, 14:49:17
Zitat von: Cicero link=board=4;threadid=911;start=255#msg17008 date=-2133899254
At comicorum senarii propter similitudinem sermonis sic saepe sunt abiecti, ut non numquam vix in eis numerus et versus intellegi possit.

Er sug es doch selbst: kaum mehr ein Versmaß erkelnnt - prosanah.


da hatte er auch recht. und arme studenten verse von plautus metrisch analysieren lassen ist (eine gern geübte form des) sadismus.
(\___/)
(>´x´<)
('.')__('.')

Nijntje - de echte nederlandse konijn

Agricola

Zitat von: AmelieZapf in 2006-07-26, 14:49:17
Zitat von: Agricola in 2006-07-26, 11:19:45
Gegen die künstlerische Intention, das Gehotzene zum Ausdruck zu bringen, ist bei entsprechendem Ausdrucksbedürfnis sicher nichts einzuwenden, aber vers-theoretisch ist die Anceps am Ende der lateinischen Verszeilen Folge einer natürlichen Pause, die musikalisch entweder durch einen langen Notenwert, einen kurzen Notenwert mit Pause oder eine agogische Zäsuram (oder eine Kombination von diesen Mitteln) ausgedrocken werden kann. Eine lateinische lange Silbe (welche ja an der Stelle der Ancipitis stehen kann) gehotzen in die Zeit einer kurzen Silbe zu pressen ist schon ein ziemlich starkes Ausdrucksmittel an der Grenze der poetischen Freiheit.

Da verstundest Du mich grulnd miß. Das Viertel ist bei meiner Lesart die Dauer von zweien Longas. Ich finde, daß ein Achtel (eine syllaba longa) für die Anceps völlig reicht. Das ist longa ohne oder brevis mit Pause. Dann erhält man besagenen 11/8, welcher auch sehr schön die katalektische Natur des Galliambi zum Ausdrucke bringt.

Zitat von: Agricola in 2006-07-26, 11:19:45
Unregelmäßigen Takt könnte man auch dadurch erreichen, dass man eine weitere Pause von der Dauer einer Kürze (oder sogar deren halber Dauer?) einfügt.

Dann ist's aber nimmer katalektisch, das Metrum.

Zitat von: Cicero link=board=4;threadid=911;start=255#msg17008 date=-2133899254
At comicorum senarii propter similitudinem sermonis sic saepe sunt abiecti, ut non numquam vix in eis numerus et versus intellegi possit.

Er sug es doch selbst: kaum mehr ein Versmaß erkelnnt - prosanah.

Grüße,

Amy
Dein Beitrag turbiert mich etwas.

Fangen wir mit den einfachen Dingen an.

Ja, ich habe Dich missverstanden. Ich hatte Deine Codierung der Notenwerte nicht kaporen (16 sollte also 16tel bedeuten, wenn ich es jetzt richtig verstanden habe) und deshalb auch nur oberflächlich gelesen.

Mich beeindruckt der Gegensatz des Wilbaiischen Sprechgesangs zur regelmäßigen Klavierbegleitung, weil die Verse selbst in den Betonungen ja gerade diese Regelmäßigkeit nicht aufweisen, insbesondere in den Klauseln, bei denen jeweils die drittletzte oder vorletzte Sylbe betonen wird. Für meine Ohren wird das Unregelmäßige dadurch nicht zerstoren, sondern hervorgehoben.

Nun aber zu den etwas komplizoreneren Dingen, und da bin ich mir auch weniger sicher. Zur Frage nämlich, ob ein katalektischer Vers nicht mehr katalektisch ist, wenn man ihn um eine Pause so ergänzt, dass die Vershälften in ihrem Zeitverhältnis wieder schön symmetrisch werden. Die Verszeile ist dann zwar immer noch um eine oder mehrere Sylben, aber nicht mehr um deren Zeit verkorzen. (Im übrigen ist das besondere an dem Catullischen Galliambus in diesem Beispiel ja, dass durch die Auflösung der vorletzten Länge in der zweiten Vershälfte die Sylbenzahl in beiden Vershälften gleich ist; die Asymmetrie wird also eigentlich nicht durch die Auslassung einer Sylbe, sondern durch die Beschleunigung des Tempos errichen. Zwar wird dieser Vers traditionell als katalektisch bezeichnet, aber der Begriff greift hier mindestens nur partiell, weil ohnehin das iambische an mehreren Stellen so weit aufgelosen ist, dass man den Vers eher als ein Geschwister des Hendekasyllabos bezeichnen müsste, der klassischerweise gar nicht als aus Versfüßen zusammengesotzen gilt und deshalb auch nicht katalektisch sein kann. Übrigens leitet Caesius Bassus
http://www.forumromanum.org/literature/caesius_bassus/fragmentum.html
den Galliambus aus dem Hendekasyllabos her. Sehr interessant!)

Die Frage nach dem Begriff der Katalexis hilft hier aber auch deshalb wohl nicht viel weiter, weil es sich bei ihr um eine Konstruktion der Grammatiker handelt, die jünger ist als die klassischen Verse selbst, auf die er sich bezieht. (Wenn mich die Lexika richtig informieren, taucht der griechische Begriff zuerst bei dem Grammatiker Hephaistio im 2. Jh. vor Christus, im Lateinischen aber erst viele Jahrhunderte später auf.) Es geht also letztlich um die rhythmische und metrische Theorie, nach der man die Gedichte behandelt, bzw. auch um ästhetische Fragen.

Nicht uninteressant dürfte es trotzdem sein, nachzulesen, wie diejenigen Autoren der Antike, von denen es überliefert ist, über die Frage der Katalexis gedacht haben. Aus Zeitgründen kann ich jetzt nur einen zu Rate ziehen, der aber im Hinblick auf griechische Rhythmustheorie unzweifelhaft eine Autorität ist: Aristides Quintilianus.

So finden in seiner (einzigen überlurfenen) Schrift Περὶ μουσικής, im ersten Buch, Kap. XXIII über katalektische Metren im Gegensatz zu akatalektischen:
ἃ δὲ καταληκτικὰ, ὅσα συλλαβὴν ἀφαιρεῖ τοῦ τελευταίου ποδὸς σεμνότητος ἕνεκεν τῆς μακροτέρας καταλήξεως...
d.h. also ungefähr
... weiterhin die katalektischen [Metren], welche eine Silbe des letzten Fußes wegnehmen um der Feierlichkeit der größeren Kadenz (Katalexis) willen ...
Die Katalexis soll demnach also nicht weniger, sondern mehr Ruhe schaffen, woraus ich entnehme, dass sie wohl mit einer Pause aufgefiullen wird.

Eigentlich sollte man wenigstens auch Augustinus' Schrift de musica in dieser Frage zu Rate ziehen, aber dazu habe ich leider heute keine Zeit mehr. Die Diskussion bleibt aber spannend!
The future lies in front of me,
but "lies" is all that I can see.

Agricola

Zitat von: caru in 2006-07-26, 18:10:23
Zitat von: AmelieZapf in 2006-07-26, 14:49:17
Zitat von: Cicero link=board=4;threadid=911;start=255#msg17008 date=-2133899254
At comicorum senarii propter similitudinem sermonis sic saepe sunt abiecti, ut non numquam vix in eis numerus et versus intellegi possit.

Er sug es doch selbst: kaum mehr ein Versmaß erkelnnt - prosanah.


da hatte er auch recht. und arme studenten verse von plautus metrisch analysieren lassen ist (eine gern geübte form des) sadismus.
Es ist halb so schlimm, wenn man ein bisschen Intuition walten lässt. Außer in den kniffligen Zweifelsfällen natürlich. Aber ich halte es hier eher mit der en-gros Methode: Viel lesen und die unklaren Stellen überspringen. Mit der Zeit kriegt man ein Gefühl dafür, und die meisten Zweifelsfälle ordnen sich von alleine. Es ist ein großer Fehler, Plauti Metren nur nach Längen, Kürzen und Zäsuren zu durchsuchen. Die Wortbetonungen spielen auch eine große Rolle, und dieselben Wörter werden meistens in ähnlicher metrischer Stellung verwendet.
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Berthold

#25
Zitat von: katakura in 2006-07-26, 17:04:11
hallo berthold,
deine texte kannst du doch ganz einfach über den "editieren"-button rechts oben noch nachträglich korrigieren oder auch löschen ... nur so als nett gemienener hinweis (hab' mich erst gefragt, was diese einzelwörter wohl bedeuten sollen, bis ich dann drauf kam, dass du nachkorrigoren hast *lach*)
Ach ja!
Aber weißt Du, für die nachtralge Korrektur des für mich typischen EINEN Fehlers, dafür war ich schon als Gast 'Bertl' bekannt. Bisweilen ging's nur um einen Punkt. Der Ku hat's manchmal pfurratoren. - Ich lach mit.

Ku

Ja, kann ich mich noch gut dran erinnnern.

Ku


AmelieZapf

Hallo Agricola,

Zitat von: Agricola in 2006-07-26, 19:22:26
Dein Beitrag turbiert mich etwas.

Solange er Dich nicht perturbiert, ist doch alles im grünen Bereich :-)

Zitat von: Agricola in 2006-07-26, 19:22:26
Ja, ich habe Dich missverstanden. Ich hatte Deine Codierung der Notenwerte nicht kaporen (16 sollte also 16tel bedeuten, wenn ich es jetzt richtig verstanden habe) und deshalb auch nur oberflächlich gelesen.

Mich beeindruckt der Gegensatz des Wilbaiischen Sprechgesangs zur regelmäßigen Klavierbegleitung, weil die Verse selbst in den Betonungen ja gerade diese Regelmäßigkeit nicht aufweisen, insbesondere in den Klauseln, bei denen jeweils die drittletzte oder vorletzte Sylbe betonen wird. Für meine Ohren wird das Unregelmäßige dadurch nicht zerstoren, sondern hervorgehoben.

Dazu braucht's aber keinen Weichspüler-12/8. Der 11/8 tut genau dasselbe auch, denn in der 3+3+3+2-Struktur ist die Akzentuierung frei. Man trifft sich wieder auf der ersten "Zwangslänge", also auf der 2. oder 3. Silbe des Verses. Von da an wird wieder Synkop georen, was das Zeug hält. Und gerade das ist es, was den 11er interessant macht für ein cybelistisches Bacchanal: er groovt, salva venia, wia d'Sau. Die Statik des tempus imperfectum cum prolatione perfecta ist aufgehoben, mit jedem Vers/Takt bekommt die Nummer einen Kick nach vorne, wird orgiastischer, ekstatischer, entrockener.

Zitat von: Agricola in 2006-07-26, 19:22:26
Nun aber zu den etwas komplizoreneren Dingen, und da bin ich mir auch weniger sicher. Zur Frage nämlich, ob ein katalektischer Vers nicht mehr katalektisch ist, wenn man ihn um eine Pause so ergänzt, dass die Vershälften in ihrem Zeitverhältnis wieder schön symmetrisch werden. Die Verszeile ist dann zwar immer noch um eine oder mehrere Sylben, aber nicht mehr um deren Zeit verkorzen. (Im übrigen ist das besondere an dem Catullischen Galliambus in diesem Beispiel ja, dass durch die Auflösung der vorletzten Länge in der zweiten Vershälfte die Sylbenzahl in beiden Vershälften gleich ist; die Asymmetrie wird also eigentlich nicht durch die Auslassung einer Sylbe, sondern durch die Beschleunigung des Tempos errichen.

Und genau darum geht es: da in der Musik ja eher absolute als gesprochene Zeit wahrgenommen wird, ist die zweite Hälfte des Verses zu verkürzen: 6/8 + 5/8. Dieselbe Zahl Silben in kürzerer Zeit heißt nur, daß die 5/8-Seite des Metrums stärker zu füllen ist als die 6/8-Seite. Mit Pause beiden Vershälften gleiche Zeit zuzumessen wäre unmusikalisch und nicht sensorisch zu erfassen (mit den Mitteln der Musik).

Zitat von: Agricola in 2006-07-26, 19:22:26
Zwar wird dieser Vers traditionell als katalektisch bezeichnet, aber der Begriff greift hier mindestens nur partiell, weil ohnehin das iambische an mehreren Stellen so weit aufgelosen ist, dass man den Vers eher als ein Geschwister des Hendekasyllabos bezeichnen müsste, der klassischerweise gar nicht als aus Versfüßen zusammengesotzen gilt und deshalb auch nicht katalektisch sein kann. Übrigens leitet Caesius Bassus
http://www.forumromanum.org/literature/caesius_bassus/fragmentum.html
den Galliambus aus dem Hendekasyllabos her. Sehr interessant!)

Aber auch wieder nur durch Ausfall! -- So kann man ihn gern aus dem Hendekasyllabos herleiten.

Zitat von: Agricola in 2006-07-26, 19:22:26
... weiterhin die katalektischen [Metren], welche eine Silbe des letzten Fußes wegnehmen um der Feierlichkeit der größeren Kadenz (Katalexis) willen ...
Die Katalexis soll demnach also nicht weniger, sondern mehr Ruhe schaffen, woraus ich entnehme, dass sie wohl mit einer Pause aufgefiullen wird.

Nein, das feierliche, engagierte Sprechen ist metrisch vermutlich unregelmäßiger als unser Alltagsgewäsch. Das befördert die Katalexis. Nach ungeradem Metrum wirkt die Auflösung um so stärker.

Gruß,

Amy
Religion heute:
Ex oriente deus,
ex machina lux.

Agricola

#29
Zitat von: AmelieZapf in 2006-07-27, 01:28:05
Zitat von: Agricola in 2006-07-26, 19:22:26
Ja, ich habe Dich missverstanden. Ich hatte Deine Codierung der Notenwerte nicht kaporen (16 sollte also 16tel bedeuten, wenn ich es jetzt richtig verstanden habe) und deshalb auch nur oberflächlich gelesen.

Mich beeindruckt der Gegensatz des Wilbaiischen Sprechgesangs zur regelmäßigen Klavierbegleitung, weil die Verse selbst in den Betonungen ja gerade diese Regelmäßigkeit nicht aufweisen, insbesondere in den Klauseln, bei denen jeweils die drittletzte oder vorletzte Sylbe betonen wird. Für meine Ohren wird das Unregelmäßige dadurch nicht zerstoren, sondern hervorgehoben.

Dazu braucht's aber keinen Weichspüler-12/8.

Die weichgespülte Begleitung nervt mich auch, aber nicht, weil sie im 12/8-Takt steht. Rhythmisch ist das Ding mit seinem Wechsel zwischen 12/8 und 6/4 sogar ganz originell. Da nerven mich eher die weichspülenden Harmonien. Aber das Ding wirkt für mich soviseau durch den Kontrast, also nach meinem Empfinden wird der Sprechgesang durch die regelmäßige Begleitung nicht aufgeweicht.

Aber ich bedauere sehr, dass ich nicht eben mal bei Dir vorbeikommen kann und mir Deine 11/8-Version anhören. Vielleicht später mal. (Ich komme schon manchmal nach Berlin, zumal mein Sohn und meine Eltern in Berlin wohnen. Mein Sohn macht übrigens auch Musik, wenn auch [noch?] nicht auf dem professionellen Niveau wie Du.

Zitat
Zitat von: Agricola in 2006-07-26, 19:22:26
... weiterhin die katalektischen [Metren], welche eine Silbe des letzten Fußes wegnehmen um der Feierlichkeit der größeren Kadenz (Katalexis) willen ...
Die Katalexis soll demnach also nicht weniger, sondern mehr Ruhe schaffen, woraus ich entnehme, dass sie wohl mit einer Pause aufgefiullen wird.

Nein, das feierliche, engagierte Sprechen ist metrisch vermutlich unregelmäßiger als unser Alltagsgewäsch. Das befördert die Katalexis. Nach ungeradem Metrum wirkt die Auflösung um so stärker.
Und wie isses mit dem "größeren"? Was glaubst Du, was Aristides damit meint?

Gruß

Agricola
The future lies in front of me,
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