M oder N?

Begonnen von Roberto Lorenz, Dresden, 2007-11-13, 18:43:29

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Roberto Lorenz, Dresden

Seit Ewigkeiten bereitet mir folgende Frage Kopfzerbrechen:

Können Kommata aufeinanderfolgende Dativ-Endungen in Akkusativ-Endungen verwandeln?

Beispiel:
"Nach freiem, fröhlichem und pünktlichem Anfang ... "

Nach meinem Dafürhalten sind die M-Endungen der drei Adjektive korrekt .

Oder heißt es etwa:

"Nach freiem, fröhlichen und pünktlichen Anfang ... "

Ein Kollege rät mir immer wieder, in solchen Fällen alle Adjektive, die dem ersten folgen, mit N enden zu lassen.

???

Enden bei Präpositionen wie "nach" nicht sämtliche Attributangabgen dativ-gerecht mit M?


VerbOrg

#1
Ich betone mal wieder, dass ich KEINE Linguste bin, mich also vom Bauchgefühl leiten lasse.
Und das ist bei der zweiten Version Deines Satzes nicht gerade gut.

Sieh es mal so:

Die Wortgruppe lässt sich auseinanderpflücken in

nach freiem Anfang
nach fröhlichem Anfang
nach pünktlichem Anfang


Aufgrund der Präposition nach müssen auch die Adjektive im Dativ stehen. Dies wird nicht dadurch aufgehoben, dass eine Aufzählung von Adjektiven in Deinem Satz steht. Und da muss nach meinem Sprachverständnis für alle Glieder der Aufzählung dasselbe gelten.

Dein Kollege dachte vielleicht daran, dass bei der Formulierung

nach dem fröhlichen Anfang

dem Artikel tatsächlich kein Dativ-m folgt, da hier der attributive Dativ doppelt gemoppelt wäre, schriebe man nach dem fröhlichem Anfang. Hier gingen wohl meine Eingeweide vollends in die Luft, so falsch klingt das.

Aber vorherige Adjektive kann man nicht mit Artikeln gleichsetzen.

Vielleicht kann ein berufener Tipper genauere Erklärungen leisten...

amarillo

Zitat von: VerbOrg in 2007-11-13, 19:08:01
Ich betone mal wieder, dass ich KEINE Linguste bin, mich also vom Bauchgefühl leiten lasse.
Und das ist bei der zweiten Version Deines Satzes nicht gerade gut.

Sind wir nicht alle - vom Chef mal abgesehen - eigentlich ganz kleine Linguini?
Das Leben strebt mit Urgewalt nach Entstehung und Musik.

Kilian

#3
Die Dativendung -m (für Dativ Singular Maskulinum und Neutrum der Adjektive in der starken Deklination) hat die Besonderheit, dass Adjektive sie nur erhalten, wenn davor kein anderes Adjektiv oder ein deklinierter Determinator (also Artikel, Demonstrativpronomen, Possessivpronomen usw.) steht.

(1) starkem Tee
(2) heißem starken Tee
(3) ihrem heißen starken Tee                  dem heißen starken Tee
(4) diesem ihrem heißen starken Tee


Interessanterweise gilt die m-Beschränkung nur für Adjektive, nicht für Determinatoren, daher m&m im letzten Beispiel.

Zurück zu Robertos Beispiel in den zwei Versionen. MUSEN (meinem unmaßgeblichen Sprachempfinden nach) lassen sie sich wie folgt paraphrasieren:

(5a) Nach freiem, fröhlichem und pünktlichem Anfang... = (5b) nach einem freien Anfang, nach einem fröhlichen Anfang und nach einem pünktlichen Anfang
(6a) Nach freiem, fröhlichen und pünktlichen Anfang... = (6b) nach einem freien, fröhlichen und pünktlichen Anfang


(5) ist so auseinandergepflückt, wie die VerbOrg das vorgemacht hat. Dabei wird deutlich, dass von drei verschiedenen Anfängen die Rede ist. Und das ist wohl nicht gemeint, also plädiere ich für (6). Gegenüber (6b) wurde bei (6a) einfach der Artikel ausgelassen und seine starke Dativendung auf das erste Adjektiv übertragen. Kommt mir so vor, als wäre die diese Übertragung ein typisches Merkaml launiger, zwanglos und doch erlesen wirken wollender Sprache. :)

VerbOrg

Du bist also für die Aufdröselung:

nach freiem fröhlichen Anfang
nach freiem pünktlichen Anfang.

Gar nicht so unklug, das so zu sehen, dass frei nicht Teil der Aufzählung ist.
Das und zwischen fröhlichen und pünklichen ließ mich diese Möglichkeit übersehen und alle drei Adjektive in eine Soße rühren.

Es hängt also ganz und völlig davon ab, was uns der Schreiber genau mitteilen will...

Kilian

Nein, ich meine es so, dass in (6) alle drei Adjektive zu ein und derselben Aufzählung gehören.

Grinsekater

Ich Linguini hätte hiermit gerne dafür plädoren, die Frage zur Scheffsache erklur zu haben. Denn Kilianens Annaliese habe ich nichts als die Ergonz hinzuzufügen, daß, da mit dem Beispielsatz vermutl ein einziger Anfang gemienen sein soll, die ent-m-te Fassung die angebrachte mir zu sein scheint.

VerbOrg

Irgendwie kann man's wohl halten wie ein Dachdecker, nur nicht so hoch.
Da für mich freiem kein Determinator für die anderen Adjektive ist, bin ich dafür, das m in allen Gliedern der Aufzählung beizubehalten. Fragt mich nicht wieso, aber isso...
Wenn man allerdings die Freiheit als übergeorndene Eigenschaft ansieht, dann bin auch ich für die Ent-m-ung.

VerbOrg

Zitat von: Grinsekater in 2007-11-13, 22:20:13
Ich Linguini hätte hiermit gerne dafür plädoren, die Frage zur Scheffsache erklur zu haben.
Auch ich hatte gehoffen, scheffseits Aufklur zu erlangen, allerdinx denke ich schon, dass dies hier ein Forum ist, in dem jeder seine Meinung senfen kann und darf. Sonst könnten sich alle, die nicht gerade eine Frage loswerden wollen, gleich von hier verabschieden, was ich äußerst schade fände.
Irgendwie vermisse ich die alten lautstarken Diskussionen über alles, was sprachlich zweifelhaft ist, hin und wieder.

Stollentroll

Zitat von: VerbOrg in 2007-11-13, 22:59:46
Irgendwie vermisse ich die alten lautstarken Diskussionen über alles, was sprachlich zweifelhaft ist, hin und wieder.

Wahrscheinlich sind alle Fragen geklärt   ::)
3 Dinge sagen immer die Wahrheit : Kinder, Besoffene und Leggings.

Agricola

Das mit den ms ist eine Frage, mit der ich beim Schreiben auch schon immer gerungen habe, und oft stellt mich die zuletzt von mir gewählte Form auch nicht recht zufrieden. Ich glaube, tendenziell benutzt man heute eher mehr ms als früher, und meinem persönlichen Sprachempfinden liegt diese neuere Form auch näher. Mir klingt die Form 6a also etwas konservativ, und ich persönlich würde wahrscheinlich entweder 6b oder 5a verwenden (und im letzteren Fall nicht an drei verschiedene Anfänge denken). Im mündlichen Sprachgebrauch könnte mir trotzdem die Form 6a leicht unterlaufen.
The future lies in front of me,
but "lies" is all that I can see.

amarillo

MUSEN gehören bei Aufzählungen alle 'm's beibehalten. Kannichnich begrünen.

ein Hoch freiem, ungehindertem, fröhlichem Dativ-Gebrauch

[ein Hoch dem freien, ungehinderten, fröhlichen Dativ-Gebrauch]

Als freiem, aufrechten Bürger verlieh man ihm... (klingt plötzlich auch richtig)

Himmel noch mal, jetzt bin ich ganz unversorchen, Ihr macht einen aber auch meschugge...
Das Leben strebt mit Urgewalt nach Entstehung und Musik.

Grinsekater

Zitat von: VerbOrg in 2007-11-13, 22:59:46
Zitat von: Grinsekater in 2007-11-13, 22:20:13
Ich Linguini hätte hiermit gerne dafür plädoren, die Frage zur Scheffsache erklur zu haben.
Auch ich hatte gehoffen, scheffseits Aufklur zu erlangen, allerdinx denke ich schon, dass dies hier ein Forum ist, in dem jeder seine Meinung senfen kann und darf.
Na unbedingt! Ich hatte nur möglichst umständlich mein Einverständnis mit Kilians Aus- und Zerlegung verkünden wollen. Tut mir leid, wenn das jemand ins falsche Ohr gekregen hat.

Berthold

#13
Entsteht nicht ein Teil des Problems daraus, daß es doch von schlechtem, plumpem, ja erbärmlichem Thoytsch zeugt, ein Hauptwort gleich mit drei Eigenschaftswörtern zu tracquetieren?
Kekünne mich auch nicht entsinnen, daß Homer je von der 'eulen-, katzen- und rehäugigen Göttin Athene' guschrimp (gisnung) hätte.

Agricola

Wäre mir neu, dass Homer vorbildliches Thoytsch geschrieben hätte. Warum soll nicht gelegentlich eine Reihung von Adjektiven guter Stil sein? Wozu, wenn es denn gelänge, der Römer süge: QBFFFQS (quod bonum, faustum, felix, fortunatumque sit!)

Ergo bonae, faustae, felici, fortunataeque rei studeamus!
(Gutem, glücklichem/n, erfolgreichem/n und gesegnetem/n Dinge lasst uns also nacheifern!)
The future lies in front of me,
but "lies" is all that I can see.