georg kreisler ist tot

Begonnen von katakura, 2011-11-23, 09:41:50

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amarillo

Traurig traurig, das mit Georg Kreisler, aber Ihr habt ja schon alles gesagt, waß zu sagen war.
Ludwig Hirsch ist nun auch tot, und das ist ebenso traurig.
Das Leben strebt mit Urgewalt nach Entstehung und Musik.

katakura

#16
Zitat von: amarillo in 2011-11-25, 05:57:04
... schon alles gesagt, waß zu sagen war.

... naja, meiner meinung nach noch zu wenig - oder eben doch schon zuviel ... aber eine eloge aus deiner feder kekünne der faden schon noch vertragen, finde ich :) ...
Toleranz ist vor allem die Erkenntnis, dass es keinen Sinn hat, sich aufzuregen. (Helmut Qualtinger)

Wortklauber

Ich war auch einmal ein großen Fan, aber ich war jetzt, als die Todesnachricht kam, geradezu überrascht, dass es den auch noch gab.
Kreisler war schon in den 70er Jahren ein sehr konservativer Satiriker, und dass manche Zeitungsnachrufe aus ihm nun einen politischen Künstler machen wollen, kann ich nicht nachvollziehen.
Sein subtiler Gebrauch z.B. von Musikzitaten aus der bürgerlichen Musikkultur (und kaum Bezüge zur nicht-bürgerlichen Gesellschaft) schafft dem konservativen Bürger trotz aller beißenden Kritik hauptsächlich Selbstbestätigung, denn nur, wer diese Anspielungen auch versteht, gehört dazu. (Siehe z.B. seinen Opernboogie, eine seiner besten Nummern!) Wenn er das nicht gewollt hat, war er doch mindestens ziemlich blauäugig. Ich glaube doch, dass er es gewollt hat, aber damit ist seine Gesellschaftskritik eben nur ein vorgehaltener Spiegel zum Zweck der Selbstreflexion unter der Prämisse des Fortbestands der bürgerlichen Kultur gewesen. Daher halte ich seine ,,Resignation" in ,,zu leise für mich" auch nur für gespielt.
Tatsächlich wurde er wohl von der Zeit infolge der 1968er Revolten überholt, und spätestens seit der Postmoderne war er nur noch ein Fossil aus einer ,,guten alten Zeit". Wäre er wirklich ein politischer Mensch gewesen, hätte er doch wohl auch in den letzten 30 Jahren noch etwas zu kritisieren gehabt.
Ich finde seinen alten Lieder immer noch toll, aber es ist doch auch etwas schade, wenn man von so einem Menschen so lange nichts Neues hört. Aber vielleicht täusche ich mich ja auch nur, weil ich es nicht kenne.

Hiatus

Nur weil so mancher nichts davon mitbekommen hat, heißt das nicht, dass Kreisler in den vergangenen dreißig Jahren nichts kritisiert hat. Und ihn mangels besserer Kenntnis seiner Arbeiten zum Fossil, gar zu einem eigentlich unpolitischen Menschen zu erklären, finde ich recht gewagt.

Aber wie es nach dem Tode von Künstlern halt oft ist, hat nun jeder etwas zu deuten, zu interpretieren, zu kritisieren oder zu loben. Alles, was zu Kreisler dieser Tage gesagt und geschrieben wurde, wird - wie (un)wahr oder (un)berechtigt auch immer - so stehenbleiben. Er selbst kann nicht mehr widersprechen, nichts mehr geraderücken. Die Wahrheit zwischen übergroßem Lob und herablassender Kritik liegt indes wohl, welch Binsenweisheit, in der Mitte.

Und genau betrachtet, ist all dies Gerede und Geschreibe über ihn mehr oder minder bedeutungslos. Wichtig ist nur, ob etwas von seinem Werk die Menschen über seinen Tod hinaus anspricht. Und wenn der eine die Chansons lediglich als harmlose, schwarzhumorige Pretiosen schätzt, die sich amüsant "weghören" lassen, der andere dahinter jedoch viel mehr erkennt (Gesellschaftskritisches und Politisches, das in vielen Fällen bis heute aktuell geblieben ist), so hat beides seine Berechtigung, wie ich meine. Dann hat Kreisler auf alle Fälle erreicht, was er wollte: dass ihm zugehört wird.

Gehört und gelesen werden sollte Kreisler auf alle Fälle, und ich hoffe, dass auch in zwanzig oder dreißig Jahren noch recht viele Leute etwas mit dem Werk des vermeintlichen "Fossils" anfangen können. In welcher der unvermeidlichen Schubladen Kreisler letzten Endes landet, weiß jetzt noch keiner. Auch die nicht, die ihm dieser Tage dieses oder eben jenes Etikett anpappen wollen.

Wortklauber

Zitat von: Hiatus in 2011-11-25, 14:05:33
Nur weil so mancher nichts davon mitbekommen hat, heißt das nicht, dass Kreisler in den vergangenen dreißig Jahren nichts kritisiert hat.

Nein, sicher nicht.
Aber was hat er denn kritisiert?

amarillo

Zitat von: katakura in 2011-11-25, 10:04:10
aber eine eloge aus deiner feder kekünne der faden schon noch vertragen, finde ich :) ...

Kommt, aber die muß dann für die ganze himmlische Bande herhalten:

Ich wünsche eine Wolke mir,
wo alle jene säßen,
bei Nektar, Wein und Schnaps und Bier,
die viel zu früh entschwanden hier,
und sich nun freu'n an Späßen.

Der Gernhardt blöldt mit Frankenfeld,
der Kreisler säng' für Lingen.
Den Bauch sich lachend Moser hält,
wenn Frinton über'n Tiger fällt
und dazu Engel singen.

Heinz Erhard rezitör Poeme,
daß Freudentränen kullern;
und Werner Finck, der stets Vornehme
macht alle ohne Haß und Häme
vor Laune sich bepullern.

Ich ahn' daß diese Wolke schwebt,
wo? will ich gar nicht wissen,
und daß auf dieser weiterlebt,
wer lebens ernstlich war bestrebt,
die Thalia zu küssen.

Und wenn dereinst der Faden reißt,
der erdens mich gebunden,
wär's schön, wenn man den Weg mir weist
zu jener Wolke, die verheißt:
auf ewig schöne Stunden.
Das Leben strebt mit Urgewalt nach Entstehung und Musik.

Wortklauber


katakura

#22
... warum gibt's denn hier keinen smiley, der applaudiert? ... naja, muss ich's eben selbst tun!

--> frenetischer beifall brandet durch das forum
Toleranz ist vor allem die Erkenntnis, dass es keinen Sinn hat, sich aufzuregen. (Helmut Qualtinger)

Berthold

#23
Zitat von: Ku in 2011-11-24, 22:45:00
Zitat von: katakura in 2011-11-24, 14:40:06
... ah, grundthema! ... is eh wurscht, da es ja außer dir und mir sowieso keinen hier interess zu ieren scheint, dass der kreisler tot ist ... leider ...

Dass der phantastische Kreisler nicht mehr lebt, interessiert mich schon, nur in diesem Faden scheint es ja weniger um Kreisler zu gehen, als um euch beide, leider ...

a) Ja, leider, lieber Ku. Aber plötzlich war ich da die Spitzweg-Figur, der Heilige Hieronymus mit Riesenzuckmücke und so was. Da muß ich doch was drauf schreiben. Hättest Du auch.

b) Zum Lodovico Cervo gibt's sogar echt einen persönlichen Bezug. Ich vermien namchl, in einer jener Zeitungen - die allesamt schon seit Jahren zumindest Georg-Kreisler-Gedenkartikel in den Laden (=Comperln) hatten - jenen Pavillon der Pulmologie (Hospital zu den frommen Wilhelminen) zu erkennen, wo ich, ganz in der Nähe, selber auch gelegen war, fast vierzehn Tage lang ohne rechtes Bewußtsein. Jetzt quätsch (von 'quatschen' & 'quetschen')  ich mir, weil ich Wortkläubers und Hiati Beiträge auch, brav, überflogen habe, sogar eine Art politische Aus- und Absage heraus (in Rachgt "Zweiklassenmedizin"*), die der liebe Ludwig Hirsch, im Nachhinein auf amarillos Wolke, sicher, augenzwinkernd, verstünde. Damals auf der Baumgartner Höhe, hätte ich mich selber, trotz übler neurologischer Breitseite, als Nicht-Klassepatient, gar nicht in die Tiefe stürzen können. Hätte mich da namchl gleich der Herr Branko Jurkovic (oder so; wir waren offenbar alphabetisch, vielleicht sogar in "slawisch" und "nichtslawisch-ösianisch" eingnätiel) am Schlafittchen gahamp, die Worte schreiend: "Doktor, sind Sie des Teufels?" Da sind sie namchl wie der Blitz, die Herren Jurkovic. Und raufen, meine Damen & Herren, das tut man in einem solchen Augenblick nicht, Seelengröße hin & her.
Na, böse genug?

*Ein Taxler, den ich ein paar Tage früher befrug, trat für jene ein - für die ich keineswegs bin; jetzt schon überhaupt nicht ...
     

Berthold

#24
Zitat von: Berthold in 2011-11-28, 10:24:00
Doktor, sind Sie des Teufels?     

Na, Heines "Seegespenst" gleich erkannt?
"Naklaaardoch!"
- - -
"Dann ist's ja gut."

Berthold

#25
Georg Kreislers ward im Forum in manchem Beitrag gedacht. Recht so!
Was aber ist mit dem Archäologen Professor Bernhard Neutsch?
http://hw.oeaw.ac.at/0xc1aa500d_0x00043044
Der wär's doch chwahrl wert, seiner zu gedenken.

"(...) Unvergessen sind jene tiefschürfenden Gespräche, die man mit ihm während langer Spaziergänge am Meeresstrand über das Verhältnis der Ionier zu den achäischen Kolonien führen konnte und in denen Bernhard Neutsch seine Ideen zu den Problemen des Hinterlandes ausbreitete. (...)"

Habt Ihr schon jemals Eure Ideen zu den Problemen des Hinterlandes ausgebritten? Und waren unsere Gespräche jemals tiefschürfend und unvergessen? 

katakura

#26
Zitat von: Berthold in 2012-02-28, 16:08:53
Georg Kreislers ward im Forum gedacht. Recht so!
Was aber ist mit dem Archäologen Professor Bernhard Neutsch?
http://hw.oeaw.ac.at/0xc1aa500d_0x00043044
Der wär's doch wert, seiner zu gedenken.

... hier? ... warum? ??? ... genausogut kekünne man dann hier doch auch dr. krakebuschs oder des regierungsrates gröber gedenken :D ... die haben mit kreisler mindestens genauso viel gemein wie prof. neutsch ...
Toleranz ist vor allem die Erkenntnis, dass es keinen Sinn hat, sich aufzuregen. (Helmut Qualtinger)

Berthold

#27
Bernhard NEUTSCH. Heda, katakura, NEUTSCH! Fällt Dir da gar nix auf?
Ich weise auch auf das Neutschartikel-Zitat oben hin.

Allentwegen brauch ich ja kein neues Thema zu beginnen.

katakura

Zitat von: Berthold in 2012-02-28, 16:25:23
Bernhard NEUTSCH. Heda, katakura, NEUTSCH! Fällt Dir da gar nix auf?

nöööö ;)
Toleranz ist vor allem die Erkenntnis, dass es keinen Sinn hat, sich aufzuregen. (Helmut Qualtinger)

Herr von Neutsch