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Begonnen von amarillo, 2006-09-07, 09:23:21

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Kilian

Molg 1: Genitivregel einfach außer Kraft setzen: die Folgen Caesars Politik, Wir bedienten uns Beispiele

Molg 2: Fehlende -s- oder -r-Endung einfach anhängen: die Folgen Caesars Politiks, Wir bedienten uns Beispieler

...

amarillo

Ein entschiedenes: sowohl als auch!
Allerdings gefällt mir Molg 2 besser, ist einfach gsväulischer.
Das Leben strebt mit Urgewalt nach Entstehung und Musik.

Wortklauber

Zitat von: Kilian in 2013-04-25, 15:52:42
Zitat von: Homer in 2013-02-20, 09:54:31
Nun gibt es in der Standardgrammatik die "Genitivregel", die erklärt, wann eine Genitivphrase von kompetenten Sprechern als grammatisch empfunden wird und wann nicht:

"Eine Nominalphrase kann nur dann im Genitiv stehen, wenn sie (i) mindestens ein adjektivisch flektiertes Wort und (ii) mindestens ein Wort mit s- oder r-Endung enthält."

Weil die Frage so oft aufkommt, hier noch ein aktüller Knupf zur Genitivregel: http://www.korrekturen.de/nachgefragt/sich_beispielen_bedienen.shtml

Nach einigem Nachdenken und Recherchieren möchte ich an der Richtigkeit des in dem aktüllen Knupf Gesagten für die Standardsprache (=das, was einem heutigen Hochdeutsch-Sprecher in der Regel als korrektes Deutsch erscheint) zweifeln, obwohl ich der Bewertung der dort gegebenen Beispiele nicht widerspreche.

Es heißt: "Es gilt die sogenannte Genitivregel, nach der eine Nominalphrase ohne bestimmten Artikel nur dann im Genitiv stehen kann, wenn sie mindestens ein adjektivisch flektiertes Wort und mindestens ein Wort mit der Endung -s oder -r enthält."

Demnach müsste der Ausdruck "sich Waffen bedienen" falsch sein, denn weder wird das Wort "Waffe" adjektivisch flektiert noch ist irgendwo eine Endung -r oder -s zu finden. Dennoch scheint offensichtlich nicht nur mir (zwar gegen die Verwendung von Waffen, aber nicht) gegen den Ausdruck nichts einzuwenden zu sein, denn für diese Wortfolge gibt es sehr viele google-Belege.

Ebenso wäre es MUSEN zwar inhaltlich, aber nicht grammatisch abzulehnen, Menschen "Verbrechen zu beschuldigen, die sie nicht begangen haben". Auch ist es gut, sich "Grenzen bewusst zu sein", selbst wenn diese sich nicht genau bestimmen lassen. Und wer "erinnert sich nicht gern Stunden", die er mit einem lieben Menschen in trauter Zweisamkeit verbracht hat?

Dass all dieses standardsprachlich verboten sein soll, leuchtet mir keineswegs ein. Und mir scheint deshalb auch die in dem Knupf verworfene Lösung "sich Beispielen bedienen" zwar nachvollziehbar standardsprachlich falsch (da der Genitiv Plural von Beispiel nicht Beispielen lautet), aber in Anlehnung an die anderen akzeptablen Bildungen mit -n-Endungen eine für den gsv-Gebrauch überlegenswerte Option.

Homer

Bei Google gibt es jeden Unfug, teilweise hunderttausendfach, das hat nichts zu sagen. Für mich klingt keines Deiner Beispiele auch nur annähernd schriftsprachlich akzeptabel. Aber Sprache ändert sich, und vielleicht ist ja die Genitivregel schon am Anfang ihres Niedergangs. In spätestens 100 Jahren wissen wir mehr.

Wortklauber

Da steht dein Sprachgefühl gegen meines. Na, immerhin wird man auch in Büchern verschiedener Publikationsjahre fündig (aber da wirst Du natülr auch einwenden, dass man da jeden Unfug findet ...):

http://books.google.de/books?id=1txRAAAAcAAJ&q=%22sich+Waffen+bedienen%22&dq=%22sich+Waffen+bedienen%22&hl=de&sa=X&ei=Sqt7Ud37HYjlkAWQzoGIDQ&ved=0CDgQ6AEwAg

http://books.google.de/books?id=lBhoAAAAMAAJ&q=%22sich+Waffen+bedienen%22&dq=%22sich+Waffen+bedienen%22&hl=de&sa=X&ei=Sqt7Ud37HYjlkAWQzoGIDQ&ved=0CDQQ6AEwAQ

http://books.google.de/books?id=PG87AAAAcAAJ&pg=PA88&dq=%22Verbrechen+beschuldigen%22&hl=de&sa=X&ei=XKx7UeeKHYXHkQXhwIDABA&ved=0CE8Q6AEwBQ#v=onepage&q=%22Verbrechen%20beschuldigen%22&f=false

http://books.google.de/books?id=KGITAQAAMAAJ&q=%22Verbrechen+beschuldigen%22&dq=%22Verbrechen+beschuldigen%22&hl=de&sa=X&ei=iq57UY24MI2jkgWBzIHYCA&ved=0CDAQ6AEwATjIAQ

http://books.google.de/books?id=kpJEAAAAcAAJ&pg=PA297&dq=%22Verbrechen+beschuldigen%22&hl=de&sa=X&ei=C697UdDzJc35lAXGxoCQBQ&ved=0CEMQ6AEwBDjcAQ#v=onepage&q=%22Verbrechen%20beschuldigen%22&f=false

http://books.google.co.jp/books?id=citPAAAAYAAJ&pg=PA941&dq=%22sich+Handlungen+bewusst%22&hl=de&sa=X&ei=H7F7UbHrDI7HkQX41ICYDQ&redir_esc=y#v=onepage&q=%22sich%20Handlungen%20bewußt%22&f=false

http://books.google.co.jp/books?id=6wATAAAAYAAJ&pg=PT257&dq=%22sich+Sünden+bewusst%22&hl=de&sa=X&ei=lbF7UdayNMaikQWYl4DQBA&redir_esc=y#v=onepage&q=%22sich%20Sünden%20bewußt%22&f=false

http://books.google.co.jp/books?id=MTpAAAAAcAAJ&pg=PA190&dq=%22sich+Sünden+bewusst%22&hl=de&sa=X&ei=lbF7UdayNMaikQWYl4DQBA&redir_esc=y#v=onepage&q=%22sich%20Sünden%20bewußt%22&f=false

http://books.google.co.jp/books?id=0WZ9AAAAIAAJ&pg=PA535&dq=%22sich+Sünden+bewusst%22&hl=de&sa=X&ei=lbF7UdayNMaikQWYl4DQBA&redir_esc=y#v=onepage&q=%22sich%20Sünden%20bewusst%22&f=false

http://books.google.de/books?id=Rr0sAAAAYAAJ&q=%22erinnert+sich+Zeiten%22&dq=%22erinnert+sich+Zeiten%22&hl=de&sa=X&ei=JbN7UeHhLsjQkwXe4YGoDg&ved=0CC0Q6AEwAA

Homer

Schon klar, ich habe ja auch nur "für mich" gesagt. Bei der Frage, ob eine Erscheinung standardsprachlich als korrekt gilt, ist ja immer das Sprachgefühl der kompetentesten Sprecher maßgeblich. Und auf der Skala zwischen "eindeutig grammatisch" und "eindeutig ungrammatisch" gibt es auch die Mitte, die Zweifelsfälle, in denen ein Teil der Kompetenten so, ein anderer so antwortet. Dieser Teil der Genitivregel scheint so etwas zu sein. Ich tendiere halt im Zweifel meist zu "ungrammatisch". Mir kommt "er wird Verbrechen beschuldigt" nicht in einen Text, und wenn ich Hausarbeiten korrigiere, nehme ich mir die Freiheit, bei so etwas den Rotstift zum Einsatz zu bringen.

amarillo

Weiß von Euch jemand, warum unser Alphabet in der uns bekannten Reihenfolge vorliegt? Hat das überhaupt einen Grund, oder brachten Umstände dies mit sich?
Das Leben strebt mit Urgewalt nach Entstehung und Musik.

Wortklauber

Die Frage wäre mindestens an das frühgriechische Alphabet (in der vorattischen Zeit) weiterzuleiten, denn mindestens seit dieser Zeit wird die Reihenfolge der Buchstaben mit Variationen von Generation zu Generation und Sprache zu Sprache weitergereicht. Dass die Reihenfolge so alt ist, folgt daraus, dass die Griechen die Buchstaben als Zahlzeichen (der Reihe nach für 1, 2, 3, ..., 9, 10, 20, ..., 90, 100, 200, ..., 900) benutzten, wobei sie auch noch Buchstaben verwendeten, die in der attischen Zeit bereits abgeschafft waren. Woher die Griechen die Reihenfolge hatten: Keine Ahnung. Vielleicht von den Phöniziern?

Daleth

Zitat von: Wortklauber in 2013-06-11, 17:24:30
Woher die Griechen die Reihenfolge hatten: Keine Ahnung. Vielleicht von den Phöniziern?

Jupp. Und die Phönizier entwalcken ihr Alphabet (in diesem Falle Aleph-bet) aus einem proto-semitischen, das noch recht bildhaft ausschaut und auf den ägyptischen Hieroglyphen beruhen soll. Am Ende haben wir das unsrige wohl ebenso wie das Bier und einiges andere den Ägyptern zu verdanken. Prost! ;)

Wortklauber

Aber kommt daher auch die Reihenfolge? Leider sind die Artikel, die ich dazu gefunden habe, uneindeutig. Wenn es heißt, das griechische "Alphabet" käme von den Phöniziern, ist vielleicht nur gemienen, dass die Buchstaben daher kommen, aber dazu, ob ihre Reihenfolge auch schon bei den Phöniziern in ähnlicher Form in Gebrauch war, habe ich nichts Eindeutiges gefunden.

Daleth

Zitat von: Wortklauber in 2013-06-11, 17:59:28
Aber kommt daher auch die Reihenfolge?

Scheint so, da auch die Namen vieler Zeichen in beiden Alphabeten sehr ahln lauten:

phön.: Aleph, Beth, Gimel, Daleth [...] Tet, Yod, Kaf, Lamd, Mem, Nun [...] Ros, Sin, Tau ... *
griech.: Alpha, Beta, Gamma, Delta [...] Theta, Iota, Kappa, Lambda, My, Ny [...] Rho, Sigma, Tau ...

* verienfachen, ohne diakritische Zeichen


Daleth

Sehr interessant! Das ugaritische Alphabet taucht ja sogar drei Jahrhunderte vor dem phönizischen auf. Auch wenn die Namen der Zeichen erstaulnerweise auch schon alpa, beta, gamla, delta  etc. lauten (oder ist das eher eine Zuschreibung der Neuzeit?), ist das Ugaritische noch eine Keilschrift. Was also die Schriftzeichen angeht, scheint dann doch das phönizische Alphabet "die Mutter aller Alphabete" - zumindest des griech., lat., hebr. und sogar arab. - und damit auch des unsrigen zu sein. Die Reihenfolge der Buchstaben ist also schon in sehr früher Zeit der Schriftentwalck weitgehend festgelegen worden.

Berthold

#298
Gefühlsmäßig stehen wir zur chinesischen Schrift doch wohl so, daß sie jünger sei als irgendwelche mesopotamischen Keilschriften.
Nun, dem ward widersprochen:
Die Bezeichnung "Jiahu-Schrift" (贾湖契刻符号) bezieht sich auf die 16 Markierungen prähistorischer Artefakte die in Jiahu (Henan, China) gefunden wurden und zu der neolithischen Peiligang*-Kultur (裴李崗文化, Péilǐgāng Wénhuà) gehören. Sie wurden auf eine Zeit um 6600 v. Chr. dannoren.
Einige Archäologen glauben, dass die Zeichen in einem Zusammenhang mit der Orakelknochen-Schrift stehen (z. B. die vergleichbaren Zeichen für 目"Auge",日"Sonne, Tag"),
(Froychl folgt gleich der Zweifel:)
aber einige zweifeln daran, dass sie überhaupt auf Schrift hinweisen.
http://de.wikipedia.org/wiki/Jiahu-Schrift

*Mit Pelikanen, deren Herrscher, der Pelikhan, einen Pelikahn fährt, hat diese Kultur nix zu tun.

Daleth

Zitat von: Berthold in 2013-06-12, 13:47:40
Gefühlsmäßig stehen wir zur chinesischen Schrift doch wohl so, daß sie jünger sei als irgendwelche mesopotamischen Keilschriften.

Das scheint ja dann auch das richtige Gefühl zu sein. Indes hat die chinesische Schrift nichts mit der ugaritischen oder phönizischen zu tun, auf denen unser heutiges Alphabet fußt, nach dessen Reihenfolge amarillo ursprulng frug (siehe oben). Dennoch interessant, dass die Chinesen - Orakelknöchelchen mit Zeichen hin oder her - nicht mit allem die ersten waren.