warum ist Sprache komplex?

Begonnen von gehabt gehabt, 2004-12-29, 23:03:42

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gehabt gehabt

Hier eine Frage, die ich nicht in Grab nehmen moechte, ohne kompetente Antwort zu wissen. Und da wir ja anscheinend Profis im Forum haben, dachte ich ...

Also: Unser heutiges Deutsch ist zwar recht komplex, war es aber anscheinend schon vor 800 Jahren und vermutlich auch vor 2000 Jahren. Oder gar komplexer als heute?? Jetzt stelle ich mir unsere Vorfahren (ich stelle sie mir ungefaehr so vor wie in den Asterixheften) vor, wie sie bei Wildschweinbraten des Konjuktivs gebrauchend parlieren und mit Futur II, und vielleicht gar einen Unterschied wissen zwischen Perfekt und Imperfekt.

Hand aufs Herz: Eigentlich ist das Futur zur Verstaendigung ueberfluessig (morgen gehe ich nicht arbeiten), der Konjunktiv I auch (ich hoffe, du kommst morgen) und die subtilen Unterscheidungen verschiedener Vergangenheitsformen* ebenso.
Eine Aesthet und Schoengeist (ich zaehle die Forumsmitglieder dazu) mag daran seine Freude finden, noetig ists aber nicht. Wieso hat sich also unsere Sprache in einer Krieger und Bauerngesellschaft zu solcher Komplexitaet entwickelt?
Kam der Anstoss zur Komplexitaet aus dem Volke, von den wenigen Schoengeistern (wie hiess noch der Barde bei Asterix??) oder war es gar eine Erfindung, die die herschende Klasse den Unterprivilegierten von oben aufoktroyiert hat (O-Ton 68er), um ihre Privilegien zu sichern? Oder sprachen unsere Vorfahren eigentlich recht simpel und der Zusammenstoss verschiedener Kulturen erzeugte Komplexitaet?

Zusatzfrage: Gibt es heutzutage eigentlich Beispiele, dass eine Sprache komplexer wird anstatt sich abzuschleifen?



* EinSpanier fragte mich, wie "Also sprach Zaratustra" denn zu uebersetzen sei: Asi habl'o Z  (dann und dann an dem und dem Ort sagte Z das und das) oder Asi hablaba Z  (was Z immer gepredigt hat)? Ich sagte, ich wisse es auch nicht, da muesse er schon Nietzsche fragen.

caru

ein paar detailantworten.


1) der barde hieß troubadix.

2) ja, ich weiß von sprachen, die gerade auf dem weg richtung komplexität sind. etwa das tibetische: dort hat die (jahrhunderte alte, aber noch immer im gebrauch befindliche) klassische schriftsprache im wesentlichen nur einsilbige wörter - wenn ein wort mehr silben hat, ist es ein kompositum, oder die zweite silbe ist ein (verzicht- und weglaßbarer) nominalbildner. ferner kann ein verb dort maximal vier verschiedene formen annehmen.
in der modernen umgangssprache hingegen hat praktisch kein wort unter zwei silben, viele sind viel länger - historisch gesehen alles komposita, aber die semantik der einzelteile kommt längst nicht mehr in betracht. den verben hängt man zur kennzeichnung von aspekt- und zeitformen nach art der agglutinierenden sprachen ganze rattenschwänze von partikeln an, und wieviel verschiedene formen dadurch entstehen, ist noch gar nicht untersucht.

3) man wird meines erachtens übersetzen müssen "así habló zaratustra" - es handelt sich ja um die formel, mit der jede einzelne rede z.s abgeschlossen wird, und bezieht sich daher jeweils auf das, was er in der betreffenden situation gerade gesagt hat.


"und der esel schrie dazu i-a."
(\___/)
(>´x´<)
('.')__('.')

Nijntje - de echte nederlandse konijn

gehabt gehabt

Danke fuer die Teilantworten. Wie kriegst du eigentlich die Akzente auf das i und das o. ich nehme an deine Oesterreichische Tastatur (gibt´s sowas?) hat das nicht eingebaut.

MrMagoo

#3
Zitat von: gehabt gehabt in 2004-12-29, 23:03:42
Hier eine Frage, die ich nicht in Grab nehmen moechte, ohne kompetente Antwort zu wissen. Und da wir ja anscheinend Profis im Forum haben, dachte ich ...

Also: Unser heutiges Deutsch ist zwar recht komplex, war es aber anscheinend schon vor 800 Jahren und vermutlich auch vor 2000 Jahren. Oder gar komplexer als heute?? Jetzt stelle ich mir unsere Vorfahren (ich stelle sie mir ungefaehr so vor wie in den Asterixheften) vor, wie sie bei Wildschweinbraten des Konjuktivs gebrauchend parlieren und mit Futur II, und vielleicht gar einen Unterschied wissen zwischen Perfekt und Imperfekt.

Hand aufs Herz: Eigentlich ist das Futur zur Verstaendigung ueberfluessig (morgen gehe ich nicht arbeiten), der Konjunktiv I auch (ich hoffe, du kommst morgen) und die subtilen Unterscheidungen verschiedener Vergangenheitsformen* ebenso.
Eine Aesthet und Schoengeist (ich zaehle die Forumsmitglieder dazu) mag daran seine Freude finden, noetig ists aber nicht. Wieso hat sich also unsere Sprache in einer Krieger und Bauerngesellschaft zu solcher Komplexitaet entwickelt?
Kam der Anstoss zur Komplexitaet aus dem Volke, von den wenigen Schoengeistern (wie hiess noch der Barde bei Asterix??) oder war es gar eine Erfindung, die die herschende Klasse den Unterprivilegierten von oben aufoktroyiert hat (O-Ton 68er), um ihre Privilegien zu sichern? Oder sprachen unsere Vorfahren eigentlich recht simpel und der Zusammenstoss verschiedener Kulturen erzeugte Komplexitaet?

Zusatzfrage: Gibt es heutzutage eigentlich Beispiele, dass eine Sprache komplexer wird anstatt sich abzuschleifen?



* EinSpanier fragte mich, wie "Also sprach Zaratustra" denn zu uebersetzen sei: Asi habl'o Z  (dann und dann an dem und dem Ort sagte Z das und das) oder Asi hablaba Z  (was Z immer gepredigt hat)? Ich sagte, ich wisse es auch nicht, da muesse er schon Nietzsche fragen.


Sehr komplexe Frage, sehr komplexe Sache, sehr komplexe Antwort.

Folgendes kann ich dazu beitragen:
Bezogen auf das Tempussystem greift Deine Annahme der Aufoktroyierung.
Die alten germanischen Dialekte kannten im Grunde nur zwei Zeitsysteme, nämlich die "Vergangenheit" und die "Nicht-Vergangenheit".
Ersteres ist (formal gesehen) das, was wir heute Imperfekt oder Präteritum nennen, letzteres unser "Präsens".

Alle weiteren Zeitsysteme sind (mindestens) seit althochdeutscher Zeit durch v.a. kirchliche Instanzen den deutschen Dialekten der lateinischen Sprache nach analog auferlegt worden.

Unsere beiden alten Zeitsysteme haben noch heute ihre einstigen Aufgaben beibehalten, so steht das Präteritum (auch wenn es nach und nach durch das Perfekt verdrängt wird, was aber andere Gründe hat) noch immer zur Bezeichnung von Vergangenem zur Verfügung, das Präsens bezeichnet noch immer die "Nicht-Vergangenheit" - Dabei steht es nicht nur für das, was in der Gegenwart abläuft: "Ich schreibe gerade diesen Beitrag", sondern auch für etwas zukünftig Geschehendes: "Morgen fahre ich nach Köln", etwas generell Geltendes: "Im Herbst regnet es viel", kurzum für all das, was nicht Vergangenheit ist (das Historische Präsens sei hier mal ausgenommen).

Neben dem hier angesprochenen "Indikativ" gibt es noch den "Konjunktiv", der an sich keine eigene Zeit darstellt, sondern im gewissen Sinne 'nur' ein Modus des Verbs ist, so wie auch der Indikativ ein Modus ist.
Den Konjunktiv gibt es entsprechend für
a) die Vergangenheit => Konjunktiv II (daher auch "Konjunktiv Präteritum") und
b) die Nicht-Vergangenheit => Konjunktiv I (daher auch "Konjunktiv Präsens").

Übrigens: Die Sprachen der Gallier sind/waren natürlich romanische (wie das Lateinische), keine germanischen Sprachen.
Wâ mag ich mich nu vinden? wâ mac ich mich nu suochen, wâ? nu bin ich hie und bin ouch dâ und enbin doch weder dâ noch hie. wer wart ouch sus verirret ie? wer wart ie sus zerteilet mê?
(Gottfried von Straßburg)

MrMagoo

Zitat von: gehabt gehabt in 2004-12-29, 23:03:42Also: Unser heutiges Deutsch ist zwar recht komplex, war es aber anscheinend schon vor 800 Jahren und vermutlich auch vor 2000 Jahren. Oder gar komplexer als heute?? Jetzt stelle ich mir unsere Vorfahren (ich stelle sie mir ungefaehr so vor wie in den Asterixheften) vor, wie sie bei Wildschweinbraten des Konjuktivs gebrauchend parlieren und mit Futur II, und vielleicht gar einen Unterschied wissen zwischen Perfekt und Imperfekt.

Komplexer bezogen auf Tempus-Systeme: Nein, es gab nur zwei (s.o.), eventuell drei: Eine zweite Vergangenheitsform, den "Aorist", den es heute in den romanischen Sprachen noch gibt, aber wohl auch für das Germanische anzunehmen ist.
Komplexer bezogen auf die Konjugationsparadigmen dieser beiden Tempora: Ja, denn die Flexionsendungen tendierten und tendieren dazu, sich weiter abzuschwächen.


Zitat
Hand aufs Herz: Eigentlich ist das Futur zur Verstaendigung ueberfluessig (morgen gehe ich nicht arbeiten), der Konjunktiv I auch (ich hoffe, du kommst morgen).
Zitat

Ja, sie sind es!
Das Futur wird ja sowieso kaum genutzt, viel weniger noch das Futur II, jedenfalls nicht in der gesprochenen Umgangssprache. Das liegt daran, daß sich die aus dem Lateinischen stammenden Tempussysteme nur schwierig durchsetzen konnten und können.
Dasselbe übrigens gilt auch für den Genitiv, den es im Germannischen so nicht gab - das Deutsche tendiert dazu, diesen aufoktroyierten Genitiv wieder durch die germanische Bildungsweise (nämlich Präposition+Dativ) zu ersetzen. Dabei ist zu beachten, daß diese Bildungsweise nie wirklich verdrängt wurde, denn in der gesprochenen Umgangssprache wird seit jeher die eigentliche Bildungsweise bevorzugt.
Wâ mag ich mich nu vinden? wâ mac ich mich nu suochen, wâ? nu bin ich hie und bin ouch dâ und enbin doch weder dâ noch hie. wer wart ouch sus verirret ie? wer wart ie sus zerteilet mê?
(Gottfried von Straßburg)

MrMagoo

Zitat von: MrMagoo in 2004-12-30, 15:20:14Komplexer bezogen auf die Konjugationsparadigmen dieser beiden Tempora: Ja, denn die Flexionsendungen tendierten und tendieren dazu, sich weiter abzuschwächen.

Jetzt muß ich mich mal selbst zitieren ;)

Eigentlich ist die Sprache auch hier nicht komplexer gewesen, denn der Wegfall der Flexionsendungen machte Personalpronomen nötig(er) - oder die Personalpronomen machten die Endungen unnötiger, da gibt's wohl verschiedene theoretische Ansätze.
Wâ mag ich mich nu vinden? wâ mac ich mich nu suochen, wâ? nu bin ich hie und bin ouch dâ und enbin doch weder dâ noch hie. wer wart ouch sus verirret ie? wer wart ie sus zerteilet mê?
(Gottfried von Straßburg)

gehabt gehabt

Ich kann mir das schwer vorstellen, wie das funktioniert haben soll, dass sich ein Bischof oder Abt im deutschen Zeiten ausgedacht hat, die es analog im Lateinischen gab und die seinen Schaefchen beibrachte.

Ich kanns mir nur so erklaeren: so wie die illustren Mitglieder dieses Forums hatten die Herren Kleriker 1. zu viel Zeit und 2. Spass an der Sprache und haben nicht wie wir Verben gestorken sondern Zeiten neu erfunden. Vielleicht haben sie dann auch so gepredigt und die Schafchen, weil noch unkritisch habens uebernommen.

Also nachgehakte Frage: haben die leute so gesprochen oder war die komplexe Grammatik des Mhd eine Sache des Klerus und des Adles?

Bitte um Aufklaerung: worum handelt es sich beim Aorist und lohnt es sich, ihn in diesem Kreise wieder aufleben zu lassen?

amarillo

Woran mißt man eigentlich die Komplexität einer Sprache? Ist es die Vielverzweigtheit der grammatikalischen Strukturen, der Umfang der Lexik, die Vielfalt möglicher semantischer Zuordnungen? Ich weiß es nicht.

Bislang galt doch immer die Faustregel: jede Sprache ist komplex genug, um das auszudrücken, was sie ausdrücken muß. Das waren  vor der "Globalisierung" die Inhalte der vitalen und spirituellen Lebensbereiche der einzelnen Idiome. Heute schauen wir in die Töpfe fremder Kulture und finden dort Bezeichnungen für Dinge oder auch Phänomene, die mit unseren Sprachen nur sehr unvollkommen beschrieben werden können (hier hatte doch einmal jemand von den Inuit und ihren -zig Bezeichnungen für Schnee gesprochen). Sollten diese Begriffe wichtig werden, wird sich die Sprache schnellstens einen Weg bahnen, um den Begriff, die Struktur etc. zu entlehnen, oder zumindest eine äquivalente Form zu verschaffen.

Wie sagte es ein Amerikaner, an dessen Nemen ich mich momentan nicht erinnere: die englische Sprache bietet unendlich viele Möglichkeiten sich auszudrücjken, aber wenn wir den Worten wirkliche Tiefe verleihen wollen, können wir ja immer noch auf's Deutsche ausweichen.
Das Leben strebt mit Urgewalt nach Entstehung und Musik.

gehabt gehabt

Fuer neue Woerter ist mir das klar, da Uebernimmt man Fremdwoerter. Was wuerde man aber machen, wenn es sich beispielsweise herausstellte, dass wir ein anderes "wir" brauchten, ein wir, das ausschliesslich die Sprecher einschliesst und eins das auch die Angesprochenen einschliesst:

Wir1 (=unsere Delegation) muss sich nochmal zur Beratung zurueckziehen und dann  bereden wir2 (unsere und eure Delegation) noch einmal die einzelheiten des Vertrags.

Praktisch waere so eine Form schon. Aber waere unsere durch den Duden eingefrorenen Sprache (ebenso die spanische und frz durch ihre jeweiligen Akademien) noch maechtig genug, Abhilfe zu schaffen. Kann jemand ein Szenario eintwerfen, wie solch ein Sprachwandel entstehen wuerde?


Ich will meine urspruengliche Frage nochmal stellen: Vor 1000 Jahren waren unsere Vorfahren entweder ANalphabeten oder verstaendigten sich auf Lateinisch. Dennoch bietet unsere Sprache die Moeglichkeit komplexeste Dinge zu beschreiben. Mir erscheint die Sprache ist komplexer als es zur Zeit der entstehung dieser Komplexitaet (fruehes Mittelalter?) notwendig gewesen waere.

MrMagoo

#9
Zitat von: gehabt gehabt in 2004-12-30, 15:39:12
Ich kann mir das schwer vorstellen, wie das funktioniert haben soll, dass sich ein Bischof oder Abt im deutschen Zeiten ausgedacht hat, die es analog im Lateinischen gab und die seinen Schaefchen beibrachte.

Ich kanns mir nur so erklaeren: so wie die illustren Mitglieder dieses Forums hatten die Herren Kleriker 1. zu viel Zeit und 2. Spass an der Sprache und haben nicht wie wir Verben gestorken sondern Zeiten neu erfunden. Vielleicht haben sie dann auch so gepredigt und die Schafchen, weil noch unkritisch habens uebernommen.

Genauso schwer, wie Du es Dir vorstellst, ist es auch: Wie ich bereits erwähnte, noch heute sind diese Richtlinien normativ, sie beinhalten im Grunde nur die Aussage "So soll im deutschen Sprachgebiet gesprochen und geschrieben werden".
Derjenige Pastor/Bischof oder wer auch immer hat seinen Schäfchen "das" Deutsche auch nicht beigebracht, es gab kein einheitliches Deutsch - aber bestimmte Teile der Messe etc wurden zunehmend auf deutsch (d.h. in dem jeweiligen Dialekt) gehalten, zudem eine "deutsche" Übersetzung z.B. des Taufgelöbnisses -> Der Zweck der "deutschen" Sprache (im Gegensatz zu den Dialekten) war hier nur ein religiöser und die Bevölkerung lernte bzw. nahm teil an dieser Sprache durch Nachahmung. So wurde z.B. die Antwort auf die Fragen im Taufgelöbnis ("ih fursahu" = ich widersage) durch (chorisches) Nachsprechen gegeben, ob die Leute verstanden, was sie da sagten, war irrelevant (sie haben's ja in den auf Latein gehaltenen Messen auch nicht verstanden!).


ZitatAlso nachgehakte Frage: haben die leute so gesprochen oder war die komplexe Grammatik des Mhd eine Sache des Klerus und des Adles?

Nein, natürlich nicht! Die Leute sprachen Dialekte!! Mittelhochdeutsch oder auch Althochdeutsch im Sinne von "DAS" Alt-/Mittelhochdeutsche gab es nicht, kann es gar nicht gegeben haben - strenggenommen gibt es heutzutage noch nichteinmal "ein", nämlich "DAS" Deutsche, denn jeder spricht immer noch 'seinen' Dialekt. Diese Dialekte haben sich natürlich aufgrund der normierten Standardsprache "Deutsch" (die aber nur ein Konstrukt ist!! Man spricht Dialekt!) und dem immer stärker werdenden Austausch zwischen den Regionen durch Handel etc (weshalb eine einheitliche Sprache, zumindest zunächst auf Schriftebene, immer nötiger wurde) immer weiter angeglichen, es herrschen aber dennoch große Unterschiede zwischen den Regionen, vgl. Bayerisch, Schwäbisch, Schweizerdeutsch, Sächsisch, Westfälisch, Hessisch und und und...


ZitatBitte um Aufklaerung: worum handelt es sich beim Aorist und lohnt es sich, ihn in diesem Kreise wieder aufleben zu lassen?

Der Aorist ist eine weitere, synthetische (d.h. aus einer Verbform bestehende) Vergangenheitszeitform, also eine weitere Form neben dem Präteritum. Die meisten romanischen Sprachen verfügen, neben dem "Imperfekt" (welches der Form nach unser Präteritum ist) noch über diesen Aorist, Beispiele:
Im Französisch: Imparfait (= Präteritum), Passé Simple (=Aorist)
Im Italienischen: Imperfetto (=Präteritum), Passato Remoto (=Aorist)
Im Spanischen: Imperfecto (=Präteritum), Pretérito Perfecto (=Aorist)

Der Aorist bezeichnet in diesen Sprachen normalerweise die "Erzählvergangenheit" (das Deutsche benutzt hier (nach der Norm!) das Präteritum).
Das Imperfekt in den romanischen Sprachen bezeichnet Hintergrundhandlungen, in etwa wie die Verlaufsform Past Progressive im Englischen (auch hier benutzt das Deutsche (der Norm nach!) das Präteritum).
-> Im Deutschen werden also diese beiden Aspekte, die in den romanischen Sprachen durch zwei unterschiedliche Zeitformen ausgedrückt werden, nur durch eine, nämlich das Präteritum, ausgedrückt.

Ich hoffe, das ist jetzt nicht allzu verwirrend ;)
Wâ mag ich mich nu vinden? wâ mac ich mich nu suochen, wâ? nu bin ich hie und bin ouch dâ und enbin doch weder dâ noch hie. wer wart ouch sus verirret ie? wer wart ie sus zerteilet mê?
(Gottfried von Straßburg)

MrMagoo

Zitat von: gehabt gehabt in 2004-12-30, 16:11:57Ich will meine urspruengliche Frage nochmal stellen: Vor 1000 Jahren waren unsere Vorfahren entweder ANalphabeten oder verstaendigten sich auf Lateinisch. Dennoch bietet unsere Sprache die Moeglichkeit komplexeste Dinge zu beschreiben. Mir erscheint die Sprache ist komplexer als es zur Zeit der entstehung dieser Komplexitaet (fruehes Mittelalter?) notwendig gewesen waere.


Um Gottes Willen, nein!!
Es wurden germanische Dialekte gesprochen, kein Latein!! Latein war ausschließlich Kirchensprache!

"Analphabeten" im Sinne von "des Schreibens nicht mächtig" sicher, aber sie konnten wohl sprechen --> aber kein Latein, sondern ihren jeweiligen Dialekt!
Wâ mag ich mich nu vinden? wâ mac ich mich nu suochen, wâ? nu bin ich hie und bin ouch dâ und enbin doch weder dâ noch hie. wer wart ouch sus verirret ie? wer wart ie sus zerteilet mê?
(Gottfried von Straßburg)

caru

@gehabt, noch ne teilantwort: meine tastatur ist, sagen wir mal, deutsch (qwertzuiopü) - und ich tippe einfach ´i, das wird dann í. geht für áéíóúý, leider nicht für ´ä´ö´ü. hab in gleicher weise auch à und â zûr vêrfügung.


und klar rutschen sprachstrukturen via übersetzungen in die zielsprache - nicht nur aus den bibel- und liturgieübersetzungen sowie nachahmungen französischer, provenzalischer etc. dichtung in ältere formen des deutschen, sondern auch etwa durch übertragungen altgriechischer texte ins neuhochdeutsche.
all das ist geschriebene sprache. geschriebene sprache = sprache der gebildeten, zumindest war das noch vor 100-150 jahren so, noch früher in gesteigertem maß. und wer sich gebildet dünkt und lesen kann, benutzt eben auch die schriftsprachlichen strukturen, selbst wenn und gerade weil sie in seinem heimischen dialekt nicht üblich sind. und je größer die schicht der alphabetisierten, je schneller verbreitet sich schriftsprachliches ins allgemeine sprecherbewußtsein.
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Nijntje - de echte nederlandse konijn

amarillo

Zitat von: MrMagoo in 2004-12-30, 16:15:23
Im Spanischen: Imperfecto (=Präteritum), Pretérito Perfecto (=Aorist)

nicht: pretérito indefinido (=Aorist)?
Das Leben strebt mit Urgewalt nach Entstehung und Musik.

Kilian

Zitat von: gehabt gehabt in 2004-12-30, 13:56:05Wie kriegst du eigentlich die Akzente auf das i und das o. ich nehme an deine Oesterreichische Tastatur (gibt´s sowas?) hat das nicht eingebaut.

Der/die kompromisslose Schreiber/in im Ausland lernt ohnehin die für ihn/sie wichtigen Teile der erweiterten ASCII-Tabelle (zu finden unten auf http://www.asciitable.com) auswendig und schreibt dann zum Beispiel das ö, indem er/sie die Alt-Taste gedrückt hält und währenddessen rechts im Zahlenblock 148 eintippt. So habe ich's grundsätzlich gemacht, als ich mal länger in England war. Und ich würde es wieder tun. ;D

MrMagoo

Zitat von: amarillo in 2004-12-30, 17:15:17
Zitat von: MrMagoo in 2004-12-30, 16:15:23
Im Spanischen: Imperfecto (=Präteritum), Pretérito Perfecto (=Aorist)

nicht: pretérito indefinido (=Aorist)?

Ja, das ist wohl dasselbe nur unter einem anderen Namen.
Wâ mag ich mich nu vinden? wâ mac ich mich nu suochen, wâ? nu bin ich hie und bin ouch dâ und enbin doch weder dâ noch hie. wer wart ouch sus verirret ie? wer wart ie sus zerteilet mê?
(Gottfried von Straßburg)