Tmesis für Fortgeschrittene

Begonnen von Kilian, 2006-01-18, 21:07:02

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Bertl

Zitat von: Bertl in 2006-01-20, 11:51:34
P.P.P.: mus gëurn
Ihr Lieben!

P.P.P.: mus gëurn
(von mausern)
Da hättet Ihr vielleicht gedacht, daß es das schon wäre; oder? - Indes: Wir sind ja keine Rasselbande sprachlicher Nackerpatzln, sondern die (ich schreib sie nun wirklich an:) ,,Gesellschaft zur Stärkung der Verben". Was kann man denn mit einem ,,participium perfecti" machen? Wenn es als Attribut verwonden ist? - Nun? – Erraten, es deklinieren! Nach Numerus, Casus und Genus. In unserem Falle geht das selbst dann, wenn es Teil eines Prädikates ist. Vor allem in den Pseudikeln, da spielt es sich ab! - Ezilopp wies - zu Recht! - auf die wundersamen Partizipien slawischer Sprachen hin. Neben den uns vertrauten/vertroënen gibt es da noch das ,,participium praesentis passivi" und das ,,p. perfecti activi". Vielleicht möchte er lesen, was nun kommen wird. Ich schreib es diesmal im Indikativ, nicht im Konjunktiv2:

Ein Mann, der früher von sich sug: ,,Ich habe mich [fein] gemausert" – sagt nun:
,,Ich habe mich [fein] mus gëurn." (NB: Wohin man wohl das ,,heraus" von "(sich) herausmausern" stölle? Wie damit umzugehen wäre? Heraus mus gëurn? mus heraus gëurn? -  heraums us gëurn? - herau smus gëurn? - ?)
Ein Frau sagt von sich jedenfalls – das wird nun schöner männlicher Anti-Sexismus; Apfelmus gegenüber einer Tochter des Zeus und der Mnemosyne!! -; sie sagt nämlich:
,,Ich habe mich muse gëurn."
Bei ,,du" gilt das analog.
Sie folgt natürlich dem weiblichen; er und es folgen dem männlichen/sächlichen Schema.
Im Plural sagen wir:
,,Wir haben uns müser gëurn" – wenn wir nur Männer oder mehr Männer als Frauen sind.
,,Wir haben uns musen gëurn" sagen wir, wenn wir nur Frauen oder mehr Männer als Frauen sind.
Von ,,ihr" und ,,sie" gilt das analog.

Leicht ist's auch beim Attribut: Masculinum: Ein frisch gemauserter Hahn ist nun ,,Ein frisch mus gëurner Hahn." [Bzw.: Der frisch mus gëurne Hahn]  
Sg.: Gen.: des/eines (frisch) muses gëurnen Hahnes // Dat.: dem muse/mus gëurnen Hahn // Akk.: den mus gëurnen Hahn
Pl.: N.: die müser gëurnen Hähne // A.: gleich // G.: nur im Artikel unterschieden // D.: den müsern gëurnen Hähnen

Femininum: Sg.: die/eine (frisch) muse gëurne Henne, etc.
Pl.: die musen gëurnen Hennen, etc.

Neutrum: Sg.: das mus gëurne Sperberpaar, etc.
Pl.: die müser gëurnen Sperberpaare, etc.

Das wär's denn nun aber wirklich, dächtet ihr vielleicht nun. Das stimmt wieder nicht, denn bei sehr zarten, kleinen, jungen Wesen (kleinen Kindern, Spätzlein, Nachtigallen, Spottdrosseln ...), da gibt's auch noch den
Diminutiv! Und der wird nett; er ist geschlechtlich noch nicht differenzoren:
Singular: das mü[e]sli gëurne Goldhähnchen
Plural: die mü[e]slis gëurnen Goldhähnchen
Bitte, eine bessere Mehrzahl als die mit Plural-,,s" ließe sich vielleicht noch finden.

Ganz, gaanz herzlich!
Der Bertl

P.S. zu ,,(sich) mausern": Ich hielte es für möglich, daß es, statt ,,Ich er maus" (Ind., Sg., gleich für Männer und Frauen) eine feministische Form geben kekünne: ,,Ich er mäusin." (Pl.: ,,Wir ern Mäusinnen.") Männer hätten dann zu sagen: ,,Ich er mauser." (Pl.: ,,Wir ern mauser" – oder ,,  W. e. mäuser."

Bertl

mäusinnen, statt "Mäusinnen"

Bertl

Zitat von: Bertl in 2006-01-22, 00:44:09
Männer hätten dann zu sagen: ,,Ich er mauser." (Pl.: ,,Wir ern mauser" – oder ,,  W. e. mäuser."
Ihr Lieben!

A) Kleiner Nachtrag: Ein M. kekünne natürlich auch sagen: ,,Ich er mäuserich." – Plural: ,,Wir ern mäuseriche."

B) Ausgeronchen das Wort ,,mausern" bietet noch mehr Mögleiche! Noch tiefer kratzen wir scheinbar am Irrwitz – aber laßt mich die Sache streng weiterverfolgen.
Wir sprachen einmal über die modifizierenden Substantiv-Endungen romanischer Sprachen – Ande, durch die Hauptwörter lieber, zarter oder auch gröber und böser zu machen sind.
Bei meinem Beispielwort ließen sich, in etwas ähnlicher Weise, mittels der Pseudikeln Satzinhalte nach ihrem Gefühlsgehalt abtönen. Dies gilt ganz überwiegend für das Praesens, für Handlungen, die soeben ablaufen, seltsamerweise aber sogar für den Infinitiv. Hierzu ist auch ein Weniges an grammatikalischer Terminologie nicht schlecht.

Zwei Hauptfälle (und ein bitterer Zusatz) sind zu unterscheiden:

A) Eine negative Abtönung des Verbs. Hierfür unterliegen die Pseudikeln der sogenannten ,,amplificatio saeva", der boshaften, tobenden, wütenden Erweiterung/Erwiert.
Ein Mustersatz sagt mehr als trockene Erklüre:
,,Früher war Jens Philipp so ein zuvorkommender junger Mann, aber in jüngster Zeit irt er sich immer mehr zu einem unguten Ma[ts]cho und Brutalo mausebock."
Die Pseudikeln beziehen sich auch in der 2. und 3. Person Singular auf die Grundform ,,maus" – und nicht auf ,,meise". Folgende Amplifikationen, pardon, Impflaufeiche, seien angefohren – in Singular (mause-) und Plural (mäuse-): mausebock, mäuseböcke // m.dreck, -er // m.falle, -n // m.fraß, m.-fräßer // m.jagd, -en // m.gift, -e // m.plage, -en

Wie oben bereits gestriffen, kann sogar der Infinitiv so abgeornden werden. Den Vorgang bezeichnet man als ,,occupatio [= Besetzung, Einnahme] infinitivi".
Beispielssatz:
,,Früher war sie eine Glückspilzin, aber Ferdl Joschi kennenlernen und sich zu einer Pechvög[e]lin mausedreck zu ern war eins."

B) Eine positive Abtönung, pardon, Auftönung des Verbs. Die Pseudikeln werden mittels ,,amplificatio blanda", der schmeichelnden, liebkosenden Erwiert, gestrielchen.
,,Ludwig Eberhard irt sich zu so einem lieben Buben mäuslein/meislein!"
,,Mein liebes Kanarienvogerl irt seine Schwungfedern meiserl."
Pseudikeln: mäuschen, meischen (Sg. wie Pl.) // mäuslein, meislein // mauserl, meiserl; Pl.: mäuserln, meiserln // mausi, meisi, -is // mausebutz, mäusebützer ...
Diese Pseudikeln enthalten freilich manchmal mehr als eine Prise Ironie.

Falls eine [positive] Auftönung den Infinitiv ergreift, heißt der Vorgang ,,exornatio [= Verzierung/Verzar, das Verzieren] infinitivi"
,,Ob es dem einstigen Trotzkopf wirklich im Leben helfen wird, sich nun zu einem lieben Kind mauserl zu ern?"

-

Es gibt noch eine traurige, eiskalte, endgültige Form:
[C)]
Diese Abtönung der Pseudikel nennt sich ,,amplificatio letifera", die den Tod bringende, tödliche Erwiert. Beispiele:
,,Ach, diese toten Krähen! Keine von ihnen irt je mehr mausetot!" Hier verhält sich die Pseudikel (im Präsens) wie ein Adjektiv, ist aber unveränderlich.
Natürlich ist auch eine Verarnd des Infinitivs möglich. Der Vorgang in diesem Fall ,,expugnatio [= Eroberung/Erarb, Erstürmung/Ersturm, Überwindung/Überwand] infinitivi"
Ein Beispielssatz am Ende wird uns überraschend zur Konjugation eines weiteren Verbs führen. Der Satz klingt ein wenig nach Ernst Jandl:
,,Als der Vogel mausoleum irt, (Bedeutet natürlich: zum letzten Male mausert)
errt er reif."
Sicher, ,,mausoleum" war ein bitterer Witz, das ,,errt er reif" aber kommt von ,,erfrieren"; ,,reif" (vgl. Rau[h]reif) wird als unveränderliche Pseudikel aus dem Verb herausgesalmmen, während ,,errt" (der Rest des Verbs) das Zittern im Frost ausdrückt.
Die Konjugation von ,,erfrieren" ist dann sehr leicht:
errt reif – orr reif – örre reif – [Imp., 2. P., Sg.:] err[e] reif! (etwa als Schimpf oder Fluch) - reif gëurrn.

Das Ende paßt zur derzeit furchtbaren Kälte in Wien.


Bertl

Zitat von: Bertl in 2006-01-23, 12:07:09
Der Vorgang in diesem Fall ,,expugnatio [= Eroberung/Erarb, Erstürmung/Ersturm, Überwindung/Überwand] infinitivi"
Der Vorgang heißt...

Bertl

Zitat von: Bertl in 2006-01-22, 00:44:09
(Pl.: ,,Wir ern mauser" – oder ,,  W. e. mäuser."
)

"Ein Mann kann natürlich auch sagen..."

Bertl


Bertl

Zitat von: Bertl in 2006-01-23, 12:07:09
(...)
Die Konjugation von ,,erfrieren" ist dann sehr leicht:
errt reif – orr reif – örre reif – [Imp., 2. P., Sg.:] err[e] reif! (etwa als Schimpf oder Fluch) - reif gëurrn.
(...)
Ich bezienche ein solches Paradigma, wo aus einem Verb eine Pseudikel (veränderlich oder unveränderlich) herausgesochen wird, die die Aussage des Verbs vertieft, als Konjugation mit "electio pseudiculae/-larum". (Obwohl Zoologe, vermeide ich dagegen, wo es geht, "selectio" - den Ausdruck "Selektion".) Dem Gehalt des Verbs nach ist die Pseudikel "reif" bei "erfrieren" natürlich unveränderlich.


Bertl

Zitat von: Bertl in 2006-01-24, 11:58:54
(...) eine Pseudikel (veränderlich oder unveränderlich) herausgesochen wird, (...)
Besser als "herausgesochen" ist wahrscheinlich "ausgewohlen". Doch selbst "zusammengesulmmen" wäre möglich (was aber eher eine "collectio" wäre).
Die Pseudikel steht jedenfalls vorher noch nicht in der richtigen Buchstabenfolge im Verb. Der "Verbrest" sesölle nach Abtrennung der Pseudikel nur noch Buchstaben beinhalten, die übriggeblieben sind (oder sich dann durch die Abwandlung ergeben), und keine Zusätze.

Fleischers Karsten

#38
Mal sehen, lieber Bertl, ob ich das begriffen habe.

Durch die Heraustrann verschieden lautender Pseudikeln lassen sich auch evtl. Doppeldäute vermeiden, bzw. bestimmte Däute oder Begrelffsnuancen hervorheben. Ich betrachte das Verb begreifen:

1) begreifen im Sinne von anfassen, betatschen. In diesem Fall böte sich an, gier als  Pseudikel herauszutrennen.
befet gier – baf gier – bäfe gier – befe gier! – gier befogen

2a) begreifen im Sinne von kapieren. Ein Lern- und Reifeprozess ist im Gange. Also wird reif herausgetronnen.
beget reif – bag reif – bäge reif – bege reif! – reif gebagen

2b) Wird eine große Menge an Tatsachen auf einmal kaporen, so kekünne man auch berg als Pseudikel verwenden.
eift berg – iff berg - iffe berg – eife berg! – berg gëiffen

In obigen Konjugutzen ward das Pseudikel als unverändarl angesehen.

Iert man auch das Pseudikel konjug, kann man dem ganzen weselnt mehr Dynamik verleihen:

1) Bäfe er ihre Brüste gäre, ich hiebe ihm die Kartoffel vom Hals!

2a) Dann – endlich –, kurz vorm Einschlafen, bag er riff, welch bahnbrechende Entdack er gemochen hatte.

2b) Es war nahezu beängstigend, in welcher Geschwindik der Junge den Inhalt des Buches geborgen gëiffen hatte – und das, obwohl er kaum des Lesens macht war!

Nicht ganz unkomplizoren, diese anagraphische Tmesis.
Karsten

amarillo

Aber wenn Du sie erklärst, kann man sich zumindest auch als Nichttmetiker ein rundes Bild machen. :D
Das Leben strebt mit Urgewalt nach Entstehung und Musik.

Fleischers Karsten

Zitat von: amarillo in 2006-01-24, 17:53:58
Aber wenn Du sie erklärst, kann man sich zumindest auch als Nichttmetiker ein rundes Bild machen. :D

Haste den Bertl etwa nicht verstanden?
Karsten

amarillo

Das wollte er doch auch gar nicht. 8)
Das Leben strebt mit Urgewalt nach Entstehung und Musik.

Bertl

Zitat von: amarillo in 2006-01-24, 18:00:10
Das wollte er doch auch gar nicht. 8)
Ich wähne mich ja auch ein wenig in die "Tmesis" gestoßen, nicht zuletzt vom Erfinder der "P4"-Konjugation, unserem lieben Karsten. Nicht erklären, überschlafen oder ein wenig über einem Wort brüten wäre hier der Weg.

Ich will im täglichen Leben aber schon, daß mich die Leute verstehen. Bin, denke ich, sogar als verständlicher Vortragender bekannt. - Oder meinst Du, letztens (19. 1.) bei meinem Zuckmücken-Kursnachmittag im Biozentrum, wären nach einem Vorlesungsschluß von 17 Uhr um viertel Sieben (pardon, Viertel nach Sechs) noch unermüdliche StuderntInnen dagesessen und hätten sich die Viecherln hineingezogen, hätte ich denen vorher nur grauslich- krausen, unverständlichen Stuß präsentoren. Und viel leichter als die Tmesis deutscher Verben sind Zuckmücken auch wieder nicht - glaub mir's. Obwohl sich die meisten im Wasser entwickeln als staubtrocken verschrieen. (2 e-s?)
 
Na gut, ich räume ein, hier im Forum soll schon zwischendurch auch aberwitzige Pseudowissenschaft blühen, weniger verständlich als - hoffentlich - poetisch; und die übertriebenen Terminologien gegenwärtigen wassenschuftlen Jargons sollen aufs Korn genommen werden. Das auf jeden Fall! Du würdest staunen - Ja, ich will wieder einmal "würde" verwenden! -, bekämest Du manchen Pfappleich unserer Uni zu lesen.
Ein wenig anders ist's bisweilen mit dem "Saientifik Inglisch"! Meist Phrase für Phrase aus dem Diktschaneri. Nur schweigt das bei etlichen Ausdrücken. Drum fliegen zwischendurch Fragen und Antworten durch den Raum: "Was heißt eigentlich Flußverbau?" "Warte, ja, ich denk, river constraktschn!" Na- und 'Ökologisches Leitbild'? - ..."
Zusammenfassung: Wenn das dann schon ich verstehe, kann's ja fast nur falsch und halbes Österreichisch sein.

Bertl


Günter Gans

Zitat von: amarillo in 2006-01-24, 17:53:58... ein rundes Bild machen. :D

Offenbar wieder ein Fall von kugelrecht.
Gehen Sie immer in den Wald zur Paarung? (Loriot)