Deutsch im 8. Jahrhundert...

Begonnen von Ly, 2005-02-16, 22:02:33

Vorheriges Thema - Nächstes Thema

Agricola

Zitat von: Kilian in 2006-10-13, 19:36:15
Also leben wir in einem einzigen weltweiten Dialektraum mit je nach dem, wie fein man es betrachtet, bis zu über sechs Milliarden Dialekten (Idiolekten), wobei sich bestimmte Idiolektgruppen (Englisch, Hochdeutsch...) gegenüber anderen (Deutsch, deutsche Dialekte...) derzeit dominant "verhalten"... so kann man's sehen.

Völlig dialektlos ist ja niemand - ihr hättet MrMagoo auf der PerVers in Kassel erleben sollen, wie er regionale Färbungen raushörte, von denen der Sprecher selbst nichts gewusst hatte. ;D
Der japanische Sprach-, Dialekt- und Musikforscher Kindaichi Haruhiko (der zeitweise auch für die Überwachung der Aussprache der Nachrichtensprecher im Staatsfernsehen zuständig war) hat sich u.a. einen Namen gemacht, indem er einen Verbrecher, von dem es ein mitgeschnittenes Telefongespräch gab, auf Anhieb auf eine Region mit wenigen Dörfern lokalisiert hat. Der Mann wurde kurz darauf geschnappt.

Warum Du allerdings auf 6 Milliarden kommst, ist mir nicht klar. Jeder Mensch hat doch fast so viele Dialekte wie er Bezugspersonen hat, und einige weitere für unbekannte Personen verschiedenen Standes.
The future lies in front of me,
but "lies" is all that I can see.

Kilian

Das stimmt natürlich, man korrigiere die Zahl ins Unermessliche nach oben.

caru

Zitat von: Kilian in 2006-10-13, 19:36:15

Völlig dialektlos ist ja niemand - ihr hättet MrMagoo auf der PerVers in Kassel erleben sollen, wie er regionale Färbungen raushörte, von denen der Sprecher selbst nichts gewusst hatte. ;D

was ist das für ein traum, der dialek-traum?

mich hat mal so ein möchtegern-professor-higgins von einem germanisten als bayern einordnen wollen ;D ein guter freund von mir stammt teils aus bayern, teils aus oberösterreich (wo man auch so ne art bajuwarisch redet) - mit dem rede ich öfters, und von dem habe ich wohl auch dialektmerkmale übernommen. der erwähnte chamäleon-faktor :D

als ich mal 3 wochen in kärnten gewesen war, verstand meine mutter in graz nicht mehr, was ich zu ihr sagte. ähnliches berichtet eine mir bekannte römerin über sich und apulien, im übrigen.

umgekehrt hab ich mal einer frau aus halle an der saale auf den kopf zugesagt, sie müsse einige jahre in der schweiz gelebt haben. das hatte sie, und sie hat geguckt, als wär ich ein hellseher  :D
(\___/)
(>´x´<)
('.')__('.')

Nijntje - de echte nederlandse konijn

Kilian

Ganz dreckig geht es ja den armen Leuten mit Foreign Accent Syndrome, die sozial isoloren werden, weil ihnen niemand glaubt, dass sie nicht aus Großbritannien, Deutschland o.Ä. kommen.

katakura

Zitat von: Kilian in 2006-10-14, 22:46:21
Ganz dreckig geht es ja den armen Leuten mit Foreign Accent Syndrome, die sozial isoloren werden, weil ihnen niemand glaubt, dass sie nicht aus Großbritannien, Deutschland o.Ä. kommen.

... DAS ist mir ja was ganz neues - hab' ich noch nie von gehört ... auch wenn's erst einmal wie eine ente klingt, ist es doch einleuchtend ...
Toleranz ist vor allem die Erkenntnis, dass es keinen Sinn hat, sich aufzuregen. (Helmut Qualtinger)

caru

ich würde sagen, diese leute reden einfach komisch, und wer das hört, rationalisiert sich dann die sprech-eigentümlichkeiten zu einem fremden akzent zusammen. oder?

oder aber: die leute äffen, ohne es zu wollen, fremde akzente nach, die sie mal gehört haben (milde form von xenoglossie).
(\___/)
(>´x´<)
('.')__('.')

Nijntje - de echte nederlandse konijn

katakura

Zitat von: caru in 2006-10-16, 10:44:40
ich würde sagen, diese leute reden einfach komisch, und wer das hört, rationalisiert sich dann die sprech-eigentümlichkeiten zu einem fremden akzent zusammen. oder?

oder aber: die leute äffen, ohne es zu wollen, fremde akzente nach, die sie mal gehört haben (milde form von xenoglossie).

... ich habe beim lesen des beitrages auch an erstere molg als wahrschielnste erklur gedacht ... gerade, wenn verschiedene leute unterschield akzente heraushören (jeder macht sich halt aufgrund seiner individuellen hör-erfahrungen eine reim auf das gesagte und packt es in eine schublade), spricht das eher für ein verkauderwolschenes englisch ...

... aber die idee einer form von xenoglossie hat auch was für sich ... leider gibt's dafür offensilcht noch nicht sehr viele erkenntnisse ...
Toleranz ist vor allem die Erkenntnis, dass es keinen Sinn hat, sich aufzuregen. (Helmut Qualtinger)

Kilian

Zitat von: caru in 2006-10-16, 10:44:40ich würde sagen, diese leute reden einfach komisch, und wer das hört, rationalisiert sich dann die sprech-eigentümlichkeiten zu einem fremden akzent zusammen. oder?

Kommt mir auch wahrscheinlich vor, zumal mich das Vorurteil umtreibt, der US-amerikanische Durchschnittsbürger sei kein Weltmeister im Erkennen xenoglotter Akzente.

katakura

Zitat von: Kilian in 2006-10-16, 11:18:12
Zitat von: caru in 2006-10-16, 10:44:40ich würde sagen, diese leute reden einfach komisch, und wer das hört, rationalisiert sich dann die sprech-eigentümlichkeiten zu einem fremden akzent zusammen. oder?

Kommt mir auch wahrscheinlich vor, zumal mich das Vorurteil umtreibt, der US-amerikanische Durchschnittsbürger sei kein Weltmeister im Erkennen xenoglotter Akzente.

... zumal jamaikanische, franko-kanadische und slowakische akzente jeweils auch ganz schön weit auseinanderliegen und schwerlich zu verwechseln sind, wie ich meine ... aber tumbe ohren mögen dies tatsalch zusammenwürfeln :D ...
Toleranz ist vor allem die Erkenntnis, dass es keinen Sinn hat, sich aufzuregen. (Helmut Qualtinger)

katakura

#24
Zitat von: Agricola in 2006-10-13, 19:21:14
Die Wertschätzung der Dialekte ist aber in den Regionen sehr unterschiedlich ausgeprägt.

... ja, leider (für viele abgewertete mundarten), bzw. zum glück (für einige geschätzte und gepflegte mundarten) ...

... indes hat sich die wertschätzung oder eben geringachtung der deutschen mundarten im laufe der jahrhunderte auch immer wieder verändert - mal zum positiven, mal zum negativen ... man denke nur daran, daß zu luthers zeiten das sächsisch (was heute leider ja für DDR und ossitum par excellence steht) aus dem raum meißen als "bestes" deutsch galt - und luther eben "nach der meißnischen kanzley" schrieb ... damals wurden halt die niederdeutschen mundarten eher vernachlässigt und fanden daher ihre eigenheiten kaum eingang in den neuen dialekt hochdeutsch ... auch die schwäbischen mundarten, heute vielerorts wieder stolz gepflegt, galten noch bis ins vorvergangene jahrhundert als dialekte von hinterwäldlern und deppen ...

... der beispiele ließen sich noch mehrere anführen ... auf alle fälle aber zeigt dies, daß sich mundarten nicht generell in schön / häßlich, primitiv / ausgefeilt oder ähnlich unsinnige kategorien scheiden lassen (dasselbe gilt auch für hochsprachen) ... ein jeder mag individuell entscheiden, welche mundart ihm am gefälligsten klingt und welche ihm gar nicht gefällt, aber es ist dumm und auch unfair, sprecher bestimmter mundarträume als hinterwäldlerisch oder zurückgeblieben anzusehen und sich über sie lustig zu machen ...denn jede sprache ist auf ihre eigene art und weise schön, kompliziert, wertvoll und vor allem identitätsstiftend für ihre sprecher ... durch abwertung als "schlechtes deutsch" und verächtlichmachung durch witze (seit der wende muss ja vor allem das sächsische - oder pseudo-sächsische, das einige comedy-heinis sprechen - als mundart der deppen herhalten) befördert man jedoch den verfall der mundart, eben weil die sprecher sich nicht mehr trauen, sie zu gebrauchen, um nicht als blöde dazustehen ...
Toleranz ist vor allem die Erkenntnis, dass es keinen Sinn hat, sich aufzuregen. (Helmut Qualtinger)