Schüttelreim, anyone?

Begonnen von caru, 2005-06-07, 23:41:55

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Berthold

Einmal vertrat ich die - nicht vertretbare - Meun, daß 'auf alles' Schüttelverse molg wären, ja seien.
War damals just ein dissertierender (Süd-)Brasilianer am Institut für Walddingsbums, ein guter Bekannter von mir - und - wie es so wenig stimmig heißt - Sohn einfacher Bauersleute. Heraus kamen Hinkjamben, dem störrischen Getrappel von Rindvieh nachempfunden:


Der reiche Onkel

Mein Freund, ein Bauernsohn, der Mauro Schumacher,
pflegt seinen Stier - und nennt ihn Schauro Muhmacher.
Doch Mauros Onkel, Viehbaron Don Schumacher,
mit zwölf Fazendas, wurde reich durch Muhschacher.

Später sang ich, bei M. S.s Hochzeit mit 'seiner' Jane, in Dona Francisca (Rio Grande do Sul), ein wahrhaft gräuliches Bach-Gounodsches Ave Maria. Auch der Herr am Harmonium (offenbar Uni-Rektor) verbritt C-Dur-akkördliches Entsetzen. Dennoch (und hoffentlich nicht: Darob) wien die Braut.

Agricola

Dazu fällt mir nur ein Text von Erich Kästner über seine Mutter Ida, deren pferdehandelnden Großvater und ihre Kaninchen-handelnden Brüder ein, zu dem sich bemerken ließe:

Klein-Ida sug Papa, was seine Buben taten,
die sie "in aller Stille" in die Stuben baten.
Danach betrocht sich lange noch die kleine Ida
die vielen blauen Flecken und sang keine Lida.
The future lies in front of me,
but "lies" is all that I can see.

Berthold

"He was a security officer with a very high and responsible post in the Skeveni [phoen] garrison, and as such he inflicted great damage to the security ..."

Dieser Satz aus dem Internet (aus einem Gerichtsprotokoll) deutet für mich darauf hin, daß es irgendwo auf der Balkanhalbinsel die Skeveni-Garnison gibt. Wäre Skeveni ein Ort, dann gingen die Neviges-Schüttelverse vom caru sogar noch weiter:

Er fuhr schon auf 'la neve' Ski,
in Bergen gleich bei Skeveni.

Berthold

#63
Zitat von: Berthold in 2006-12-10, 19:49:27
Er fuhr schon auf 'la neve' Ski,
in Bergen gleich bei Skeveni.
Ui Jegerl! Hab ich mich da stilistisch zu sehr angapanss? Etwa an (schon erwohnes Beispiel aus diesem Faden - "Rhapsodie..." - siehe Antwort #35):
"Falls Langweil' sich am Siege wähn',
kannst du dann auf die Wiese geh'n,
siehst Schwäne sich überm See wiegen
und Vogelsang über dein Weh siegen."
Nein, ich sehe Vogelsang nicht über mein Weh siegen. Und: Wo sonst als in/auf (den) Bergen...? Da muß mehr hinein: ein kleiner Rhythmuswechsel, Wehmut, Nostalgie, ein Wortspiel; - vielleicht ein Flüchtlingsschicksal? Selbst Zweizeiler verdienen Zuwand:

Ich fuhr einst auf 'la neve' Ski.
Wann? - Anno Schnee, bei Skeveni.

katakura

#64
... da will ich doch auch mal wieder e weng mitschütteln:


Verhindertes (verharndenes) Genie

Zu gern tät' er bei größ'ren Werken sterben,
doch leider kann er nichts als Verben stärken.
;D
Toleranz ist vor allem die Erkenntnis, dass es keinen Sinn hat, sich aufzuregen. (Helmut Qualtinger)

VerbOrg

Zwar gescholtten ist's, doch nicht geriemen, Kollege katakura.

Zum Thema "gestorkene Verben" gab's auch schon mal gescholttenes. GEMA zurück zu Antwort 5.

amarillo

Martin Luther dereinst auf der Wartburg
sich vor Zorn seinen eisgrauen Bart wurg,
"Was hast Du?" frug darauf der Burgwart,
"Ich erfand nur soeben den Wurgbart!"

Falls Ihr nun glaubt, daß ich die letzte Zeile für akzeptabel hielte - wei gefohlen! Ich stand nur da und konnt' nicht anders. ;D
Das Leben strebt mit Urgewalt nach Entstehung und Musik.

VerbOrg

Durchgesotzen hat sich der Wurgbart anscheinend nicht. Mir war er bis heute unbekannt. Na ja, muss ja nicht alles gut sein, was von Luttern kommt.

amarillo

Klar, dß Du als Frau den kaum kennst. Bis in die Mitte des 19. Jh. war der Wurgbart eine äußerst beliebte Form männlichen Gesichtshaarschmuckes. Leider braucht er sehr viel Pflege, so daß in den schnellebigen Zeiten der einsetzenden industriellen Revolution... :D
Das Leben strebt mit Urgewalt nach Entstehung und Musik.

Agricola

#69
Reime zum Schütteln

Wenn vor der Schling' und vor Gericht
der schlauen Rechten Schleimen rötte,
sich bald erüng', dass man sie schlicht
in rauen, schlechten Reimen schlötte!
The future lies in front of me,
but "lies" is all that I can see.

Berthold

#70
Zitat von: amarillo in 2006-12-11, 18:45:00
Martin Luther dereinst auf der Wartburg
sich vor Zorn seinen eisgrauen Bart wurg,
"Was hast Du?" frug darauf der Burgwart,
"Ich erfand nur soeben den Wurgbart!"

Falls Ihr nun glaubt, daß ich die letzte Zeile für akzeptabel hielte - wei gefohlen! Ich stand nur da und konnt' nicht anders. ;D
Nicht, weil ich, von Form und Inhalt her, vom Folgenden etwas hielte, schreib ich's auf; nein, weil's identische Reime sind. Es sind eher ein Worttrenn- als Schüttelverse:

In der Gletscherspalte

Er denkt, im Gletschereise, nach:
Ach, säß' ich, warm, zu Eisenach! - -
Mich töte dieses Eisen - ach...

AmelieZapf

Hallo zusammen,

für Schüttelreim-Liebhaber empföhle ich die Lektüre des Büchleins "Von Traum-, Welt- und Worpswedereisen in Schüttelreimers Redeweisen" der verstorbenen "Königin des Schüttelreims", Erika Wendelken. Darin finden sich Perlen wie diese (aus dem Gedächtnis rezitoren, ohn' Gewehr für Rachgt):

Im Wartezimmer harrten wir,
Der Zahnarzt hieß uns warten hier,
Auch Tom mit dem verwirrten Haar,
der einer von den Hirten war.

Doch nach dem Extrahieren ward
sein Mund befall'n von Viren hart!
Doch was stört es den wahren Hirt
Was ihm aus Zahn und Haaren wird?

Oktupel-Schüttelreime sind zweifellos eine Leistung für sich.

Grüße,

Amy
Religion heute:
Ex oriente deus,
ex machina lux.

katakura

Zitat von: VerbOrg in 2006-12-11, 18:22:17
Zwar gescholtten ist's, doch nicht geriemen, Kollege katakura.

... erstens: na und? ... zweitens: wenn man mal ein ohr zudrückt, reimt sich's doch ;) ...

Zitat von: VerbOrg in 2006-12-11, 18:22:17
Zum Thema "gestorkene Verben" gab's auch schon mal gescholttenes. GEMA zurück zu Antwort 5.

... tatsalch! ... aber freichl ward es noch nie so deult erhoren wie in meinem verse! ;D
Toleranz ist vor allem die Erkenntnis, dass es keinen Sinn hat, sich aufzuregen. (Helmut Qualtinger)

Berthold

#73
Zitat von: AmelieZapf in 2006-12-11, 23:19:35
Hallo zusammen,

für Schüttelreim-Liebhaber empföhle ich die Lektüre des Büchleins "Von Traum-, Welt- und Worpswedereisen in Schüttelreimers Redeweisen" der verstorbenen "Königin des Schüttelreims", Erika Wendelken. Darin finden sich Perlen wie diese (aus dem Gedächtnis rezitoren, ohn' Gewehr für Rachgt):

Im Wartezimmer harrten wir,
Der Zahnarzt hieß uns warten hier,
Auch Tom mit dem verwirrten Haar,
der einer von den Hirten war.

Doch nach dem Extrahieren ward
sein Mund befall'n von Viren hart!
Doch was stört es den wahren Hirt
Was ihm aus Zahn und Haaren wird?

Oktupel-Schüttelreime sind zweifellos eine Leistung für sich.

Grüße,

Amy

Da denke ich mir: Warte, Hirn,
das sind nicht gar so harte Wirr'n:
Das Vieh memüss' der Hirte wahr'n,
dieweil wir unsrer Wirte harrn.
"Dein Scheißhaus klebt vom Harne, Wirt!
- nur, daß ich dich gleich warne, Hirt."*
"Wer hat das bloß getan hier? Wer?
Es schlucke, wer im Wahn hier, Teer!"
"Ist deine Heimat, Harter, Wien? -
Ich fahr, als Kutschenwarter, hin.
Bei Frau'n wähnst du, 'verwirrter Hahn'
zu sein, wie ich es, Hirt, erwahn."
"Ich zahle! - Doch Ihr irrt, Herr, Wahn
war nie mein Leiden. - Wirt, heran!"
Du bist ein armer Narr. Weh, Hirt!
Und du denkst, daß ich harr': Nee, Wirt!
Ich sag noch zu dem Wirrhaar, nett:
"Leb wohl, Mein Hirt, es war hier nett!"
                      *
Ein Rosenkranz am Zwirne: - hart.
Bitt Gott, daß er die Hirne wart'!

Oktupel-Schüttelreime, liebe Amy, sind nichts Besonderes. Ich glaube, daß hier vor allem das w ein Weiterwachsen behindert.

*Der Wirrkopf Thomas, der fast reinen Wein harnt,
braucht einen Spezi, der ihn vor Freund Hein warnt.
(Da fehlt dann aber je Zeile ein r.)

Agricola

#74
Es müsste zweifellos noch de[l]fingeoren werden, was eigentlich schütteln heißt. Der oktuple Quasselvers (quatior, quassus sum) von Amy hat immerhin den Vorteil, ein Schema vollkommen clean durchzudeieren, ohne "Rest". Das gefällt mir sehr gut. Bei Bertls Versen ist mir nicht ganz klar, wie weit die Konsonanten verdreht werden können, so dass auch nicht deutlich ist, wann das Schema wirklich erschupfen ist.

Ich habe einmal versucht, mit einem erweiterten Schema zu arbeiten, bei dem ein Doppelkonsonant gespalten werden kann und deshalb statt des Oktupels ein Sedezimpel (oder wie heißt das richtig?) möglich wird, welches ebenfalls ganz ausgeschupfen ist:

Die faulen Frauen zu Loh

Es saßen zu Tisch sieben Frau'n in Loh
die waren bisher ihrer Launen froh
nun war's ihren Mägen recht flau; 'nen roh
zu essenden (hört ich sie raunen) Floh
bekamen sie – das war der Frauen Lohn
für mäßige Arbeit und lauen Fron! –
so gab's für die Mägen, die flauen, roh'n
Parasiten, vor dem selbst die Rauen floh'n.
,,Doch zwei von uns sind schon geflohen!", raun-
ten alle mit ihrem vor'm Rohen flau'n
Gedärm, ,,Schand gescheh' eurer frohen Laun'
wir wönschen, euch gärben die Lohen, Frau'n!"
Und gewandt zu der einen gefloh'nen rau:
,,Zwar wurde dir, alte Baronin, flau,
doch auch du hast der Dienste gefronen lau,
du siehst bald, es wird sich nicht lohnen, Frau!"

durchdeklinieren, ich deiere clean durch, deor clean durch, deöre clean durch, clean durchdeoren (clean durchzudeieren)
The future lies in front of me,
but "lies" is all that I can see.