unverzichtbar

Begonnen von VerbOrg, 2005-04-20, 21:16:06

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VerbOrg

Las gerade im Abendblatt:
Zitat"Jeder Unternehmer ist unverzichtbar auf leistungsfähige und motivierte Mitarbeiter angewiesen."
(Thomas Straubhaar, Chef das Hamburgischen Welt-Wirtschafts-Instituts)

Ich frug mich, was da genau unverzichtbar ist.

Kann mich mal jemand aufklären?

Ku

Jeder Unternehmer kann nicht auf .... verzichten.

caru

"j. u. ist in solcher weise auf l. u. m. m. angewiesen, daß er nicht auf sie verzichten kann."

etwas weit gefaßter gebrauch des adverbs, kommt aber, glaube ich, in mode - gerade beim wirtschaftlich und politisch phrasen dreschen.
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Nijntje - de echte nederlandse konijn

VerbOrg

ZitatJeder Unternehmer kann nicht auf .... verzichten.
Hätte ich auch so formuloren.
Aber "ist unverzichtbar angewiesen" kommt mir merkwürdig vor.
Ich kann mich sowieso nicht für diese ganzen "-bar"s erwärmen.
Aber vielleicht sind sie ja gewöhnbar ;)

caru

"jeder unternehmer kann nicht auf... verzichten" bedeutet für mich:

"nicht jeder unternehmer kann sichs leisten, auf ... zu verzichten, aber manche eben schon."


eine bessere formulierung mit -bar: "für jeden u. sind ... unverzichtbar."

ohne -bar: "kein unternehmer kann auf ... verzichten."

(letzte variante ist überhaupt das beste deutsch von alledem.)
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Nijntje - de echte nederlandse konijn

Ku

natürlich zugestommen

VerbOrg

Wie recht du hast, Caru!!!

Aber unverzichtbar klingt wahrscheinlich in den Ohren mancher Leute in Wirtschaft und Politik (ge-)wichtiger als einfaches und klares Deutsch.

Schließlich kann man sich hinter gedrechselten Formulierungen besser verstecken, da haben viele Leute soviseau keine große Lust, auseinanderzupfriemeln, worum es wirklich geht.

amarillo

Ich stimme dir vollkommen zu, allerdings weiß ich aus persönlicher Anschauung (Anhörung), daß die Herren Spitzenmanager (zumeist jene, die sich dafür halten) die Vermeidung von Negation trainieren. Man will ja in jedem Fall positiv klingen, da kommen dann schon mal solche Schlappsätze dabei heraus.

Ein wirklicher Spitzenmanager hat diesen Unfug nicht nötig, aber unter den Knallchargen blüht der Unsinn.
Das Leben strebt mit Urgewalt nach Entstehung und Musik.

Kilian

Gegen das Adjektiv unverzichtbar könnte man bereits einwenden, dass man nicht etwas, sonder auf etwas verzichtet, so wie man auch nicht etwas, sondern sich an etwas erinnert und es somit auch befremdlich anmöte, zu sagen, etwas sei erinnerbar. Aber ich wende das nicht ein, denn das -bar auch in Bezug auf ein Präpositionalobjekt zu gebrauchen, scheint mir ganz in Ordnung, zumal verzichten intransitiv ist und keine Verwechslungsgefahr besteht.

Der adverbiale Gebrauch in Straubhaars Erguss ist allerdings Quatsch - es sei denn, er wollte sagen, die Chefs gestielten ihr Angewiesensein in unverzichtbarer Manier (Adverb aufs Prädikat bezogen, dann fragt sich: Wer ist darauf angewiesen, dass die Unternehmer auf l.u.m.M. angewiesen sind? Vielleicht die l.u.m. Arbeit Suchenden, das mieche sogar Sinn) oder die Tatsache, dass die Unternehmer angewiesen sind, sei unverzichtbar (Adverb auf den ganzen Satz bezogen, inhaltlich lässt es sich ähnlich füllen).

VerbOrg

Du verblüffst mich immer wieder.

Aber wie wär's damit? Auch gerade aus der Zeitung gekloben:
ZitatDer Umwelt-Ausschuß Hamburg-Nord hatte zum Gespräch über die Erweiterungsmaßnahmen der nördlichen Güterumgehungsbahn geladen.
Die Güterumgehungsbahn will also Maßnahmen ergreifen?

Ich tippe ja eher auf Maßnahmen zur Erweiterung der nördlichen Güterumgehungsbahn.

Kilian

Stimmt, Maßnahmen steht m.E. eigentlich nur mit Genitivus subiectivus, nicht obiectivus. Wahrscheinlich war es hier wieder so wie beim elektrischen Straßenbahnschaffner, wo das Bestimmungswort gegen das Grundwort aufbegehrt und grammatisch ungerechtfertigten Einfluss auf die Umgebung ausübt: Erweiterung steht eher mit Genitivus obiectivus als subiectivus.

caru

das ist dann sowas wie der "gedörrte obsthändler" oder die "aufgelösten klosterjungfrauen". nur umständlicher.
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Nijntje - de echte nederlandse konijn

VerbOrg

Nächsten Monat werden wohl wieder die mailichen Bäume aufgestollen. Und im Sommer am Strand werden die Menschen kaum mehr als ihre schamhaften Teile mit Kleidung bedecken (vgl. Wolf Schneider: "Deutsch für Profis")

Kilian

In welchem Zusammenhang bringt Schneider denn diese Beispiele?

VerbOrg

Das geht insgesamt um die Kritik an überbordendem Adjektivismus (Folglich heißt das Kapitel auch "Nieder mit den Adjektiven!"), häufig durch Abtrennung eines Bestandteils eines zusammengesetzten Substantivs.
Da wird die Alpenflora zur alpinen Flora, die Einkommensschmälerung der Bauern zur bäuerlichen Einkommensschmälerung und - na ja - es geht auch um mangelhafte Übersetzungen aus Fremdsprachen, wobei dann die privy parts nicht zu Schamteilen sondern zu schamhaften Teilen werden.
Adjektivismus in seinen vielfältigsten Formen.
Kam ich bei gedörrten Obsthändlern nicht dran vorbei. (Auch Dörrobsthändler wird man z.B. in der englischen Zunge ebensowenig in einem Wort finden wie die angesprochenen Schamteile.)
Ein anderes tolles Beispiel sind auch die halbseidenen Strumpffabrikanten.