nirgendwofür

Begonnen von Kilian, 2005-05-04, 22:29:46

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Kilian

Was haben sich unsere werten Ahnen eigentlich bei der Erfindung der Adverbien wofür und dafür gedacht? Was hat ein Ortwort wie wo oder da darin zu suchen? Müsste es nicht wasfür und dasfür heißen? Aber nein. Da müssen sie sich nun auch nicht wundern, wenn wir heutzutage im Analogieschluss wo zum universellen Relativpronomen machen: "Der Typ, wo misch das gegeben hat."

Drastischere Auswirkungen hat jene Eigenart aber auf die Verneinung: Neulich hörte ich "Sie macht nur PR, sonst ist sie nirgendwofür da." Das gefiel mir. Ein biederer Sprecher hätte vielleicht gesagt: "Sonst ist sie für nichts da" oder "Sie ist für nichts anderes da."

VerbOrg

Merkwürdig finde ich auch das in Hamburg oft gehorene:
"Vielen Dank." - "Da nich für."

"Dafür" nicht lass ich mir ja noch gefallen. Aber dass das Wort "dafür" auch noch auseinander gerupft wird, hört sich für meine Ohren befremdlich an.

Ku

Dafür musste nicht danken

Kilian

Auch oft gehört: "Da bin ich für", "Da bin ich gegen."

Ich finde, dieser Sprachgebrauch zeigt, dass es im Gegenteil überhaupt bescheuert war, diese Wörter zu verschmelzen.

"Ich bin für das." -> "Ich bin dafür."
"Ich bin gegen das." -> "Ich bin dagegen."

Diese Pflichtverschmelzung nimmt einem z.B. die Möglichkeit, sowohl die Präposition für bzw. gegen als auch das Objekt des Dafür- bzw. Dagegenseins zu betonen. Also bricht der Sprachgebrauch die Verschmelzung wieder auf und zerlegt die Adverbien... nun aber mit einem da, das zwar eigentlich auf den Ort Bezug nimmt, jetzt aber für das von der Präpostion Abhängige.

Trotzdem nimmt man sich die Freiheit, das Adverb an den Anfang zu ziehen: "Da bin ich gegen.", was mit dem Demonstrativpronomen das nicht möglich wäre.

VerbOrg

Für das, dass du die Verschmelzung von da und für als unsinnig erachtest, klinge es aber ganz schön blöde, wenn man - wie in diesem Satz - das "für" wieder abspaltet.

Da bin ich jetzt schon wieder gegen.
(Meine Tastatur sträubt sich auch schon, solche Formulierungen produz zu ieren).

Kilian

Gewöhnungssache. ;D

amarillo

Davor habe ich keine Angst!
Wo nicht vor?

Ich finde dieses Auseinanderziehen klasse, kommt meiner Heimatzunge sehr entgegen.
Das Leben strebt mit Urgewalt nach Entstehung und Musik.

VerbOrg

Wo rutschen dir denn solche Fragen bei raus?
Da graust's mich bei.

amarillo

Ich lade Dich mal ins Ruhrgebiet ein, da gibt es noch weitere Schmankerl linguistischer Art.

Den pfeffersäck'schen Hanseaten
sei hiermit allerwohl'st geraten,
sich fremder Zunge nicht zu wehren,
soll'n vor der eig'nen Türe kehren. ;D
Das Leben strebt mit Urgewalt nach Entstehung und Musik.

VerbOrg

Wie gut, dass ich nicht zu den Hamburger Pfeffersäcken gehöre, die reden manchmal wirklich Zeug zusammen!
Aber lustig ist's allemal.
Wäre ja langweilig, wenn alle nur einheitliches Duden-Deutsch räden. Wo blieben dann so buffsche* Vokabeln wie "schmattern"?

*von Thüringern wurde mir erkluren, dass alles "buffsch" ist, was aus dem Rahmen fällt, egal, ob es ganz besonders gut oder schlecht oder nur einfach merkwürdig ist.
Passt wahrscheinlich auf "schmattern" ganz gut, oder?

Kilian

Nebenbei, ich möchte das etymologische Knäuel aus darunter, drunter, worunter, wodrunter, dadrunter, runter, nieder, darnieder, darüber, darob usw. nicht entwirren müssen...

MrMagoo

#11
Zitat von: amarillo in 2005-05-04, 23:16:41
Davor habe ich keine Angst!
Wo nicht vor?

Ich finde dieses Auseinanderziehen klasse, kommt meiner Heimatzunge sehr entgegen.

... und wird selbst im östlichen Teil Westfalens gern so verwendet. (Übrigens auch das "Da nicht für!")
Ich mag dieses Aseinanderzupfen.
Meiner Meinung nach eine Art Analogie zur Verbklammer:
So wie bei den zusammengesetzten Zeiten das Vollverb ans Satzende wandert, wird auch bei diesen Präpositionen der "Haupt"teil ans Satzende gesetzt.

Ich bin gestern zur Schule gegangen.
Da kann ich doch nichts für.
Wâ mag ich mich nu vinden? wâ mac ich mich nu suochen, wâ? nu bin ich hie und bin ouch dâ und enbin doch weder dâ noch hie. wer wart ouch sus verirret ie? wer wart ie sus zerteilet mê?
(Gottfried von Straßburg)

amarillo

Wo brauchen wir diese Verbklammer zu?
Das Leben strebt mit Urgewalt nach Entstehung und Musik.

Arnymenos

Dann bitte ich euch, euren aktiven Wortschtz um folgende Wörter, deren Klang zwar zunächst befremdlich sein mag, deren Bedeutung aber offensichtlich ist, zu erweitern:

nirgendwann
nirgendjemand (als emphatische Nebenform zu niemand)
nirgendein/er/e/es/...
nirgendwoher (gibt's das nicht schon?)
nirgendwelche (= gar keiner Art = gar keine)


Jetzt ör mich das Interesse, woher nirgend und irgend kommen. Wissende, kläret mich auf!

Ku

Ein Blick in den WaZi or mich inform, "irgend" heißt "an einem unbekannten Ort".
Also heißt "nirgend" dann "an einem bestimmten Ort".

Wirklich?