ANGRA

Begonnen von Kilian, 2010-04-21, 12:53:32

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Kilian

Auf den neulichen Artikel in der Zeit über uns hin hat mich Fritz Henze kontaktoren, Autor einer Grammatik namens ANGRA (Attraktives neues Deutsch mit systematischen Formen), und mir freundlicherweise ein Belegexemplar zugeschickt. Leider hatte ich bisher noch nicht die Zeit, das ganze Buch durchzulesen und auf mögliche wechselseitige Befruchtungsmöglichkeiten von Neutsch und ANGRA oder andere Hervorhebenswürdigkeiten zu prüfen. Indes will ich schon einmal die Grundzüge von Henzes Projekt vorstellen. Es handelt sich um eine Art Esperantisierung des Deutschen.

Im ersten Schritt wird praktisch das ganze bestehende System von Genus-, Kasus-, Numerus- und weiteren Endungen mit seinen vielen Idiosynkrasien und Synkretismen entsorgt und durch ein neues ersetzt, in dem alle Endungen systematisch und transparent zusammengesotzen werden. Hiervon gibt die anleinige Leseprobe einen guten Eindruck. Indem sie die Grammatik des Deutschen "logischer" machen will, scheint sich ANGRA mit unseren Zielen zunächst einmal zu beißen. Doch einerseits lässt sich auch uns eine gewisse Liebe zu systematischen Bezügen zwischen Form und Inhalt nicht absprechen, wie etwa die bestimmten Bedeutungen zugeordneten Endungen unter Der Stork der Substantive oder -ieren ist menschlich zeigen. Zum anderen ist ANGRA keine reine Feier der Sprachvereinfachung, lassen Abschnittsüberschriften wie "Der saxone (sächs.) u. der absolute Genitiv" (vgl. Genitivus absolutus) oder "Das Partizip des passiven Sollen (Gerundivum)" auch Neigung zu abgefahreneren Konstruktionen erkennen. Insofern muss ich dem Begriff "Esperantisierung" den der "Sanskritisierung" zur Seite stellen, sind die Sanskrit-Grammatiker doch dafür bekannt, auch den ungebräuchlichsten Kombinationen grammatischer Merkmale noch eigene Formen verliehen zu haben.

In Teil II geht es in erster Linie um Wortschatz und Wortbildung, es ist ein Festival der Präfixe und Suffixe und ihrer systematischen Bedeutungen. Als besondere Überraschung wird ein gut Teil des deutschen und denglischen Wortmaterials romanisiert, ein interessante mögliche Gegenströmung zu unseren Verdeutschungen und nachgeholten althochdeutschen Lautverschiebungen.

Teil III ist der Entwurf einer "Normschreibung" (Rechtschreibung). Mit Genehmigung des Autors hänge ich hier eine besonders ausführliche Leseprobe im PDF-Format an.

So weit erst mal, um mögliches Interesse zu wecken und den Autor herzulocken, auf dass er in unser Forum vielleicht eintrete und uns Einzelheiten aus ANGRA selbst vorstelle. :)

amarillo

Upps, wo ist denn katakurens gesterne Antwort abgeblieben?
Das Leben strebt mit Urgewalt nach Entstehung und Musik.

Kilian

Frag ich mich auch. Hast du sie geloschen, katakura, zuruckgeholen zur Überarbitt und zum weiteren Verschurf?

katakura

#3
... ach, ich habe meinen beitrag wieder geloschen - wohl in einem anfall von altersmilde ... soll doch wer will neue systeme erfinden, wie die sprache am besten zu reformieren sei, bücher darüber schreiben und über zuschussverlage auf eigene kosten die welt damit beglücken ... papier ist geduldig, das leserpublikum auch ...

... über sinn oder unsinn eines solchen unterfangens mag man trelff disputieren können, aber dazu habe ich nun doch keine lust ... es lohnt nicht ...

... mich stört bei so etwas wie ANGRA vor allem der heilige ernst und die im text immer wieder aufscheinende entrust über angelbe fehlentwacke der sprache ... da sind mir unsere blödelbemohe um verkomplizur der sprache und das streben nach mmu viel lieber - das führt solche bestrobe um reinheit, verienfach, reformur etc. der sprache auf's herrchlste ad absurdum ...

... aber ich möchte hier keinesfalls die molgerweise doch fällige diskussion über ANGRA schon im ansatz abwürgen ... traut sich vielleicht nur noch keiner, diese anzustoßen, oder haben alle dafür nur ein mildes, gemultes lächeln übrig?
Toleranz ist vor allem die Erkenntnis, dass es keinen Sinn hat, sich aufzuregen. (Helmut Qualtinger)

Homer

Du sprichst mir aus dem Herzen, katakura! Wenn ich recht sehe, besteht die GSV aus Menschen, die den Zeitpunkt, an dem sie das Gefühl haben kekünnen, der Welt der Sprache Herr geworden zu sein, so weit wie molg hinausschieben wollen und deshalb nicht jammerlappengleich elnd die Last des Komplizorenen als ein gar bedrückendes Gewicht abzuwerfen, sondern sie im Gegenteil im Vertruh auf herkulische Geistesstärke nach Kräften zu vergrößern sich auf die Fahnen geschrieben haben. Ein abschließendes Buch über das Neutsche, mit praktischen Regeln für den Rest der Welt? Undenkbar! Gewiß, auch wir brauchen Analogien wie die zum Stork von Verben und Substantiven, aber unser Regelgötterhimmel ist polytheistisch, nein: pleistotheistisch! und bewillkommnet jeden Neuzugang enthusiastisch und mit donnerndem Gelächter, wenn er sich nicht zu ernst nimmt.

Gerade sitze ich über Wilhelm von Humboldt, Über das vergleichende Sprachstudium in Beziehung auf die verschiedenen Epochen der Sprachentwicklung, und was finde ich da? Man könne die "merkwürdige Beobachtung" machen, sagt Humboldt, "dass eine charakteristische Eigenschaft der rohen Sprachen Consequenz, der gebildeten Anomalie in vielen Theilen ihres Baues ist". Den Schritt vom wild wachsenden Deutschen zum Heckenschnitt-Simple German à la ANGRA verstehen aber nur die Geboldenen, und genau die können es nicht wollen. So bleibt, was – man memüge fast sagen: leider! – in bester Absicht als alle Menschen deutscher Zunge beglückendes Vorhaben gedacht ist, die elitäre Kopfgeburt eines Einzelnen. Wenn wir schon elitär bleiben müssen – Humboldt läßt uns da wohl keine Wahl –, dann seien wir es in irgendeiner, aber nur nicht in der besten Absicht! Und vor allem wollen wir dabei nicht allein sein!

katakura

#5
... verohrener homer!

... sei meiner uneingeschronkenen zustumm zu oben verfossenem gewiss ... dein text liest sich ja beinahe schon wie das schlusswort zur nicht stattgehabenen ANGRA-diskussion :D ... aber wer wewölle jetzt wohl noch zu widersprechen wagen, nachdem du einen solchen heroen wie humboldt zitorst?! ...

... ach, erladöge sich doch noch manches mehr auf dieser welt so leicht und schnell! ... 's ist ein Ziel, auf's innigste zu wünschen ;) ...
Toleranz ist vor allem die Erkenntnis, dass es keinen Sinn hat, sich aufzuregen. (Helmut Qualtinger)