Sünthetische Konjugation der ursprulng reflexiven Verben

Begonnen von AmelieZapf, 2009-01-05, 10:04:24

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AmelieZapf

Hallo miteinander,

da Berthold ja schon das synthetische Passiv eingefohren hat, hier von mir ein Vorschlag für die reflexiven Verben, der in dieselbe Kerbe häut: wir führen das Infix -si- bzw. zu Zwecken der Vokalharmonie -se- (gewissermaßen ein verkormmenes sich) als Reflexivpartikel ein:

ich bewege mich --> ich bewesige
du ilkst dich --> du ilsixt (<-- ilsikst)
er wäscht sich --> er wäsischt
sie verspätet sich --> sie verspäzt (<-- verspäzet <-- verspätset)
es läppert sich --> es läppsert

wir trauen uns --> wir trausen

Und so fort, ich kann das jetzt aus Zeitmangel nicht weiter ausführen. Aber das Schema dürfte klar sein.

Liebe Grüße,

Amy

Religion heute:
Ex oriente deus,
ex machina lux.

Agricola

Sehr schön. Dabei geht mir auf: Ist "es wurmt mich" eigentlich nicht reflexiv? Wenn es wäre, müsste es ja wie "es läppert sich" "es wurmt sich" heißen. Und die Form "es wurmt ihn" dedürfe es gar nicht geben. Aber ein richtiges Akkusativobjekt ist "mich" ja auch nicht, oder?
The future lies in front of me,
but "lies" is all that I can see.

AmelieZapf

#2
Hallo Agricola,

Zitat von: Agricola in 2009-01-05, 12:42:33
Ist "es wurmt mich" eigentlich nicht reflexiv? [...] Aber ein richtiges Akkusativobjekt ist "mich" ja auch nicht, oder?

Nein, "es wurmt mich"/"mich wurmt" ist genauso wie "es ist mir kalt"/"mir ist kalt" oder "mir träumt" todsicher kein reflexives Verb, sondern meines Erachtens ein Beispiel für sogenannte "quirky subjects", die nicht im Nominativ stehen. Hier steht darüber mehr.

Das scheint eine Spezialität germanischer Sprachen zu sein. Im Isländischen soll es das tonnenweise geben und in altem Schwedisch und Norwegisch wohl auch. Im Englischen gibt's in erstarrten Formen wie "methinks" auch noch Relikte.

Fazit: REAKTIVIEREN!

Liebe Grüße,

Amy
Religion heute:
Ex oriente deus,
ex machina lux.

Übertreiber

#3
Ach Mist, Amelie ist mir zuvor gekommen. ;D

Aber ein echtes Subjekt ist "mir" MUSEN auch nicht, denn in "mir friert es" bin ich (also "mir") ja der Empfänger der Halnd, ebenso wie in "sie gibt es mir." Handelndes Subjekt ist das mysteriöse unpersönliche "es", das jedesmal auftritt, sobald es ums Wetter geht.
EDIT: Ebenso sagt der Text ja auch, dass "Mir ist kalt" eine Verkurz von "Es ist mir kalt" ist. Wieder bin ich nur der Empfangende. Wenn ich süge "Ich bin kalt", dann läge dass wohl daran, dass ich tot bin.

Zurück zum Thema: Von den Reflexivinfixen geht ein unbestreitlicher Reiz aus, aber vielleicht wäre es noch besser, wenn sie ebenso je nach Person unterschiesiden wie die Pronomen. Ich bewemige, du bewedigst, er bewesigt, sie bewesigt, ...,  wir bewensgen, ihr bewechgt, sie bewesigen?
Kampf dem Schicksal!

AmelieZapf

#4
Au, jetzt wird's rachgt komplizoren... Aber auch schön irgendwo.

Was "mir friert es" angeht, so süge ich aber eher "mich friert". Auch "es friert mich" wirkt seltsam inelegant. Wiewohl das ominöse Nominativ-"es" im Deutschen bei fast allen quirky cases einsetzbar ist, scheinen sich "mich friert" und "mir träumt" mit Klauen und Zähnen dagegen zu wehren.

Grüße,

Amy
Religion heute:
Ex oriente deus,
ex machina lux.

Übertreiber

Muss doch. :D

Aber wenn -si- und -se- verschliffene Sichs sind (was hinhaut, denn das französische Reflexivpronomen ist "se"), dann sind mi, me, di, de, ns und ch verschliffene Michs, Dichs, Unse und Euchs.
Kampf dem Schicksal!

Agricola

Zitat von: AmelieZapf in 2009-01-05, 14:06:00
Wiewohl das ominöse Nominativ-"es" im Deutschen bei fast allen quirky cases einsetzbar ist, scheinen sich "mich friert" und "mir träumt" mit Klauen und Zähnen dagegen zu wehren.
Also ich habe mit dem "es" bei den Ausdrücken keine Probleme:
Trömme es mir, es fröre mich,
mich wörme es eingeschlormmen zu sein.

Setze mal probeweise "träumt es mir" in google ein.
The future lies in front of me,
but "lies" is all that I can see.

Kilian

#7
Zitat von: Übertreiber in 2009-01-05, 14:04:30Handelndes Subjekt ist das mysteriöse unpersönliche "es", das jedesmal auftritt, sobald es ums Wetter geht.

Süge ich nicht so, denn das es (Expletivum) ist nicht da, um eine semantische Rolle (die des Handelnden) zu füllen, sondern eine syntaktische. Dabei geht es nicht allein darum, dass das Verb unbedingt ein syntaktisches Subjekt im Nominativ braucht - denn erstens braucht es nicht unbedingt eins (mich friert, mir schwindelt) und zweitens tritt das es manchmal auch zusätzlich zu einem anderen syntaktischen Nominativ-Subjekt auf: Es irrt der Mensch, solang er strebt - hier geht es darum, die erste Position im Aussagehauptsatz zu füllen (dat mutt). Andererseits stimme ich mit Agricola überein, dass auch dass fehlende syntaktische Subjekt im Nominativ ein Motiv für es-Einsatz sein kann (es friert mich, mich friert es). Manchmal ist sie aus irgendwelchen Gründen sogar zwingend, etwa bei es geht mir gut/mir geht es gut.

Der von Amy verlunkene Wikipädieartikel versäumt leider zu sagen, was er unter einem Subjekt versteht. Nehmen wir als Arbeitsdefinition "einziges obligatorisches Argument", sind wurmen und träumen im Gegensatz zu frieren keine Verben mit Quirky Subject. Denn beide Verben treten nie ohne syntaktisches Subjekt im Nominativ auf:

Es wurmt mich. (Es ist ein Personalpronomen und bezieht sich auf etwas, das aus dem Kontext hervorgeht.)
Es wurmt mich, dass sie nicht schreibt. (Der Nebensatz ist das Subjekt - da er extraponoren ward, springt das expletive es als Platzhalter ein (s.o.))
Dass sie nicht schreibt, wurmt mich. (Hier ohne Extraposition.)

Berthold

Da kekünne auch ich nicht mehr herschreiben: Mir schwant dabei nichts Gutes.

Agricola

#9
Sagte der Bergsee im Herbst:

Oh, ich glaub', mir schwant es schon.

(Ich dachte dabei an den Yamanaka-See am Berg Fuji, auf dem immer viele sibirische Schwäne überwintern.)
The future lies in front of me,
but "lies" is all that I can see.

Berthold

Zitat von: Übertreiber in 2009-01-05, 14:04:30
(...)
EDIT: Ebenso sagt der Text ja auch, dass "Mir ist kalt" eine Verkurz von "Es ist mir kalt" ist. Wieder bin ich nur der Empfangende. Wenn ich süge "Ich bin kalt", dann läge dass wohl daran, dass ich tot bin.
(...)

Am Weissensee (Kärnten) heißt 'Mir ist kalt' 'I hon kholt', also 'Ich habe kalt', was ins Deutsche wohl mit dem recht bemerkenswerten Satz 'Ich habe es kalt' zu übersetzen ist.

Übertreiber

Zitat von: Berthold in 2009-10-22, 11:31:31
Zitat von: Übertreiber in 2009-01-05, 14:04:30
(...)
EDIT: Ebenso sagt der Text ja auch, dass "Mir ist kalt" eine Verkurz von "Es ist mir kalt" ist. Wieder bin ich nur der Empfangende. Wenn ich süge "Ich bin kalt", dann läge dass wohl daran, dass ich tot bin.
(...)

Am Weissensee (Kärnten) heißt 'Mir ist kalt' 'I hon kholt', also 'Ich habe kalt', was ins Deutsche wohl mit dem recht bemerkenswerten Satz 'Ich habe es kalt' zu übersetzen ist.

In meinen Augen nicht übermäßig bemerkenswert, für mich klingt es fast schon normal. Ich ballspielswiese habe es gerade sehr gemütlich hier.
Kampf dem Schicksal!

Berthold

#12
Zitat von: Übertreiber in 2009-10-22, 20:15:32
Zitat von: Berthold in 2009-10-22, 11:31:31
Zitat von: Übertreiber in 2009-01-05, 14:04:30
(...)
EDIT: Ebenso sagt der Text ja auch, dass "Mir ist kalt" eine Verkurz von "Es ist mir kalt" ist. Wieder bin ich nur der Empfangende. Wenn ich süge "Ich bin kalt", dann läge dass wohl daran, dass ich tot bin.
(...)

Am Weissensee (Kärnten) heißt 'Mir ist kalt' 'I hon kholt', also 'Ich habe kalt', was ins Deutsche wohl mit dem recht bemerkenswerten Satz 'Ich habe es kalt' zu übersetzen ist.

In meinen Augen nicht übermäßig bemerkenswert, für mich klingt es fast schon normal. Ich ballspielswiese habe es gerade sehr gemütlich hier.

Na schon & schön, aber Du hast es gemütlich, Du hast nicht gemütlich. Obwohl ich noch am Institut sitze, habe ich deshalb arbeitsam?
Es kekünne dort vielleicht auf eine Regel des Slowenischen zurückgehen, die mir natürlich unbekannt ist.

Ein Beispiel zu einer solchen Regel; sie hat nix mit dem Weissenseer Satz zu tun:
Das (hier hoch verthütschene; zumindest Unterkärntnerische) 'Ich fahre Klagenfurt', statt 'Ich fahre nach Klagenfurt', ist auf den Lokativ zurückzuführen, in dem Celovec im slowenischen Satz stünde. Wie geht jener Lokativ?

Aha, ich habe den hochdeutschen Satz als recht bemerkenswert bezinchen; dabei mien ich eher den Weissenseeerischen. (Da wird ja doch '-eee-' gehören.)  

Übertreiber

Zitat von: Berthold in 2009-10-23, 19:10:20
Zitat von: Übertreiber in 2009-10-22, 20:15:32
In meinen Augen nicht übermäßig bemerkenswert, für mich klingt es fast schon normal. Ich ballspielswiese habe es gerade sehr gemütlich hier.

Na schon & schön, aber Du hast es gemütlich, Du hast nicht gemütlich. Obwohl ich noch am Institut sitze, habe ich deshalb arbeitsam?
Es kekünne dort vielleicht auf eine Regel des Slowenischen zurückgehen, die mir natürlich unbekannt ist.

Argh, da habe ich naturl getroffen, ja.
Kampf dem Schicksal!

Kilian

Noch ein schönes Verb mit "Quirky Subject": schwiemeln.