Lob + Vorschlag

Begonnen von amarillo, 2004-12-06, 14:06:57

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amarillo

Ich muß einmal etwas Löbliches loswerden: bin erst seit kurzer Zeit Miglied in dieser Gesellschft, habe aber schon einigen Unsinn verzopfen. Ich danke allen hier, daß ich bislang nicht für meine Verwendung des "ß" gerülft wurde, ja, daß offenbar niemand Anstoß an der Schreibweise der anderen Teilnehmer nahm.

Der Diskussion um neue/alte Rechtschreibung überdrüssig, habe ich an irgend einem Punkt beschlossen, daß ich alles so weiterverwende, wie ich es als Kind gelornen habe.

Wenn ich nun gaaaaanz vorsichtig um die Erwägung einer Stärkung der Stellung des "ß" nachfrüge, schlügen Wellen der Empörung über mir zusammen? Wäre es dann besser für mich, beschleungt den Hut zu nehmen, oder gibt es auch Andere, welche diesem (meiner unmaßgeblichen Meinung nach) wunderschönen Buchstaben eine ehrenvollere Stellung in unserer Sprache einzuräumen bereit wären?

Das Leben strebt mit Urgewalt nach Entstehung und Musik.

mal sehen

Ließe ich hier Haßsprüche (Hasssprüche :()  zur neuen Rechtschreibung los so wie mir der Schnabel gewachsen ist, bekäme ich Hausverbot. Drum laß ich's.

Du hast so recht!
Habe nun, ach! ... Aber ich arbeite daran.

amarillo

Und was wird nun aus dem armen "ß"? Wollen wir versuchen, es über das in der alten (korrekten) Rechtschreibung übliche Maß hinaus zu stärken?

Mein Vorschlag: relatives "waß" gehöre von nun an ebenso geschrieben.
Ich weiß nicht, waß Ihr dazu sagt...
Bitte nicht hauen!
Das Leben strebt mit Urgewalt nach Entstehung und Musik.

Kilian

#3
Seit der neu entbrannten Debatte um die Rechtschreibung in diesem Jahr, seit das Chaos aus Befürwortung, Gegnerschaft und Kompromissvorschlägen zur neuen Rechtschreibung nie gekannte Ausmaße angenommen hat, seit Blöd, Spiegel und Konsorten sich, von Populismus und Sommerloch umnebelt, berufen fühlten, Schluß mit der Reform zu machen, sehe ich in orthografischen Fragen so klar wie nie. Ich schreibe, wie ich es für sinnvoll halte.

Zu dem, was ich für sinnvoll halte, gehört auch die Grundregel: ß nach langen, ss nach kurzen Vokalen. Sinnvoll, weil schön, praktisch, einfach, ausspracheorientiert und auch für Deppen erlernbar. Für eine "Wiedererstarkung des ß", wie ihr sie vorschlagt, wird die GSV daher nicht zu haben sein. Wohl aber werden wir geharnischte Statements gegen die gänzliche ß-Abschaffung, wie in der Schweiz seit langem vorgenommen, abliefern, wann immer wir um eine diesbezügliche Meinungsäußerung gebeten werden. :-)

In diesem Zusammenhang will ich noch kurz die Leute kritisieren, die sich die Umlautdomains ausgedacht haben. Was, bitteschön, haben die sich dabei gedacht, zwar ä, ö, und ü, aber nicht das ß zuzulassen? Wird dadurch nicht der Respekt, der dadurch den kulturellen Eigenarten der Deutschsprachigen und ihrer Zunge zuteil werden sollte, auf das Fieseste unterhöhlt? Und wer will eine Domain wie heizölrückstossabdämpfung.de haben? Das ist doch inkonsequent!

Meine persönliche Meinung zu Hasssprüchen, Stofffetzen und dergleichen: Da stoßen nun mal durch Zusammensetzung drei gleiche Buchstaben aufeinander, so what? Ist doch logisch so, warum sollte man sie in einem zusätzlichen Arbeitsgang zu zweien zusammendampfen? Drei empfinde ich auch als besser für die Lesbarkeit, denn sie signalisieren auch bei unübersichtlichen Zusammensetzungen sofort: Aha, hier ist eine Wortbestandteilsgrenze!

Harald Martensteins Haltung zu dem Thema ist wahrscheinlich die beste. Damit auch die ß-Förderer auf ihre Kosten kommen, sei auch auf "Wir Deutschen lieben unser ß" hingewiesen.

Weder Wellen der Empörung noch Hausverbote sind bei uns zu fürchten - wir sind doch ein ganz liberaler Laden hier... :-)

amarillo

Es ist just diese Verernstung des Tonfalls, die ich vermeiden wollte. Ich kann, will und werde in diesem Leben nicht noch ein einziges Mal Stellung zur Rechtschreibung beziehen. Es sind alle Argumente getauscht!

Ich bitte alle Mitglieder und Gäste um Entschuldigung für meinen albernen Vorstoß.
Das Leben strebt mit Urgewalt nach Entstehung und Musik.

gehabt gehabt

Letztes Jahr habe ich mir einen Hund zugelegt,
in der Hoffnung, wenigstens einer in der Familie
wuerde auf mich hoeren. Inzwischen macht der Hund mit uns, was
er will -jedenfall hoert er nur, wenn's Futter gibt. Er hat ein Mehrfaches seines Wertes an Schuhen angenagt und
buddelt uns die Pflanzen im Garten aus. Trotzdem mag ich
ihn. Ich verstehe also Amarillon und falle auch nicht ueber ihn her.
Das finde ich das Lobenswerte an der GSV, dass der
Tonfall bei allen Meinungsverschiedenheiten meist zivilisiert bleibt.

Fuer mich selbst ist das sz eigentlich kein Buchstabe
sondern nur eine Ligatur aus einem end -s und einem Mitten-s.
Dieses Mitten-s gibt es in der Frakturschrift und sieht aus wie ein missratenes f. Inzwischen wird es meist faelschlicherweise durch ein
end -s ersotzen, damit der der Fraktur unkundige Leser nicht
denkt er traenke Oftfriefentee. Fuer Freunde des
sz waere es also logisch auch in der normalen
Druckschrift ein Mittel-s wieder einzufuehren?

Ich stimme meinen Vorpostern bei, dass es sich eigentlich
nicht lohnt, sich diesem Forum  bei der Ortografie aufzuhalten:
Es gilt das gesprochene Wort.

Da ich in Spanien lebe, fehlen das sz und die Umlaute
auf meiner Tastatur.  Es gibt zwar Tricks in Windows, sie doch
auszudrucken. Aber die Wahrscheinlichkeit ist gross, dass
diese Symbole bei der Uebertrageung verstuemmelt werden.

amarillo

Pobre España que no tenga ni ß ni ä ni ü ni ö,
pero os quedan ñes como señales característicos. Yo a los alemanes, ¿ no les quedará nada?
Das Leben strebt mit Urgewalt nach Entstehung und Musik.

gehabt gehabt

Stimmt! Im Spanischen ist die Ortografie recht einfach. Der Spanier
schreibt z.B. ritmo fuer Rhythmus oder catedral fuer Kathedrale,
ohne dass dort das Abendland unterginge, denn das Spanische ist mindestens
ebenso ehrwuerdig wie das Deutsche auch.  Das ~n gibt es im Deutschen in aehnlicher Form auch. urspruenglich bedeutete es naemlich eine Verdopplung des n. Ich habe das im Deustchen auch gelegentlich gesehen, dass man statt eines Doppel-m ein m mit einem Balken darueber schrieb.

Da der Spanier fast so schreibt wie er spricht, verschwendet er wenig
Gehirnschmalz auf das Erlernen der rechten Schreibweise und kann sich ganz
den Feinheiten der Grammatik widmen. Und was man hier im Spanischen zu hoeren bekommt ist herzerfreuend. Jeder Landarbeiter ohne Schulabschluss, jeder Kellner,
jeder Lastwagenfahrer benutzt die ungefaehr drei verschiedenen Arten des Konjunktivs, die es pro Tempus gibt, ohne grobe Fehler zu machen. Der Tempi
gibt es eine ganze Menge: neben der Gegenwart und dem Futur und Futur II
gibt es ein Praeteritum, zwei Arten von Perfekt, zwei Arten von Plusquamperfekt
und die jeweiligen Verlaufsformen.  Auch der ungebildete Spanier benutzt diese
tempi instinktsicher. Es gibt eine ueberschaubare Anzahl von
unregelmaessigen Verben, die aber ohne Schwierigkeiten von fast Allen konjugoren
werden.

Ein weitere Indiz dafuer, dass es an der anscheinend exzessiv komplexen
Ortografie des Deutschen liegt, dass auch die ungebildetsten Spanier ihre Sprache offenbar besser meistern als viele gebueldete Deutsche, ist vielleicht das Englische.
Hier ist die Ortografie abartig komplex und unlogisch (in Amerika verbringen sie die ersten vier Schuljahre im Sprachunterricht im Wesentlichen mit Rechtschreibung),
die Grammatik ist hingegen vergleichsweise simpel (wenig Konjugations und Deklinationsformen, rudimentaerer Konjunktiv).

gehabt gehabt

Zitat von: amarillo in 2004-12-07, 11:33:00
Pobre España que no tenga ni ß ni ä ni ü ni ö,
pero os quedan ñes como señales característicos. Yo a los alemanes, ¿ no les quedará nada?

Zumindest mit einem ü kann das Spanische aufwarten:

antigüedades (Antiquitaeten) weden mit ü-Tüpfelchen versehen, damit
man es nicht antigedades ausspricht

mal sehen

Das sind dann aber keine "ü"-Tüpfelchen, das ist ein Trema.

*besserwiss*  ;)

mal sehen
Habe nun, ach! ... Aber ich arbeite daran.

Kasparle

Zu Antwort #7 wollte ich nur sagen, dass die Deutschen stolz sein sollten, in der Schule Rechtschreibung lernen zu dürfen, denn obwohl sie es deshalb in der Schule warscheinlich schwerer haben als die Spanier, so haben sie dadurch doch einen klaren Vorteil vor zum Beispiel den Schweden, die in der Schule weder Rechtschreibung noch Grammatik der eigenen Sprache vernünftig lernen und deren spätere textliche Erzeugnisse infolge dieser Tatsache oftmals unleserllich sind. Beispielsweise kann man hier (in Schweden) oft nicht zwischen einer Krankenschwester und einer kranken Schwester unterscheiden.  :'(

amarillo

Jede "Vereinfachung" ist ein weiterer Schritt in die Verblödung.

Vielen Dank, Kasparle!
Das Leben strebt mit Urgewalt nach Entstehung und Musik.

Arnymenos

Fuer "Tempi" (siehe irgendwo da oben im Thread) konnte sich unser Englischlehrer nur dadurch entschuldigen, dass er ja auch Musiklehrer war.

Fehlerquelle sind die boesen lateinischen Woerter auf -us, die nicht o-Deklination sind. Tempus, PL. Tempora. Im Italienischen vereinfacht zu tempo, PL. ganz regelmaessig tempi.

Und wer ist schuld? Der unverstaendliche Hang der Deutschen zur Uebernahme fremder Formenbildungen.

gehabt gehabt

Tempora ist ja auch fremd, jedenfalls fremder als Tempi, was sich so aehnlich anhoert wie Scampi oder Gnocchi. Wer sich aufregt, dass wir englische oder italienische Formen uebernehmen, darf auch nicht Tempora oder Kommata sagen.

Dem Himmel sei's getrommelt und gepfiffen, hat man sich vor ca 200 Jahren getraut viele fremde Woerter einzudeutschen. Das ist eine feine Sache, denn was ein Menschenfresser ist oder ein Kopffuessler ist klar. So aber muss meine Tochter in Geografie, Biologie etc. die im Spanischen bedeutungslos erscheinenden Woerter antropofago, cefalopodo wie Vokabeln pauken.

Nichts gegegn ein bisschen Bildung. Aber es ist ja auch jedem Deutschen unbenommen "Anthropophagen" zu strunzen, obwohls auch einfacher geht.

Kilian

Aus Anthropophagen Menschenfresser zu machen würde ich aber eher als Verdeutschung bezeichnen. Unter Eindeutschungen verstehe ich so etwas wie fenestra -> Fenster oder magister -> Meister.

Was so leicht verständliche Bildungen wie Menschenfresser angeht, ist das Deutsche durch seine großen Zusammensetzungsmöglichkeiten anderen Sprachen gegenüber natürlich sehr bevorzugt. Allerdings stößt auch hier das Ideal der "sprechenden Wörter" schnell an seine Grenzen - Wörter sind nun einmal arbiträre Zeichen, die man wie Vokabeln lernen muss, niemals nur in den Fremdsprachen, sondern auch in den Wissenschaften, in allen Lebensbereichen. In Ludwig Reiners' Stilkunst las ich jüngst, Karl Christian Friedrich Krause habe z.B. Justiz durch Orom-Wesen-Freilebbedingtheit ersetzen wollen. Kein Kommentar.