Plusmanie plus

[Kilian]

Früher sprach man vom "akademischen Viertel". Aber das ist ein obsoleter Ausdruck. Ich schlage vor, von Pünktlichkeit plus zu sprechen, denn dieses nachgestellte plus ist z. Zt. ein großer sprachlicher Hit. Es gibt ein Erfrischungsgetränk namens Apple plus. Es handelt sich um mit Mineralwasser gemischten Apfelsaft. "Früher hieß so etwas Apfelschorle", mögen nun Scharfzüngige einwenden. Gewiß. Aber auf andere Beisiele läßt sich das nicht übertragen, z. B. das neue Konto Postbank Giro Plus hieß früher nie und nimmer Postbank Giro Schorle. Im allgemeinen will uns das plus wohl sagen, daß man uns mit allerlei Bonusleistungen und Serviceergänzungen zu ergätzen trachtet. Beim Nahrungsergänzungsmittel Calcium plus z. B. wird das nahrungsergänzende Calcium noch zusätzlich durch die Bonusergötzung Magnesium ergänzt. Fordert man die Generation Sixty plus zu einem schwungvollen Dasein auf, kriegt man zusätzlich zu den Sechzigjährigen auch rastlose Siebzig- bis Hundertjährige vor die Kamera. Die Telekom-Tarifsbezeichnung City plus will meinen, daß man zum gleichen Preis wie innerhalb Berlins auch noch mit irgendwelchen ätzenden Kleinstädten in Brandenburg telephonieren kann.

Max Goldt

Unübertrieben - die nicht unsympathische, aber doch etwas alberne Plusmanie macht vor nichts Halt. Ist sie in der Werbung mittlerweile auf dem Rückzug, stürzen sich hierzulande heutzutage gerade die Bildungsbastionen wie verrückt darauf.

Die LAG Lokale Medienarbeit NRW e.V. lobt einen Radiowettbewerb für die generationPLUS (!) aus. Der Kirchenmusik-Förderverein psallite.cantate bot vor einiger Zeit eine Veranstaltungsreihe Orgel plus an. Latein plus bedeutet nichts anderes, als dass Schulkinder in der 5. Klasse gleichzeitig mit Latein und Englisch anfangen - klassische Bildung PLUS Einstieg ins moderne Business. Die Bezirksregierung Düsseldorf unterschied bei den Lernstandserhebungen im Fach Mathematik in NRW fünv Kompetenzniveaus: M1, M2, M3, M4 und... natürlich, M4 plus.

Ich bin sicher, ihr kennt der Beispiele mehr.

[amarillo]

Ehrlich gestanden: waß mir zur Zeit wesentlich mehr auf die Weichteile geht, ist dieses ständige "aktiv". Jeder noch so langweilige Werbepunkt versucht doch irgend einen "aktiven" Scheiß an den Menschen zu bringen.
Teilweise in Zusammenhängen, daß es einem die Tränen in die Augen treibt.

Der Oberhammer allerdings ist "bewußt", das Lieblingswort der wachkomatösen Kulturschickeria.

"Ich ernähre mich bewußt" - als ob alle anderen Menschen ihre Nahrung im Tiefschlaf zu sich nähmen.
Fragt man nach, was denn bitte gemeint sei, handelt es sich lediglich um den Versuch, einen Teil der üblichen Tagesfettmenge durch Grünfutter zu ersetzen.

[Kilian]

Welt ist auch so ein Fall. Dass Kaufhöfe ja schon lange nicht mehr in Abteilungen, sondern in Warenwelten eingeteilt sind - Damenwelt, Herrenwelt, Kinderwelt, Bücherwelt, Medienwelt usw. -, daran hat man sich ja schon gewöhnt. Darüber hinaus maßt sich allmählich jeder noch so banale Konsumgegenstand an, nicht nur einen ganzen Lebensbereich, sondern eine eigene Welt eröffnen zu wollen. Und in die soll man dann i.d.R. eintauchen. Tauchen Sie ein in die Welt des Brotbackens. Mit dem Brotbackautomat SL-340.

[Ku]

"Ich ernähre mich bewußt" - als ob alle anderen Menschen ihre Nahrung im Tiefschlaf zu sich nähmen.
Fragt man nach, was denn bitte gemeint sei, handelt es sich lediglich um den Versuch, einen Teil der üblichen Tagesfettmenge durch Grünfutter zu ersetzen.

Nicht im Tiefschlaf, aber ohne zu erkennen, dass das gerade Zusichgenommene hauptsächlich aus Geschmacksverstärkern besteht. Das dumpfe Mampfen greift um sich. Also kann man sich schon mal darum kümmern, was man isst. Ich mache das täglich in unserem Betriebsrestaurant (vulgo Kantine).

[amarillo]

Ich stelle mir gerade vor, wie ich meine Birne in den Brotbackautomaten eintauche, und ganz ungewollt eine Dauerwelle verpaßt bekomme.

Am nächsten Tag erzähle ich dann, daß ich "aktiv" an der Gestaltung meiner Frisur mitwirken wollte und "bewußt" die "Welt" des Brotbackens als neue Herausforderung erkannt habe.  ;D

[amarillo]

Nicht im Tiefschlaf, aber ohne zu erkennen, dass das gerade Zusichgenommene hauptsächlich aus Geschmacksverstärkern besteht. Das dumpfe Mampfen greift um sich. Also kann man sich schon mal darum kümmern, was man isst. Ich mache das täglich in unserem Betriebsrestaurant (vulgo Kantine).

Klar, sich kümmern, aber was hat das mit "bewußt" zu tun? Keine Sau auf dieser Welt weiß zu definieren, was Bewußtsein überhaupt ist. Mit Nachdenken allein hat das mal nur sehr wenig zu tun.

Aber das ist ja das Schöne für die von mir Zitorenen, keiner weiß, waß es ist, aber alle schwallen mit.

Ernährung war nicht mein Thema. Es hätte ebenso gut lauten können: "Ich putze mir die Schuhe ganz bewußt".

Der Stuß bleibt gleich.

[VerbOrg]

Ich stelle mir gerade vor, wie ich meine Birne in den Brotbackautomaten eintauche, und ganz ungewollt eine Dauerwelle verpaßt bekomme.

Am nächsten Tag erzähle ich dann, daß ich "aktiv" an der Gestaltung meiner Frisur mitwirken wollte und "bewußt" die "Welt" des Brotbackens als neue Herausforderung erkannt habe.

Damit tauchst du in Bereiche ein, die kein Mensch zuvor ergronden hat.
Statt pur gebackenes Brot aus dem Automaten zu ziehen, reitest du auf der modischen Welle und umgibst dich durch dein Experiment mit einem Hauch von Verwegenheit. Eine Spur Extravaganz nur, aber immerhin.

[Ku]

Ich putze mir bewußt die Schuhe
und lass bewußt den Dingen ihren Lauf,
Dann leg ich mich bewußt zur Ruhe
am Morgen wach bewußt ich wieder auf.
;D

[amarillo]

...und das alles bei einer Haarlänge von ca 10mm!

Ich stelle mir gerade "aktiv" meine Dauerwelle "bewußt" vor.

Rein farblich täte ich gerne in die "Welt" des aprilfrischen Oranges eintauchen.

Falls jemand auf mich träfe, hoffe ich, daß er noch eine Kugel im Lauf hat, und er mir den Gnadenschuß verabreicht - ganz "bewußt" - versteht sich!

[VerbOrg]

Ich putze mir bewußt die Schuhe
und lass bewußt den Dingen ihren Lauf,
Dann leg ich mich bewußt zur Ruhe
am Morgen wach bewußt ich wieder auf.

Bewusst schlug ich wohl oft über die Stränge,
bis man mich mal bewusstlos schlug.
Glaubt's mir, ich bezog mächtig Senge.
Der Knochen brach man mir mehr als genug.

[Ku]

Mein Gott, VerbOrg
was haste denn bloß vorher angestellt?

[amarillo]

Ich habe im Moment keine Lust zu reimen, aber "bewußt" und "bestußt" bilden schon ein merkwürdiges Pärchen...

[amarillo]

Bewusst schlug ich wohl oft über die Stränge,
bis man mich mal bewusstlos schlug.
Glaubt's mir, ich bezog mächtig Senge.
Der Knochen brach man mir mehr als genug.

Um Gottes Willen, Du bist doch nicht am Ende in HH auf dem Kiez gelandet?! Als anständige Maid aus MeckPom - unvorstellbar.

[Ku]

Gerade wollte ich amarillo anfeuern, seine Dichtkunst zu zünden und uns einen Reimzyklus über das Bewußtsein zu verabreichen.
Ich hoffe noch darauf.

[VerbOrg]

Mein Gott, VerbOrg
was haste denn bloß vorher angestellt?

Kannst ganz beruhigt sein, was ich da riem, war rein fiktiv. Ganz so schlimm bin ich nun doch nicht, dass ich mir alle Knochen brechen lassen muss.

@ amarillo:
Dieser unbewusste Häufung "bewusster" Taten find' ich mehr als bestusst. Einen Reim kann ich mir allerdings im Moment leider nicht drauf machen.

Auf dem Kiez lande ich tatsächlich hin und wieder. Schließlich muss man ja auch "mal" nette Konzerte besuchen. Und da muss man häufig in solche Gegenden.