Seiner Königlichen Hoheit gewidmet

Begonnen von MrMagoo, 2005-10-13, 23:25:55

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MrMagoo

Dieser Beitrag hat zwar nichts mit Verbstärkung zu tun, doch ich dachte, für solch einen von Staub nur so zugedeckter Text in einem Deutsch daß man heutzutage nicht mal mehr zu kennen wagt, muß auch Platz sein, also schreib ich ihn mal nieder.

Als ich nämlich letzte Woche in Berlin war, fand ich auf einem Flohmarkt das sehr interessante, alte Buch "Die Geschichte des deutschen Volkes" von Dr. David Müller in der 20. Auflage von 1909. (Erstauflage 1864).

Das Buch enthält eine Widmung vom Verfasser an den Erzherzog Friedrich von Baden zu seiner Abiturientenprüfung am 5. Juli 1875 und um eben diese geht es mir.

Viel Spaß beim Lesen wünscht
-MrMagoo


Eure Königliche Hoheit
wollen mir gestatten, an diesem Tage, der ein Tag der Ehre für Sie, wie für Ihre fürstlichen Eltern ist, Ihnen das Buch dauernd zu dedizieren, das eben in seiner sechsten Auflage erscheint, und dessen ich mich für den Unterricht in der deutschen Geschichte für Eure Kgl. Hoheit als Leitfaden habe bedienen dürfen. Zum ersten Male in unserem nationalen Leben hat ein zu künftiger Regierung bestimmter Fürst sich der ganzen Ausbildung unseres deutschen Gymnasiums unterzogen und verläßt es nun mit dem Zeugnisse der Reife. Er hat damit dem Willen Seines erhabenen Vaters folgend, das Vorbild gegeben, daß für das Beste, das überhaupt im Unterrichte erstrebt werden kann, nämlich gründliches Wissen gepaart mit sittlichem Geiste und religiösem Ernste, auch für die Höchstgestellten im Leben keine passendere Grundlage vorhanden sei, als sie in unserem deutschen Gymnasium bereits seit Menschenaltern gegeben ist. Für den Lehrer der Geschichte aber bei Eurer Kgl. Hoheit lag hierin der Wink, Eurer Kgl. Hoheit auch zunächst das mitzuteilen, was sein Buch der gesamten deutschen Jugend darzureichen sich bemüht, nämlich die objektiven Tatsachen in patriotischer Darstellung, ohne sie durch Verhüllungen oder Schmeicheleien zu modifizieren. Er sah sich in diesem Streben begünstigt durch die edlen Vorbilder, wie sie Eurer Kgl. Hoheit Ahnen in ältester und neuester Zeit gegeben und wie es namentlich Eurer Kgl. Hoheit erhabener Vater in schöner Treue gegen das Reich wie in Liebe und Arbeit für die eigenen Untertanen Ihnen darstellt. Auf diese Eure Kgl. Hoheit zu verweisen, das hat ihm oft seine Arbeit erleichtert und sie im besten Sinne zu einer lohnenden gemacht. Und wenn nun in wenigen Tagen der Zeitpunkt naht, wo mit Eurer Kgl. Hoheit eintretender Majorennität Höchstdieselben die Pflichten des Schülers mit denen des Mannes vertauschen, so darf er freudig die Hoffnungen eines ganzen Volkes teilen, daß Eure Kgl. Hoheit solcher Vorbilder würdig sein werden und daß die edlen Gesinnungen gewissenhafter Pflichterfüllung, die Eure Kgl. Hoheit stets in der Schule gezeigt, auch Eure Kgl. Hoheit ins Leben begleiten mögen.

Eurer Kgl. Hoheit untertänigster
Dr. David Müller
Wâ mag ich mich nu vinden? wâ mac ich mich nu suochen, wâ? nu bin ich hie und bin ouch dâ und enbin doch weder dâ noch hie. wer wart ouch sus verirret ie? wer wart ie sus zerteilet mê?
(Gottfried von Straßburg)

Ku

Ich besitze eine Ausgabe des ,,Galanthomme" aus dem 19. Jhdt. Die Einleitung ist lesenswert:

Der Knabe wird Jüngling, das Mädchen blühet zur Jungfrau auf. Beide sind ihrer bisherigen Sphäre entrückt. Die Adern des Jünglings strotzen von unverdorbener Jugendkraft; seine Stimme tönt stärker und voller, die Sprache der Jungfrau wird inniger, gefühlreicher; das Auge des Jünglings glühet von Muth und Entschlossenheit; das Auge der Jungfrau senkt sich nieder, ihre Wange wird vom köstlichsten Roth, das es auf Erden giebt, umspielt. Im Jünglinge und in der Jungfrau erreicht die höhere Sinnlichkeit ihre feinste Blüthe; die Einbildungskraft ist im steten Reihentanze mit den lieblichsten Lebensbildern; die Empfindungen und Gefühle erhalten bis dahin noch nicht geahnete Innigkeit und Wärme; Neigungen, Begierden und Leidenschaften lehnen sich oft gegen die Oberherrlichkeit der Vernunft auf; die sympathetischen Gefühle suchen auf allen Seiten Nahrung , und in der Brust des Jünglings erwachen diejenigen Gemüthsbewegungen, welche die künftige Manneskraft ahnen lassen, Selbstvertrauen, Freimuth, Edelsinn, Freundschaft und eine herrschende Vorliebe für Alles, was von Charakteradel zeugt. Sie stehen in der schönsten, aber auch zartesten, am leichtesten zerstörbaren Blüthe, die auf dem Baume des Lebens blühet. Sie stehen am Scheidewege des Herkules; an der Pforte zur Tugend und zum Glücke, oder zum Laster und unausbleiblichen Unglücke; denn wie leicht wird das empfängliche Gemüth des Jünglings, wie leicht das weiche Herz des gefühlvollen Mädchens von Verführern, die sie durch teuflische List und Ränke wie Polypen umklammert halten, in die oft unauflöslichen Bande des Lasters verstrickt? Jüngling und Jungfrau suchen Gesellschaft, suchen ein Herz, dem sie ihre neuerwachten Gefühle, ihre Ansichten, ihre Ahnungen mittheilen können; sorglos und ohne Arg schließen sie ihr Herz auf, zeigen ihre weichsten, empfänglichsten Seiten und geben nicht selten selbst dem Verführer den Schlüssel zu ihrem zeitlichen und ewigen Verderben. Darum wache Jeder frühzeitig über seine Gefühle, sorge, dass sie unter der Herrschaft der Vernunft bleiben, und verschaffe sich vor allen Dingen Menschenkenntniß und Weltklugheit, so wie eine möglichst genaue Kenntniß von den Charakteren seiner Umgebung, damit er nicht einen Fehlgriff in der Wahl seiner Freunde und seiner Vergnügungen begehe; denn Höflichkeit und Anstand öffnen uns zwar die Thür des Hauses, aber Menschenkenntniß giebt uns den Schlüssel zum Herzen der Bewohner, und es ist der einzig richtige Compaß, der uns vor den Sandbänken und Strudeln, auf denen in dem Meere des Lebens so häufig unsere Ruhe und unser Glück strandet, retten kann.

Wie war das denn bei euch so? Sind bei den Jünglingen unter euch Gemüthsbewegungen, welche die künftige Manneskraft ahnen ließen, in eurer Brust erwacht? Oder war das ganz woanders? Ist VerbOrgs Sprache inniger und gefühlreicher geworden? Hat sich ihr Auge niedergesenkt, wurde ihre Wange vom köstlichsten Roth, das es auf der Erde giebt, umspielt?

Erzählt es dem lieben Onkel Ku.      

VerbOrg

Ach Ku, das ist alles schon so lange her, daran kann ich mich gar nicht mehr erinnern.

Und wie köstlich das meine Wangen bisweilen beim Anblick eines mir ebenso zugethanen Jünglings umspielende Roth war - ich kann's nicht beurteilen, ich hatte keinen Spiegel dabei und abgebissen hab' ich von der Kolst auch nicht.

Was meine Sprache angeht - die wurde bisweilen nicht inniger, sondern mir gänzlich geraubt. Ich bin doch so schorchten  :-[

Zufrieden?

caru

das erinnert mich an den landpfarrer, der an den lokalen gutsherrn schrieb:

"Dero fürstlichen Gnaden allerdurchlauchtigste Wildsauen haben geruht, meinen alleruntertänigsten Kartoffelacker zu verwüsten."
(\___/)
(>´x´<)
('.')__('.')

Nijntje - de echte nederlandse konijn

VerbOrg

Das müssen aber wüste Schläfer sein, wenn sie ruhend einen ganzen Acker verwüsten konnten. :D

caru

wildschweine sind meiner erfahrung nach zu allem fähig  :D
(\___/)
(>´x´<)
('.')__('.')

Nijntje - de echte nederlandse konijn

Ly

Zitat von: Ku in 2005-10-18, 18:56:42

Wie war das denn bei euch so? Sind bei den Jünglingen unter euch Gemüthsbewegungen, welche die künftige Manneskraft ahnen ließen, in eurer Brust erwacht? Oder war das ganz woanders?

Meine künftige Manneskraft erwachte in der Tat nicht in der Brust. ;D
It isn't always how you look. Look at me. I'm handsome like anything, and I haven't got anybody to marry me yet.