Wiiiderbart und Abbitte

Begonnen von Berthold, 2012-04-23, 09:08:28

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Berthold

Liebe Leute!

Ich lern immer gerne dazu. Nicht nur, wie sich eine Rückenmarkspunktion - Kopf, mit Polster, an einem Krankenschwesternbusen(!) - anfühlt. (Kleine Hinweise: Bei einem guten Arzt ist nix dabei. Ein Lercherlschaaß. Irgendwie ein geiler Stromstoß. Die Kampeinutz mit dem Busen: nahezu sexuell. Vielleicht Gnempfahl: Ein bisserl aushauen, damit Dich die Krankenschwester ordentlich packt und an sich drückt! Blitzschnelles Nasenreiberl in jener Furche denkbar. - Nachher auf den Bauch legen! Gernrag abklingen lassen. Auch noch ein bisserl geil. - Lang liegenbleiben! Viel trinken! Sich über keinen Kumdormitor oder gar Beijing-gelonkenen Wehrdienstfeind - vulgo 'Kummerl-Zivi' (oft ein Gelichter, das!) - aufregen. Gefahr langen Schädelwehs. Gar nicht geil.) -
Gestern war's wieder so weit - mit dem Dazulernen. Der große DUDEN* (Universalwörterbuch), vor allem aber mein großes Deutsch-chinesisches Wörterbuch bestattogen mir:
Der "Wiiiderbart", jenes naseweise Gästlein, hatte recht. Der liebe Kilian hatte sowieso Recht, meine Ansage zu bezweifeln.
Colon
Das "ie" von Wiiiederkehr und das "i" von Wiiidergänger werden, offenbar, gleich lang und gleich geschlossen ausgospronch. Ich zieh das Kapperl vor Euch! Abbitte!
Das Deutsch-Chinesische Wb. gab für mich dabei vielleicht das Ekzem (Wienerisch "Exzem"), also den Ausschlag.
Mit der Orthographie kommt mir da etwas g'spaßig vor, aber sei's drum!
Der Peregrinus Syntax kennt mit "wider" nur dieses eine reimbare deutsche Wort mit langem "i" (aber ohne "ie"), das sich ansonsten nur auf Fremdwörter reimt: z.B. Cider, flaccider, humider, perfider, rapider, splendider, stupider, der Tider (wer immer der sei. Deutsch?) und ein timider.
"Widder" (mit Sprungwidder und Zuchtwidder) reimt der Herr Hempel bloß auf Midder (= [Internet-Duden] Kalbsmilch. - Was, die haben schon eine Milch?) und Geschlidder (Duden & Grimm: keine Treffer. Ich dächte: Gerutsche).

Chmulger Grund meines Irrtums: Die Ösis sagen wohl sowieso "Wiiiderbart". Langes, geschlossenes "i". Da dachte ich: Die Piefkineser, die Marmeladinger, die Simpeldenker, die Frechlippen, plaut & lump, das Nordgelichter, vor denen/dem unsereins, in Chwarlk, sowieso dauernd auf Knien umherrutscht, in den Urlaubsorten, in Sonter & Wimmer, die beflissenen Sklaven mimt; sogar die Melodie der Haydn-Kaiserhymne haben sie uns gestohlen; hasten sie herunter, wenn der Vettel wieder gewinnt ... ; DIE werden das wohl exakter aussprechen - und "Wıderbart" sagen, fast wie "Wėderbart". - Denkste, Puppe!
Was ich, leider, noch weiß: Vornehmes Wienerisch (-> etwa Hietzing) ist Scheiße. Koks; Nasenpolypen; Graf Bobby; H. C. Str. - - Göttingen! Hannover!

Kleines Bußwerk: Ich schreib Euch Namen des Widerbartes her (nur einen Ausschnitt des Originaltextes), aus dem Großen, dem unüberbietbaren, dem fünfbändigen HEINRICH MARZELL: WÖRTERBUCH DER DEUTSCHEN PFLANZENNAMEN (zunächst bei Hirzel / Leipzig 1972). Zweiter Band:
'Bart' wegen der nach oben stehenden Blütenlippe ("Bart"): "quia barba huius floris inverso ordine superius disposita est" (Gmelin)
Alter Name: dentaria aphyllos altera (Clusius 1584)**
Die seltene Orchidee hat keine Volksnamen. Die meisten deutschen Namen sind dem Laien [also Euch] recht unverständliche Übersetzungen des wissenschaftlichen Gattungsnamens Epipogium.
Widerbart / Überbart - Vgl. litauisch antbarzdė, obersorbisch, polnisch nadbrodnik / tschechisch nabradec / russisch nadborodnik / chinesisch [Das schreib ich Euch jetzt dazu; es bedeutet 'Spaltlippe[n]-Tigerzunge[n]-Orchidee'. 'Spaltlippe' ist irgendwie ein Quargel. 'Tigerzunge' ist phantasievoll.] 裂唇虎舌兰*** / Bartlippchen / Oberkinn / Bartständel / Haube / Bananen-Orchis. Die Blüten riechen bananenähnlich.**** / Dingel. Die Pflanze wurde früher zur Gattung D. (Limodorum) gestellt. / Sibirischer Stendel. Die Pflanze wurde von J. G. Gmelin (1747) zuerst aus Sibirien beschrieben. / Saftige Bocksgeilen 1784 Linné-Houttuyn.

Kleiner Tip: Die Lizenzausgabe des "Marzell", im Parkland Verlag, Köln (2000), ist leistbar. Ein Muß nicht nur für BotanikerINNEN, sondern auch für genuine Sprachfuzzis. Ich mein: Wenn Ihr schon meine legendäre, unnachahmliche Zooführung ohnegleichen - zurückgewiesen habt ...

Ich gestatte mir also, dem kecken, lieben Gästlein künftig den Forumsnamen "Bocksgeilensafti" zu erteilen - und ihm die kleine, bronzene Unsichtbare umzuhängen.
Fran kekünne ihn froychl auch (siehe Fußnote ***) Liechunhushelan-Xiansheng nennen.
Er darf mich dafür einmal einen "Sumpernelli" heißen.

*Die Tiefines für "Zuckmücke" dort! Ich bin gerohren, liebes DUDEN-Team! Ausgezienchene Arbeit! - Als hättet Ihr den Bertl gafranck!

**Falls ihr das Buch "Auf Clusius' Spuren" (1989) in irgendeinem Antiquariat (Leipzig oder so) bekommt: Dort sind ein paar nette Orchideenphotos vom Bertl drin. In Farbe.

***Fran spricht es lie4-chun2-hu3-she2-lan2 aus.

****Der echte Geruch der Blüten ist noch seltsamer. Es sind auch Häuche Minze & Moders dabei.      . - Denkste, Puppe!
Was ich noch weiß: Vornehmes Wienerisch (-

Stollentroll

Zitat von: Berthold in 2012-04-23, 09:08:28
Ich lern immer gerne dazu. Nicht nur, wie sich eine Rückenmarkspunktion - Kopf, mit Polster, an einem Krankenschwesternbusen(!) - anfühlt.

Eine Rückenmarkspunktion wäre ein schwerer Kunstfehler. Eine Lumbalpunktion, das heisst, eine Punktion des Wirbelsäulenkanals unterhalb des Rückenmarks, ist dagegen völlig unbedenklich (wenn steril durchgeführt)   8)
3 Dinge sagen immer die Wahrheit : Kinder, Besoffene und Leggings.

Berthold

#2
Na, dann war's eine Lumbalpunktion. Ich bin halt ein medizinisches Depperl.
Meine Phantasien sind aber korrekt wiedergugemp.
Ich mag auch den Ausdruck "schwerer Kunstfehler" beim ärztlichen Gewerke.
Bei einem schlechten Vers braucht halt niemand zu sterben.

Übertreiber

Zitat von: Berthold in 2012-04-23, 09:08:28
Das "ie" von Wiiiederkehr und das "i" von Wiiidergänger werden, offenbar, gleich lang und gleich geschlossen ausgospronch.

Selbstverständlich werden beide gleich gesprochen. Die Unterscheidung von ,,wieder" (erneut) und ,,wider" (entgegen) ist eine Erfindung einiger Pedanten desjenigen Jahrhunderts, das auch mien, man müsse die ,,Waage" mit zwei A schreiben, um sie vom gebührlich vom ,,Wagen" unterscheiden zu können.
Abschwiff:
Ich erinnere mich, mal in der heimischen Stadtbibliothek einen Rant (so nennt man das wohl heute) von Jacob oder Wilhelm Grimm dargegen gelesen zu haben; die beiden waren mit dieser willkürlichen Unterscheidung nicht allzu zufrieden.
Aber naja, sie waren ja auch gegen die Großschreibung von Substantiven, daher muss ihre Meinung wohl nicht unbedingt als maßgeblich betrachten werden.  ;D
Kampf dem Schicksal!

Kilian

Meinst du dies?

ZitatNhd. haben die grammatiker des verfloßnen jahrh. einen unbegründeten, dem ohr unvernehmbaren unterschied zwischen wider und wieder eingefuhrt, um die bedeutungen contra und rursus damit zu faßen Da diese natürlich in einander streifen, z. b. wider-schein sowohl abprall und gegenwirkung, als wiederholung des lichts bezeichnet, ohnehin der mehrfache sinn vieler anderer partikeln nicht durch die schreibung hervorgehoben wird; so könnte man die unterscheidung getrost aufgeben.

Ich kekünne Jacob Grimm nicht zuer stimmen. Ich bin aber auch traumatisoren, weil ich mal nicht wusste, ob es widerspiegeln oder wiederspiegeln heißt und mein Deutschlehrer so tat, als hätte ich das mit der Kenntnis der unterschiedlichen Bedeutungen von wider und wieder (die ich durchaus bereits besaß) müssen herleiten können. So wird man verkannt!

Wo wir's gerade von Rants alter Grammatiker bei Trost haben, weise ich noch mal auf diesen wunderbaren hin.

Berthold

#5
Zitat von: Stollentroll in 2012-04-24, 23:36:02
Zitat von: Berthold in 2012-04-23, 09:08:28
Ich lern immer gerne dazu. Nicht nur, wie sich eine Rückenmarkspunktion - Kopf, mit Polster, an einem Krankenschwesternbusen(!) - anfühlt.

Eine Rückenmarkspunktion wäre ein schwerer Kunstfehler. Eine Lumbalpunktion, das heisst, eine Punktion des Wirbelsäulenkanals unterhalb des Rückenmarks, ist dagegen völlig unbedenklich (wenn steril durchgeführt)   8)

Zur Spunktion:
Nun, die liebe Krankenschwester erschien mir keinesfalls steril gowentz zu sein.
Sonst aber fand jene Abzu[t]zelei wohl 'egel artis' statt.

Zu "Widerbart":
Nun, einem Schweizer hülfe hier wohl der Kanton "Nidwalden"*. Aber wie sesülle ein thumber Ösi, der den "Grimm" niemals durchging, wissen, wie das hochzuvertheutschen wäre? 'Contra' versus 'rursus'?
Ich gelte ja auch ab & an - weder ganz zu Recht, noch ganz zu Unrecht - als Bildungsfreund. Betrachte das aber wohl bisweilen so, wie Nestroy manch hochgestochene Vokabel in seinen Stücken.
("O, ist recht gut, meine Marchande de Mode, daß sie da sind, [...]")

*Leider schüfe "Schwyz" neue Kampfleich.   

Berthold

#6
Da mich die Sachen - vor allem vor dem abendlichen Einschlafen - oft nicht loslassen, kam ich zu Gegenstücken von 'anwidern', chnalm den Verben auf
-ūdern und, meinethalben, auch auf -ūdeln (obwohl hier die Gegenstücke - fiedeln, siedeln - ohnehin mit 'ie' guschrimp werden).
Dabei weisen sich mir gleich ein paar Faustregeln:
Außer, z.B., rudern, pudern (im Sinne von Puder drüberstreuen) oder auch sprudeln, besudeln und trudeln sind das eher seltenere Verben.
In vielen Fällen fehlen sie in unserer großen Liste.
(Die Abwalnd von 'rudern' dort mag ich gar nicht.)
Sie haben zumeist zumindest einen Hauch Oberdeutsch - Ösisch.
Denkt an fludern, kudern, verludern (Jägersprache), pludern, pudern (mit durchpudern (trans.) - im Sinne von koitieren) und schludern.
Eine 'Pfludern' ist wohl eine Pflaume - auch eine dumme, plumpe Frau.
Eine 'Kuudaantn' - also 'Kuderente' oder auch nur 'Kudern' ist eine fortwährend kichernde Frau.
Aber auch dudeln, hudeln, vernudeln, sich aufpudeln, verschmudeln, schnudeln, verschnudeln, sprudeln, besudeln und trudeln.
Die Gegenstücke mit kurzem 'u' entnahm ich eher dem 'Peregrinus Syntax':
muddern, schluddern, studdern, muddeln und puddeln. Buddeln und knuddeln sind dort (noch) unbekannt. Für mich haben diese Verben einen niederdeutschen Einschlag.