Einsilbigkeit

Begonnen von Fleischers Karsten, 2006-06-14, 22:28:08

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Agricola

#45
Zitat von: VerbOrg in 2006-06-17, 20:49:24
"Ich esse morgen M/mittag" ist ein ganz normaler Satz, den man sehr wohl hin und wieder zu hören bekommt.

Ich habe beispielsweise eine Kollegin, die selten dabei ertappt wird, wie sie etwas isst. Manchmal isst sie am Arbeitsplatz zwischendurch ein halbes Brötchen über den Tag verteilt, manchmal aber auch gar nichts. (Essen ist 'ne Qual.) Nun wird beschlossen, dass sich der Rentenabschnitt am folgenden Tag was vom Chinesen holt. Da man nicht so recht weiß, ob die Kollegin mitzieht, fragt man sie, ob sie sich anschließt.
Halb widerwillig nuschelt sie dann: "Ja, ich esse morgen mittag."
OK, in unserem Dorf gibt's solche Kolleginnen nicht, aber in diesem Fall ist ja auch egal, ob sie mit "mittag" die Tageszeit oder die Mahlzeit gemeint hat, es bedeutet das gleiche.
Zitat von: VerbOrg in 2006-06-17, 20:49:24
Eine andere Kollegin geht ganz selten in die Kantine oder wohin auch immer essen, sondern bringt sich ihr Brot mit und mampft es am Arbeitsplatz. Nun wird diese gefragt, ob sie am folgenden Tag mitgehen will zum Thai um die Ecke. Sie beschließt, sich dann kein Brot mitzunehmen und sagt: "Ja, ich esse morgen Mittag." - also eine richtige warme Mittagsmahlzeit.
Das ist dann aber eine regionale Besonderheit Eurer Stadt. In unserem Dorf sage ich "ich gehe jetzt Mittag essen" (oder sage ich "mittagessen"?), setze mich dann in unseren Gemeinschaftraum und packe die beiden Brote aus, die meine Frau mir eingepackt hat. Im übrigen ist das nicht selten mein Frühstück, wenn ich nämlich wie jetzt gerade um relativ morgendliche Zeiten noch am Computer gesessen habe. Guten Morgen!
The future lies in front of me,
but "lies" is all that I can see.

Agricola

Zitat von: VerbOrg in 2006-06-17, 20:49:24
Gut, wie du meinst.
Aber dann erklär du mir mal bitte, welches Adjektiv du bei meinem (parallel zu deinem geboldenen) Beispiel mit der Größe groß schriebest?
Keines, warum sollte ich eines groß schreiben?

Im übrigen musst du mich nur nicht so verstehen, dass ich Deine Rechtschreibevariante für schlechter als die NR hielte. Ich zweifle nur daran, ob sie besser ist, und so frage ich in sokratischer Manier, bis wir vielleicht irgendwann einmal im Brustton der Überzeugung sagen können: "Wir wissen, dass wir nichts wissen."
The future lies in front of me,
but "lies" is all that I can see.

amarillo

Darf ich Euch noch einmal meines Grundgedankens erinnern:

Präpositionale Anschlüsse dahingehend überprüfen, ob sich nicht vielleicht eine hübsche flektorene Form anböte, die Präposition zu umgehen. Muß ja nicht in jedem Fall klappen, und nichts muß auf Biegen und Brechen durchgezogen werden.
Beim Instrumentalis war das doch schon ganz famos geglocken. Und den Ablativ (als Parallelform) fand ich auch klasse.

Waß reibt Ihr Euch jetzt an Groß- oder Kleinschrieb?

Waß reibt Ihr Euch jetzt Groß- oder Kleinschriebs?

Morgen iere ich de Comput/C(c)omputers weiter mit Euch kommuniz.
Das Leben strebt mit Urgewalt nach Entstehung und Musik.

eine_Naivitaet

#48
Also ich stehe der Ablativbald ( de Schnur) zunächst skeptisch gegenüber, auch wenn ich die Idee an sich gut finde.
Ablative fallen aber zumeist durch ihre vokale And auf, weshalb ich

Der Hammer
des Hammers
dem Hammer
den Hammer
de Hamme

Die Schnur
der Schnur
der Schnur
die Schnur
de Schnu

Das Pferd
des Pferdes
dem Pferde
das Pferd
de Pfe (oder de Pferde)

schlüge vor.

Man müsste nun auch überlegen, wie andere Ablative gebolden werden sesöllten, da ja bisher nur der Instrumentale gevorschlagen ist.
Da, wie ja erwahnen ward, der Artikel im Deutschen ein wichtiger Bestandteil ist, muss aufgepassen werden, dass er nicht zur Präposition verkommt.
Es ist also auch möglich zu sagen:

Ich schlage den Nagel de Hamme in die Wand.
Ich schlage den Nagel mit de Hamme in die Wand.

oder:

Er ist größer als de Rega / Er ist größer de Rega. (Abl. comparationis)

Der Ablativ erlübe also eine Verkurz des Satzes - bei den Varianten mit Präpositionen steht er in Konka mit den "normalen" Balden (in Konka de normale Balde) - man kekönnte den verkorzenen Ablativ als besonders eloborierte Schriftsprache einführen.


Agricola

Der Ablativus separationis wäre sicher auch noch brauchbar. Ebenso der Accusativus directionis:
Er fuhr de Fahrrade de Hause den Kindergarten.
The future lies in front of me,
but "lies" is all that I can see.

eine_Naivitaet

#50
Ich glaube, das letzte Wort bezgl. des Plurals ist noch nicht gefallen, oder?
Ich finde, dass durch den Artikel der Plural zum Ausdruck kommen memüsse. Dass die Flexion  wie im Lateinischen mit dem Dativ übereinstimmen sesölle, finde ich gut
also wie wäre es so:

Die Schnur
der Schnur
der Schnur
die Schnur
de Schnu

Die Schnüre
der Schnüre
den Schnüren
die Schnüre
di Schnüren

::)


Ich knott die Stücke di Schnüren zusammen (schriftspr.)
Ich knott die Stücke mit di Schnüren zusammen (ugs.)
Ich knott die Stücke mit den Schnüren zusammen (ugs.)
Ich knott die Stücke schnürs zusammen. (schriftspr./ugs.)

Gibt es denn auch einen Plural zu schnürs??

Ich knott die Stücke schnürens zusammen.  ???

eine_Naivitaet

Zu dem morgens/mittags/abends-Diskuss wäre übrigens zur Erliecht auch der Ablativus Temporis zu benutzen, bei dem dann auch differenzoren werden kann z.B. zwischen dem "heutigen Morgen"  und generellen Morgenden:

Ich aß de Morge nicht viel. Normalerweise esse ich di Morgen viel mehr.  :)



amarillo

Ich knott die Stücke schnürs zusammen. (schriftspr./ugs.)

Gibt es denn auch einen Plural zu schnürs??


Klar, Schnürer, hatte ich weiter oben zumindest vorgeschlagen. Die Form gefiel mir, weil sie das 'er' des weiblichen bestimmten Artikels im Genitiv Plural aufgreift.
--> Ich knott die Stücke Schnürer zusammen.
Das Leben strebt mit Urgewalt nach Entstehung und Musik.

Agricola

#53
Zitat von: caru in 2006-06-17, 17:29:58
das kommt alles drauf an. wie schreibt ihr "nachts", "tags", "sommers" und "winters"? danach sollten sich meiner erucht auch hammers und kleinschriebs osten1.





1osten: eingedütschen für orientieren
Zum Thema Eindeutschen von Orienturen fand ich gerade folgendes hübsches Zitat im Japan-Artikel der Oekonomischen Encyklopädie von J. G. Krünitz:

So wie das großbritannische Reich aus drey großen Königreichen besteht, so hat auch das japanische Reich drey große Inseln, und ist von einem Meere umgeben, welches daher das japanische Meer, L. Mare Japonicum, Fr. Mer du Japon, genennet, und in das westliche und östliche eingetheilet, und wodurch es gegen Morgen von Californien und Neu=Mexiko, gegen Abend von China und Corea, gegen Mittag von den philippinischen Inseln und von China, und gegen Mitternacht von der Insel Yedso getrennet wird.

Es wäre doch einmal der Rede wert: Ku fährt gegen Mitternacht zu VerbOrg und Katakura gegen Abend zu Amarillo, und zwar alle gleich am frühen Morgen.

Überhaupt sei dieses online zugängliche monumentale Werk jedem ans Herz gelegt, an dessen Herzen es noch nicht liegt; nur mit dem Hinweis, dass die Online-Fassung eine große Zahl von Scanfehlern enthält und dass man (leider) nicht nach Musik-Artikeln suchen sollte; so findet sich etwa im Artikel Clavier:

Clavier, siehe Schlüsselring.

Clavier , (aus dem Französ. Clavier, und dieß von dem Lat. clavus, ein Nagel) bedeutet bey den Tuchmachern <8, 194> und Tuchscheerern, die eisernen Häkchen an den Tuch=Rahmen, woran die Tücher eingehenket werden, um sie zu einer gleichen Breite zu ziehen.

Das bekannte musikalische Saiten=Instrument, welches durch Claves geschlagen wird, gehört hieher nicht, weil alles zur Musik und zu dem Spielen gehörige aus dem Bezirk meines Werkes ausgeschlossen ist.


Obwohl doch die Spielerei und auch die Musik damals wie heute ein bedeutender ökonomischer Faktor war und ist.
The future lies in front of me,
but "lies" is all that I can see.

Kilian

Sie ist damals ein bedeutender ökonomischer Faktor?

*harrt gespannt der mehrere Bildschirmseiten umfassenden Erläuterung* ;D

Agricola

#55
Zitat von: Kilian in 2007-02-01, 14:01:03
Sie ist damals ein bedeutender ökonomischer Faktor?

*harrt gespannt der mehrere Bildschirmseiten umfassenden Erläuterung* ;D
Nein, sie war damals und ist heute. Aber ich glaube es geht Dir um den Singular? Ich glaube schon, dass hier der Singular möglich ist, sofern es nicht Unsinn war, von einem Faktor zu sprechen. Aber haben wir das hier nicht schon einmal diskutiert? Ich meine, wir waren zu dem Ergebnis gekommen, dass es einen breiten Spielraum für den Numerus des Verbums gibt, wenn mehrere Subjekte in der Einzahl stehen. Wenn die Subjekte mehrere Aspekte einer Sache darstellen, ist der Singular doch jedenfalls gerechtfertigt. Inhaltlich ginge es darum, ob die Musik und die Spielerei als abzählbare Elemente in ihrer Pluralität den Faktor bilden, oder ob sie beispielhaft Bereiche einer Ganzheit bezeichnen, die sich auch überschneiden können und deshalb nur als Aspekte der Ganzheit gelten müssen. Dann wäre es ähnlich wie wenn man sagt "Der preußische König und deutsche Kaiser hat abgedankt", und der Plural wäre sogar semantisch falsch.

Übrigens: dem Faktoren/den Faktoren oder dem Faktor/den Faktor? Oder geht beides, oder handelt es sich sogar um eine bedeutungsdifferenzierende Diversifizierung? Aus dem Bauch heraus würde ich "einen Faktoren" in einer mathematischen Gleichung eliminieren, aber von "einem bedeutenden ökonomischen Faktor" sprechen. Aber je länger ich darüber nachdenke, desto fälscher kommt mir mein eigener Sprachgebrauch vor.
The future lies in front of me,
but "lies" is all that I can see.

Kilian

Aus dem Bauch heraus im Nominativ/Dativ/Akkusativ Singular immer Faktor, aus dem Wörterbuch heraus auch, ob nun Multiplikator, maßgebender Umstand oder Werkmeister. Aber ich spal nicht auf den Singular an, sondern auf das Präsens. MUSEN ist damals der alleinige Kopf der Konstruktion damals wie heute, der "nach außen hin" sichtbar ist, du beschreibst also einen damaligen Zustand. Dazu passt dann das Tempus des Verbs nicht. Also scheinst du das Wörtchen wie MUSEE (meinem unmaßgeblichen Sprachempfinden entgegen) mehr oder weniger wie und verwandt zu haben, sodass die Bedeutungen von damals und heute gleichberechtigt zutage traten. Drob storlp ich.

Agricola

damals wie heute bedeutet doch (jedenfalls potentiell) "sowohl damals als auch heute", und ich meinte also einen vergangen und gegenwärtigen Zustand. Daher habe ich "war und ist" geschrieben. Was ist daran falsch?
The future lies in front of me,
but "lies" is all that I can see.

Kilian

Sag ich doch:

Zitat von: Kilian in 2007-02-01, 16:46:22MUSEN ist damals der alleinige Kopf der Konstruktion damals wie heute, der "nach außen hin" sichtbar ist, du beschreibst also einen damaligen Zustand. Dazu passt dann das Tempus des Verbs nicht. Also scheinst du das Wörtchen wie MUSEE (meinem unmaßgeblichen Sprachempfinden entgegen) mehr oder weniger wie und verwandt zu haben, sodass die Bedeutungen von damals und heute gleichberechtigt zutage traten. Drob storlp ich.

Dieses "jedenfalls potenziell" ist irgendwie der Knackpunkt. Wenn du "damals wie heute" sagst, finde ich, dass du damit schon voraussetzt, dass Einigkeit besteht, dass die Musik heute ein bedeutender ökonomischer Faktor ist. Das ist also eine Präsupposition. Die eigentliche Aussage ist für mich lediglich, dass sie damals auch einer war.

Aber ich gebe dir Recht, dass im Zuge der Idiomatisierung der wie-Konstruktion der heutige Sprachgebrauch dahin geht, statt einer Präsupposition, statt einem Verweis auf das Vorwissen des Publikums, gerne auch mal zwei vollwertige Aussagen hineinzupacken, besonders in der ebenso-wie-Konstruktion: "Unser Team ist ebenso freundlich wie kompetent" ist sicher nicht an einen Zuhörer gerichtet, der über die Kompetenz des Teams schon Bescheid weiß und nun auch noch über seine Freundlichkeit informiert werden soll... :)

Agricola

Offensichtlich unterscheidet sich unser Sprachgefühl. Ich wollte mit "damals wie heute" gar nicht voraussetzen, dass heute Einigkeit über die ökonomische Bedeutung der Musik besteht (und sie besteht glaube ich auch wirklich nicht, denn wie wäre es sonst erklärlich, dass in den Schulen heutzutage alles gefördert wird, von dem man glaubt, es sei von ökonomischem Nutzen, während der Musikunterricht vernachlässigt wird?), sondern ich wollte eher auf den vergangenen Zustand verweisen und ergänzend (im Sinne von "wie übrigens auch heute!") auf den heutigen aufmerksam machen.
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