-ös

Begonnen von Agricola, 2008-01-25, 10:51:18

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Agricola

Eben bei "komatös" frug ich mich, was denn eiltng diese Endung "-ös" bedeute. Was ist zum Beispiel der Unterschied zwischen "tendenziell" und "tendenziös", "medikamentell" und "medikamentös", "zeremoniell" und "zeremoniös", "seriell" und "seriös", "generell" und "generös"?

Nach Fund einer geeigneten Definition für die Endung könnte sich diese Endung auch als hochlistös erweisen.
The future lies in front of me,
but "lies" is all that I can see.

amarillo

Zumindest bei einigen Beispielen wage ich zu behaupten, daß der Sprecher die ös-Endung scherzhaft despektierlich verwendet: tendenziell - tendenziös, offiziell - offiziös... (sieht nur so aus, als ob)

Parallel - parallös, vielleicht treffen sich Geraden, die letzteres Attribut tragen dann doch irgendwann deutlich vor unendlich?
Das Leben strebt mit Urgewalt nach Entstehung und Musik.

katakura

... hmm, eine hochinteressöse fragestellung: wann -ös, wann -iell? ...

... ich steuere schonmal das seriöse paradontös vs. paradontiell* bei


* das es nicht gibt, wenn ich nicht irre
Toleranz ist vor allem die Erkenntnis, dass es keinen Sinn hat, sich aufzuregen. (Helmut Qualtinger)

Agricola

Vielleicht eher parodontell? Bisher hatten wir die Entsprechungen -ös/-ell und -iös/iell.

Wie wär's außerdem mit dem Unterschied zwischen böse und belle? Z.B. in der Hundesprache: "Ich nicht böse. Ich nur belle." Der Spruch geht auf den Hund Ferdinands von Preußen, des jüngeren Bruders Friedrichs des Großen, zurück. Der Hund erreichte damals, dass das Herrchen sein Schloss Bösevue zu Bellevue umbenannte.
The future lies in front of me,
but "lies" is all that I can see.

Gene The Wreck

Hallo und Guten Abend.

"Nehme es mir keiner krumm,
dass ich so denk in Wörtern rum..."

Nun, bei 'tendenziell' und 'tendenziös' dürfte die Lage wohl klar sein:

"Tendenziell": Einem Trend, einer bereits vorhandenen Neigung folgend;
der Erwartung auf Grund von Erfahrung entsprechend etc.

"Tendenziös": z.B. bei  einem Bericht, einer Wertung, einer Wichtung, einer
Beurteilung: gefärbt, getönt, subjektiv, dem persönlichen Vorteil geneigt sein etc.

Ich fürchte aber, dass diese Antwort nicht bedeutsam ist, denn der Frager meinte
wohl etwas anderes, oder?

Eine wirklich interessante Frage: Haben alle ösigen bzw. alle elligen Wörter dieser
Klasse ein gemeinsames Merkmal?

Allgemein scheint mir der Endungswechsel mit einem bedeutenden
Bedeutungsunterschied verbunden zu sein.   

Was charakterisiert dessen Wesen?

Kilian

#5
Zitat von: Gene The Wreck in 2008-01-27, 22:19:13Eine wirklich interessante Frage: Haben alle ösigen bzw. alle elligen Wörter dieser
Klasse ein gemeinsames Merkmal?

Ich behaupte: Ja, und tendenziös eignet sich gut als Beispiel.

Zumindest bei generös und seriös ist -ös ja einfach ein eingedutschenes -osus. Da memüsse man die Römer fragen, was sie mit -osus mienen. Mir schwant, dass die damit -haftig, -lastig, -haltig, -voll meinten. Ein generosus ist voll von genus, ein seriosus serius-haft. Genau so wird's MUSEN auch bei der Wortbildung mit -ös im Deutschen handgehabt: Ein tendenziöser Artikel enthält (eine bestimmte Art von) Tendenzen. Wo diese Bedeutung nicht vorhanden ist, klingt -ös für mich scherzhaft oder falsch, außer bei z.B. medikamentös, was einfach etabloren ist.

zeremoniös könnte im Sinne der produktiven Wortbildung "von Zeremonien geprägt" bedeuten und etwa auf ein mehrtägiges Konzil angewandt werden. Synonym zu zeremoniell (im Rahmen einer Zeremonie, nach Art einer Zeremonie) gebraucht ("die zeremoniöse Überführung des Dekans in den Ruhestand") würde ich es hingegen rot anstreichen.

Zitat"Tendenziell": Einem Trend, einer bereits vorhandenen Neigung folgend;
der Erwartung auf Grund von Erfahrung entsprechend etc.

Mir ist tendenziell nur in der Bedeutung der Tendenz nach geläufig, also als einschränkendes Adverb: "Es ist nicht unbedingt so, aber es geht in die Richtung."

Herzlich willkommen in diesem Forum, altes Wrack! :D

Agricola

#6
Zitat von: Kilian in 2008-01-27, 23:19:55
Zumindest bei generös und seriös ist -ös ja einfach ein eingedutschenes -osus. Da memüsse man die Römer fragen, was sie mit -osus mienen. Mir schwant, dass die damit -haftig, -lastig, -haltig, -voll meinten. Ein generosus ist voll von genus, ein seriosus serius-haft. Genau so wird's MUSEN auch bei der Wortbildung mit -ös im Deutschen handgehabt: Ein tendenziöser Artikel enthält (eine bestimmte Art von) Tendenzen. Wo diese Bedeutung nicht vorhanden ist, klingt -ös für mich scherzhaft oder falsch, außer bei z.B. medikamentös, was einfach etabloren ist.

Das scheint in etwa den Erkenntnissen der indogermanischen Sprachwissenschaftler zu entsprechen. Der gute alte Heinichen (Lateinisch-Deutsches Schulwörterbuch) meldet §158 Absatz 4:

  -ōso-s ist über *-ōnsos aus *-o-vent-tos [...] entstanden, durch -tos erweitert aus dem alten Suffixe -vent- (homer. ἀνθεμο-(ϝ)εντ- 'blumenreich', altind. rūpa-vant- 'mit Schönheit, Gestalt versehen'). An o-Stämmen erwachsen (dolōsus aus *dolo-vent-tos = homer. δολο-(ϝ)εντ-) wurde -ōsus als geschlossenes Suffix dann auch auf andere Stämme übertragen: copi-ōsus von copia, gener-ōsus von genus, pisc-ōsus von piscis, sumptu-ōsus von sumptu-s; ambiti-ōsus, religiōsus (für *ambitiōn-ōsus, *religiōn-ōsus) sind Analogiebildungen nach offici-ōsus, exiti-ōsus; curiōsus (für *curōsus) nach copi-ōsus, grati-ōsus. In ebri-ōsus (ebrius), bellic-ōsus (bellicus), tenebric-ōsus (tenebricus) ist durch -ōsus die Grundbedeutung des Adjektivs verstärkt.
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Ku

Das scheint mir alles sehr ominell zu sein.