schwarke (halbstarke) Verben

Begonnen von VerbOrg, 2006-01-31, 19:31:07

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VerbOrg

Sie begegnen uns ständig. Aber hat man sich (außerhalb der Roten Liste) schon mal Gedanken darüber gemacht?

Die Rede ist von Verben, die zwar schwach sind, aber im Partizip auch eine starke Form aufweisen.

"Ich habe mein Frühstücksei gesalzt und mir ein Brötchen mit gesalzener Butter geschmiert."

"Neulich hat der Blitz da drüben einen Baum gespaltet. Ob man den jetzt abholzen soll oder nicht, darüber ist man gespaltener Meinung."

Ich habe jetzt absichtlich die starke Form nur da benutzt, wo das Partizip als Adjektiv gebraucht wird, weil ich mir keine andere Unterscheidung wusste.

Handelt es sich bei diesen Verben um ursprünglich vollstarke Verben oder gab es eventuell tatsächlich mal die Unterscheidung danach, ob das Mittelwort verbal oder adjektivisch benutzt wurde, und die Unterscheidung hat sich mittlerweile in Luft aufgelöst?

Fleischers Karsten

Genau diese beiden Verben wurden u.a. in diesem Zwiebelfisch erwåhnen: http://www.spiegel.de/kultur/zwiebelfisch/0,1518,340966,00.html

Spalten war wohl ursprülng stark, hat dann aber auch leider Schwäche geziegen, während salzen schwach war und eine Stark erfuhr.
Karsten

Kilian

Zitat von: VerbOrg in 2006-01-31, 19:31:07Handelt es sich bei diesen Verben um ursprünglich vollstarke Verben oder gab es eventuell tatsächlich mal die Unterscheidung danach, ob das Mittelwort verbal oder adjektivisch benutzt wurde, und die Unterscheidung hat sich mittlerweile in Luft aufgelöst?

Ersteres – wenn man sich die Rote Liste und Einträge im Grimm wie diesen so ansieht.

ZitatIch habe jetzt absichtlich die starke Form nur da benutzt, wo das Partizip als Adjektiv gebraucht wird, weil ich mir keine andere Unterscheidung wusste.

Unterscheidung wozwischen? gesalzt und gespaltet kommen standardsprachlich weder als Adjektiv noch als Partizip vor...

In manchen Gegenden ist auch geschalten so ein Fall.

Fleischers Karsten

Ah ja, salzen war also doch stark. Hat aber anscheinend schon recht früh geschwilchen, das arme Verbchen.
Karsten

VerbOrg

Dass Holz gespaltet wurde, hab' ich schon oft gehört, lieber Kilian.
Standardsprachlich wird hin und wieder auch mal ein Ei gesalzt. Das sind beides so typische Verben, bei denen es zwei Partizip-II-Formen gibt. Und die werden auch durchaus beide benutzt.
Allerdings muss ich zugeben, dass ich die schwachen Formen adjektivisch noch nicht zu Ohren bekam.

Vollstark war salzen anscheinend doch nicht. Zumindest fand ich keine standardsprachlichen starken Präteritumsformen. Oder die in der Roten Liste bemühten Dialekte sind als einzige Retter des kleinen Verbleins übrig geblieben.

Kilian

Oft existar ja auch lange Schwaches und Starkes nebenher, und Verben wurden gestorken, die genau so schon einmal stark gewesen waren. Das könnte sogar auf einiges aus unserer Großen Liste zutreffen, wenngleich die statistische Kurve des Vorher-gewiss-noch-nie-da-Gewesenen dort derzeit nach oben weist. ;D

amarillo

Hatten wir das nicht schon mal?

Außerdem: mit stolz geschwellter (adj.) Brust...
Aber: mein Daumen ist geschwollen.

Das mit Adjektiv (stark) und einfache Verbform (schwach) kann so nicht ganz stimmen.

Ich finde nur den Faden nicht, muß ein älteres Modell sein.
Das Leben strebt mit Urgewalt nach Entstehung und Musik.

VerbOrg

Ich meinte jetzt nicht die Unterscheidung zwischen transitiven und intransitiven Verben mit gleichem Infinitiv wie hängen, schwellen, (er-)schrecken, quellen
(Die Qualle quoll im Nass empor,
in dem ich Bohnen quellt' zuvor)

Kilian

Zitat von: VerbOrg in 2006-01-31, 19:55:48
Dass Holz gespaltet wurde, hab' ich schon oft gehört, lieber Kilian.
Standardsprachlich wird hin und wieder auch mal ein Ei gesalzt. Das sind beides so typische Verben, bei denen es zwei Partizip-II-Formen gibt. Und die werden auch durchaus beide benutzt.

Habe ich nie bezwulfen. Wo die Standardsprache aufhört und anderes anfängt, ist natürlich Ansichtssache.

ZitatVollstark war salzen anscheinend doch nicht. Zumindest fand ich keine standardsprachlichen starken Präteritumsformen. Oder die in der Roten Liste bemühten Dialekte sind als einzige Retter des kleinen Verbleins übrig geblieben.

Jedenfalls erwähnt Grimm sielz bei Hans Sachs, 1560.

VerbOrg

Oh, da hatte ich wohl gesalzte Tomaten auf den Augen...

Kilian

Uh, hoffentlich wenigstens mit der gesalzenen Seite nach vorne... ;)

Zitat von: amarillo in 2006-01-31, 19:58:26Hatten wir das nicht schon mal?

Außerdem: mit stolz geschwellter (adj.) Brust...
Aber: mein Daumen ist geschwollen.

Das mit Adjektiv (stark) und einfache Verbform (schwach) kann so nicht ganz stimmen.

Ich finde nur den Faden nicht, muß ein älteres Modell sein.

Ecce filum!

VerbOrg

Mir viel gerade bei der Durchsooch der Starquerbliste (der echten, meine ich) ein weiteres schwarkes Verb auf:

mahlen - mahlte - gemahlen.

Der Grimm verzinch die - auch in der Roten Liste vertretene - alte Präteritumsform "muhl" zumindest noch im 17. Jh.

Interessant, dass das Präteritum geschwochen wird und das Partizip unangetasten bleibt. Spiegelt sich da der Hang zu zusammengesotzenen Zeitformen? Oder ist's auch der Bedut der Verben geschorlden?

"Der Müller muhl Korn." als allgemeine Aussage ist wohl weniger verbritten als
"Der Müller hat das Korn gemahlen (jetzt ist's Mehl)." als Ergebnis.

VerbOrg

Halt!

Ich fand söben auch das andere Fenomän:
das intransitive stecken

stecken - stak - stäke - gesteckt

Die Präsensform stickt und das Partizip gestocken sind wohl schon seeehr lange ausgestorben.

Gut, dass die Rote Liste auch dies schon konservoren hat.

Trotzdem bleibt die Frage, warum die parziellen Rückbölde immer so parziell sind.

Ähnliche interessante Bölde - wenn auch weiterhin stark - gab's ja bei den Konjunktiven von z.B. spinnen, die man nicht nur aus dem Präteritum spänne sondern auch aus dem Partizip II spönne ableiten kann...

Agricola

Zitat von: VerbOrg in 2007-05-06, 11:31:29
Die Präsensform stickt und das Partizip gestocken sind wohl schon seeehr lange ausgestorben.
Was heißt "seeehr lange"? Ich hätte jetzt aufgrund der Anzahl der e-s auf mindestens 500 Jahre geschalten, aber die Form "stickt" verwendet Goethe jedenfalls noch regelmäßig. Sowohl "stickt" als auch "gestocken" scheinen im übrigen umgangssprachlich auch noch gelegentlich (Dialekt?) vorzukommen, wenn ich einige google-Funde recht interpretiere.
The future lies in front of me,
but "lies" is all that I can see.