Partizip Perfekt Aktiv

Begonnen von Kilian, 2008-02-12, 17:31:07

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Berthold

#15
Zitat von: Kilian in 2009-09-26, 03:05:25
Ganz normales Standarddeutsch ist das PPA übrigens, fällt mir nur gerade so auf, bei Verben, die ihr Perfekt mit ist bilden: Der angekommene Gast, die weggelaufenen Kinder, der sitzengebliebene Schüler, der große gewordene Unternehmer...

Lieber Kilian!

Das empfinde ich auch so.
Bemerkenswert erscheinen mir dann aber jene Verben, die der Süden mit bin, statt mit habe, perfektizipfelt.
Denn 'der gesessene Mann', 'die gelegene Frau', 'das gekniete Kind': Gleich dächte man da: Was hat man euch angetan? Nebensinn dräghte sich auf, etwa: 'Der Mann ist im Gefängnis gowenz'. Das war noch das harmloseste der drei Beispiele. - Auch 'Der Karl hat gesessen' bezöge man in Wien aufs Gefängnis. Vielleicht ist das auch eine Abwart theutsch-theutscher Grammatik - ?  

Berthold

#16
Zitat von: Übertreiber in 2009-10-03, 23:11:59
Aus: „Die Gebrüder Karamasow“ von F. M. Dostojewski, übersatzen von Swetlana Geier Fischer.

Aber, aber! Bzw.: Pfui! - Zumindest hierorts hießen die nur dann 'Gebrüder', wenn sie, sagen wir, Klodeckelhändler wären. Solche fast allegorischen Gestalten wie jene drei sind auf jeden Fall 'Brüder Karamasow'.
Wer jetzt miene, ich hätte den Handelsstand belittegen, der lese sich Auftrittscouplet &
-monolog des Weinberl aus Nestroys 'Einen Jux will er sich machen' durch.

Übertreiber

Zitat von: Berthold in 2009-10-05, 12:27:23
Solche fast allegorischen Gestalten wie jene drei sind auf jeden Fall 'Brüder Karamasow'.
Da hast du naturl recht, da muss mir das Rhythmusgefühl eine Extrasilbe hineingemanschen haben.
Interessant ist auch, dass es laut der bekanntesten deutschen Gebrüder der Unterschied zwischen ,,Brüder" und ,,Gebrüder" eher kärglich ausfällt.
Kampf dem Schicksal!

Übertreiber

Zitat von: Kilian in 2009-10-04, 00:41:53
Der sichere standarddeutsche Weg wäre wie so oft, alles umzuformulieren.

Auch ich bin mir darbei sicher. Wie so oft, giebt es eine einfache umgangssprachliche und meine komplizorene Lösur sowie die Standard-Konfliktvermied. :D

PS: Auch englische Stil-Ratgeber raten in (geschotzen) 30% aller Konfliktfälle, einfach den Satz umzuformulieren.
Kampf dem Schicksal!

Kilian

Zitat von: Übertreiber in 2009-10-05, 22:52:07PS: Auch englische Stil-Ratgeber raten in (geschotzen) 30% aller Konfliktfälle, einfach den Satz umzuformulieren.

Was ja aus der Sicht der Sprachvereinfachung auch sehr vernünftig ist: Wenn man überhaupt in einen Konfliktfall gerät, muss man auf dem Weg zum luziden Stil schon vorher irgendwo falsch abgebogen sein. Den Löchern in der Sprache wird ausgewichen. Wir tun freilich das genaue Gegenteil: Wir stürzen uns auf und in diese Löcher, um sie mit unserem eigenen Material aufzufüllen. Das fängt schon bei unserem Kerngeschäft an: Im Steven Pinker'schen Wörterverzeichnis ist kein Präteritum zu hinken verzeichnet? Den Umweg über eine Pinker'sche Regel wie -te zu nehmen kommt nicht in Frage! Wir füllen die Lücke mit hunk! Dasselbe auf ganz vielen Gebieten: Stellen wir nur bei ein paar Verben - fallen, sitzen, trinken... - fest, dass sie in Paarbeziehungen mit Kausativen - fällen, setzen, tränken... - stehen, ist uns das Grund genug, auch bei anderen Verben nach solchen Partner zu suchen und, wenn wir keine finden, sie prompt zu erfinden! So gesehen pießen angekommen seiende Gäste und weggelaufen seiende Rabauken gut ins Neutsche, insofern das Partizip des Hilfsverbs sein gebolden wird wie das anderer Verben und auf die langweiligen Bedenken des deutschen Sprachgefühls, das sollte man irgendwie umformulieren, gepfiffen wird. :)

Kilian

Zitat von: Berthold in 2009-10-05, 11:21:16
Zitat von: Kilian in 2009-09-26, 03:05:25
Ganz normales Standarddeutsch ist das PPA übrigens, fällt mir nur gerade so auf, bei Verben, die ihr Perfekt mit ist bilden: Der angekommene Gast, die weggelaufenen Kinder, der sitzengebliebene Schüler, der große gewordene Unternehmer...

Lieber Kilian!

Das empfinde ich auch so.
Bemerkenswert erscheinen mir dann aber jene Verben, die der Süden mit bin, statt mit habe, perfektizipfelt.
Denn 'der gesessene Mann', 'die gelegene Frau', 'das gekniete Kind': Gleich dächte man da: Was hat man euch angetan? Nebensinn dräghte sich auf, etwa: 'Der Mann ist im Gefängnis gowenz'. Das war noch das harmloseste der drei Beispiele. - Auch 'Der Karl hat gesessen' bezöge man in Wien aufs Gefängnis. Vielleicht ist das auch eine Abwart theutsch-theutscher Grammatik - ?  

Wie wahr, diese Beispiele klingen für meine nördlichen Ohren auch nicht standardmäßig. Aber wenn's auch dir in südlichen Gefilden so geht, liegt's wohl nicht am sein allein, ob Pa.Pe.Ak. geht oder nicht...

Die Gefängnisassoziation kommt für mich eher daher, dass beim Verb sitzen normalerweise etwas wie am Tisch oder auf dem Stuhl steht - nur in der Haftbedeutung oder im Unterschied zu anderen Positionen ("Frank hat da gestanden, aber Otto hat gesessen") braucht es in der Regel kein Argument.

Inwiefern Abwart?

Berthold

#21
Weil man da, glaub ich regional, öfters ein verengtes, seltsames, negatives, vielleicht allzu transitives Bild erhielte. 'Sie hat dagelegen': Da dächte unsereins: 'Es fehlt noch etwas - Hat sie ihn durch ihr Daliegen verführt oder was sonst?' 'Er hat gekniet': das wäre unehrlich, heuchlerisch; oder aber (Weissensee -> Hochdeutsch): 'Der Bub hat Scheiter gekniet.': Der Bub ist bestraft worden, indem er auf Holzscheitern knie(e)n mußte. Nein, vor dem lieben Herrgott, da ist das Kind gekniet.

Oben fällt mir noch auf, daß bei Komposita und Zusammensetzungen das PPA ein bißchen glaubwürdiger klingt als bei einfachen Verben: Vgl. Deine Beispiele mit: Der gekommene Gast (Das erschiene mir ja noch überzeugend), die gelaufenen Kinder (Was hat man denen angetan?), die gebliebenen Schüler (na ja).    

Berthold

Zitat von: Übertreiber in 2009-10-05, 22:46:18
Zitat von: Berthold in 2009-10-05, 12:27:23
Solche fast allegorischen Gestalten wie jene drei sind auf jeden Fall 'Brüder Karamasow'.
Da hast du naturl recht, da muss mir das Rhythmusgefühl eine Extrasilbe hineingemanschen haben.
Interessant ist auch, dass es laut der bekanntesten deutschen Gebrüder der Unterschied zwischen „Brüder“ und „Gebrüder“ eher kärglich ausfällt.

Zur Erganz: Ich vergaß des Smerdjakows.

Kilian

Zitat von: Berthold in 2009-10-06, 13:19:52Oben fällt mir noch auf, daß bei Komposita und Zusammensetzungen das PPA ein bißchen glaubwürdiger klingt als bei einfachen Verben: Vgl. Deine Beispiele mit: Der gekommene Gast (Das ershiene mir ja noch überzeugend), die gelaufenen Kinder (Was hat man denen angetan?), die gebliebenen Schüler (na ja).

Stimmt, geht mir auch so, ich wahl extra Partikelverben, um mit meiner Behauptung rechter zu haben. Interessant - woran das wohl liegt?

Berthold


Lieber Kilian!

Ich bemerke jetzt nur, daß sich der Hergekommene, die Hingelaufene, die Hiergebliebene auch besser zu Substantiven eignen als der Gekommene, die Gelaufene und die Gebliebene.
Ich süge, weil die ersten Beispiele inhaltsträchtiger sind:
Er ist vielleicht von weit, aus einem anderen Land, hergekommen. Sie kekünne zu jeder Demo laufen. Der Knabe memuoß in der Schule hierbleiben.
Vielleicht ist als PPA eines der erwohnenen Verben eher geeignet, wenn es erwirtten, gewissermaßen (in anderer Weise als bei uns) gestorken ist.

Mir fällt jetzt dauernd aus dem Chinesischen ein Beispiel ein, das zwar nur ganz am Rand paßt, das ich aber doch - gänzlich ins Deutsche übertragen - hier herschreibe:

'Schüler schreiben Hausarbeit'  kann ein einfacher Satz lauten: Der oder die, ein Schüler* schreibt eine Hausarbeit oder mehrere Hausarbeiten. (Wüßte man's noch nicht, daß nur ein Schüler dasitzt, der eine Hausarbeit schreibt, hieße es vielleicht 'Ein Person Schüler schreiben...' - Nun bin ich zu faul, das Zählwort für schriftliche Arbeiten herauszusuchen.)
Nun läßt sich das Objekt folgendermaßen vors Verb ziehen: 'Schüler nehmen Hausarbeit ...'
Man dächte nun, daß 'Schüler nehmen Hausarbeit schreiben' ein gültiger Satz sein kekünne. Aber hier geht anscheinend Chinesen etwas ab. Das 'nehmen' ist hier sowieso kein Verbum sondern eine funktionelle Silbe. Das Verbum 'schreiben' hat irgendwie erwirtten zu werden, etwa: 'Schüler nehmen Hausarbeit schreiben fertig.'

*Der Schüler hat hier keine Zahl, was wir nur umständlich ausdrücken kekünnen. 
     

Kilian

Die Analogie ist eine augenfällige - auch eine gefällige, aber das lässt sich nicht ganz so gut sagen.

Homer

@ Kilian:

Da du hier in #11 auf diesen Faden verwiesen hast, noch ein gewiss standarddeutsches negiertes Partizip Perfekt Aktiv von einem Verb mit haben-Perfekt:

– Haben Sie gedient?
– Nein, ich bin ungedient.

Vergleichbar altgedient.



Homer

Und dann gibt es noch die Geschworenen, den gelernten Koch, den studierten Historiker u.a.m., siehe auch hier.

Wortklaux

Und auch substantiviert den Bedienten, der sogar noch im Präsens bedient. Aber wahrscheinlich ist das eine Abkürzung vom Bediensteten? Also dem, dem man einen Dienst aufgedrocken hat? Aber diese Wörter alle haben weniger mit der ursprünglichen Frage zu tun, wo es doch um die Verwechslung von Dativ- und Akkusativobjekten ging.

Homer

Zitat von: Wortklaux in 2015-06-03, 04:48:01
Aber diese Wörter alle haben weniger mit der ursprünglichen Frage zu tun, wo es doch um die Verwechslung von Dativ- und Akkusativobjekten ging.

Dieser hier ist ja auch ein anderer Faden als der dort.  ;)