"fragen"

Begonnen von MrMagoo, 2004-09-27, 03:16:46

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amarillo

#15
Nein, es ging mir nicht darum, solche Begriffe um jeden Preis zu übersetzen. Aber da, wo es sich anbietet, kann man doch seiner eigenen Sprache eine Bresche schlagen.

Im speziellen Fall  ist es mir vollkommen wurst, ob  "newsletter" durch einen deutschen Begriff ersetzt wird oder nicht.

Die Attribute "gewollt, verkrampft, unelegant" kann ich schon überhaupt nicht nachvollziehen. Wie müssen denn deutsche Worte aussehen, damit sie ungewollt, unverkrampft und elegant sind?

Verkrampft erscheint mir eher die französische Haltung gegenüber Lehnwörtern. Haben wir aber nicht. Das Gegenteil scheint der Fall zu sein, daß nämlich eine übergroße stillschweigende Bereitschaft vorherrscht, sich aber auch jeden anglistischen Stuß zu eigen zu machen. Ich habe keine Ressentiments gegen Anglizismen (bin unter anderem selbst Anglist), was mich persönlich juckt, sind die Ecken, aus denen diese quellen.

Warum sollte ein deutscher Begriff wie "Merkmal" oder "Grundzüge" nicht mit der Zeit die gleiche Bedeutungsfülle erhalten, wie "feature"?
Das kann er natürlich nicht, wenn man ihm nie ein Chance einräumt, sondern gleich zum schwammigen Fremdbegriff übergeht. Demnächst ist dann alles "issue", "item" , "matter" , "unit" und "gadget". Viel Spaß beim Übersetzen (in voller Bandbreite). Hilft natürlich den Halbgescheiten, warum sollte man sich auch 2000 deutsche Begriffe merken, wenn man mit 5 "hippen" "terms" so schön alles und nichts ausdrücken kann - you know, I mean...  ;)
Das Leben strebt mit Urgewalt nach Entstehung und Musik.

Kilian

#16
Zitat von: amarillo in 2005-01-28, 21:01:09Wie müssen denn deutsche Worte aussehen, damit sie ungewollt, unverkrampft und elegant sind?

Es kommt auch auf den Zusammenhang an, wie sie auf mich wirken. In einem zusammenhängenden deutschen Text schiene mir Nachrichtenbrief wahrscheinlich auch passender als in einer Navigationsleiste. Wie gesagt: Meine subjekiven Empfindungen. Denn könnte ich schlüssig begründen, warum ich andererseits auch nicht Links geschrieben habe, sondern Verweise? Nicht wirklich... ;)

Wahrscheinlich ist es mir einfach ein Bedürfnis, die Leute zu ärgern, die die GSV seinerzeit schalten, als sie noch eine Rubrik titels "Frankenstein Area" hatte (da waren die gestorkenen Verben mit Konsonantenverschiebung gesondert aufgefohren). ;)

ZitatAber da, wo es sich anbietet, kann man doch seiner eigenen Sprache eine Bresche schlagen. (...)

Verkrampft erscheint mir eher die französische Haltung gegenüber Lehnwörtern. Haben wir aber nicht. Das Gegenteil scheint der Fall zu sein, daß nämlich eine übergroße stillschweigende Bereitschaft vorherrscht, sich aber auch jeden anglistischen Stuß zu eigen zu machen. Ich habe keine Ressentiments gegen Anglizismen (bin unter anderem selbst Anglist), was mich persönlich juckt, sind die Ecken, aus denen diese quellen.

*stimmt voll zu*

ZitatWarum sollte ein deutscher Begriff wie "Merkmal" oder "Grundzüge" nicht mit der Zeit die gleiche Bedeutungsfülle erhalten, wie "feature"?

Mit diesen Übersetzungen für feature hätte ich kein Problem. Aber feature ist hier ja gerade in der entgegengesetzten Bedeutung gebraucht, in der Richtung von Sonderbeiträge und Extras. Vielleicht sollten wir alle in dieser Richtung noch ein bisschen überlegen und etwas finden, das besser klingt.

amarillo

#17
"Feature" hat auch im Englischen tausend und eine Bedeutung, wird aber gerne verwonden, der Leser pickt sich intuitiv die Bedeutung heraus, die der Zusammenhang erfordert.
Da wir aber unter preußischer Präzisionswut leiden, ist uns solch eine nonchalante Verhaltensvariante offenbar nicht gegeben - tant pis.

Nennen wir "feature" doch einfach "Naeioum"; das hätte dann für den Moment überhaupt keine Bedeutung, die würde sich aber alsbald aus dem Hintergrund ergeben. MrMagoo als alter Etymologe wäre natürlich angeschmiert ;D.

Zum zweiten könnte caru sich freuen, daß das Deutsche endlich einen Begriff aufweist, in dem alle Vokale hübsch aufgereiht sind und nicht von störenden Konsonanten unterbrochen werden.

Nein, im Ernst, für meinen Geschmack darf man ruhig etwas mehr Mut im Umgang mit Sprache aufbringen. Sie ist doch kein Schrein auf dem Hochaltar. Die Jugend macht es uns dauernd vor, warum stehen wir dann beleidigt daneben und rollen mit den Augen? Unsere Beherztheit kann sich doch nicht in  ein paar gestorkenen Verben und der Gralshüterei vor dem Genitiv erschöpfen.
Das Leben strebt mit Urgewalt nach Entstehung und Musik.

Kilian

Zitat von: amarillo in 2005-01-29, 11:04:11"Feature" hat auch im Englischen tausend und eine Bedeutung, wird aber gerne verwonden, der Leser pickt sich intuitiv die Bedeutung heraus, die der Zusammenhang erfordert.

Das meine ich doch. Deswegen benutze ich das Wort ja so gern.

ZitatDa wir aber unter preußischer Präzisionswut leiden, ist uns solch eine nonchalante Verhaltensvariante offenbar nicht gegeben - tant pis.

Der GSV ist sie offensichtlich gegeben. ;D Natürlich sind die Rubriken, die unter "Features" zusammengefassen sind, auch etwas zu verschiedenartig für einen präzisionswütigen Begriff.

ZitatDie Jugend macht es uns dauernd vor, warum stehen wir dann beleidigt daneben und rollen mit den Augen?

Nanu, wer tut denn das?

caru

mut im umgang mit sprache haben wir ja wohl alle, sonst wären wir nicht hier  ;D

gleichzeitig muß man sich auch nicht vor fremdwörtern fürchten.
im mittelalter haben schon leute geschumpfen, weil so viele französische wörter ins deutsche aufgenommen wurden. dann kam humanismus und aufklärung mit den latino-griechischen fachausdrücken, und da wurde gewettert und ulkige deutsche ersatzwörter erfunden bis zum gehtnichtmehr. und dann gabs das französische als sprache der feinen leute, der post, der eisenbahn... die englandmode im 19. jh.... die romanisch-mode der romantik, undsoweiter undsoweiter. immer sind aus den unterschiedlichsten quellen wörter ins deutsche geflossen, eingedeutscht worden oder nicht, sind deutsche wörter veraltet und verschwunden, fremdwörter veraltet und verschwunden, mit und ohne ersatz. mit absicht erfundene ersatzwörter pflegen sich eher selten durchzusetzen (man lese mal die vorschläge in ludwig reiners stilkunst, kein einziges der wörter ist uns heute verständlich).
zur zeit gibts eben jede menge technisches vokabular aus dem englischen, gerade im computerbereich. na und?

was wir wirklich brauchen würden, wäre ein deutsches wort für handy! (das IST nämlich das DEUTSCHE wort dafür, auf englisch heißt das "mobile".)

und wie sagt man eigentlich auf deutsch wok, sauna und tee?
(\___/)
(>´x´<)
('.')__('.')

Nijntje - de echte nederlandse konijn

Kilian

Zitat von: caru in 2005-01-29, 16:39:37mit absicht erfundene ersatzwörter pflegen sich eher selten durchzusetzen

Wobei zumindest laut dieser Quelle Philipp von Zesen damit sehr erfolgreich gewesen soll.

Zitatwas wir wirklich brauchen würden, wäre ein deutsches wort für handy! (das IST nämlich das DEUTSCHE wort dafür, auf englisch heißt das "mobile".)

Oder cellphone oder cellular phone oder cellular oder mobile phone. Für die deutsche Synchronfassung von Ocean's Twelve nimmt mich ein, dass sie das Wort Handy vermieden hat und immer schlicht von "Telefon" die Rede ist. Im Alltag versuche ich mir einstweilen "Mobiltelefon" anzugewöhnen. Wobei das natürlich ein ziemlich steifes und langes Wort ist.

amarillo

Der Beispiele gäbe es noch hunderte; das Beste ist, man sagt nichts anderes dazu. Wenn jemandem feature nicht in den Kram passt, soll er doch benutzen, was ihm Spaß bringt.

Richtig, Sprache ist ein Durchgangsbahnhof; manche Worte bleiben nicht, manche übernachten nur, andere wieder lassen sich auf Dauer nieder und reisen dann doch irgendwann ab.

@Kilian
Ich selbst erwische mich beim Augenrollen, dann denke ich wieder: was bist du doch für ein arrogantes Arschloch!

@caru
Welcher Mut? Was soll uns denn passieren? Wir trauen uns doch auf keinerlei Glatteis. In der Hinterhand haben wir doch das sichere Gefühl eher als elitärer Haufen zu gelten (womit es sich  kommod leben läßt), als ernsthaft verlacht zu werden. Unsere Namen sind verborgen, unsere Visagen nicht zu sehen. Wer beim Stärken über die Stränge schlägt wird vermittels Ablautmechanismen etc. zurückgerufen. Das ist philologische Freizeitgestaltung pur und immer an der Mauer des gerade noch "Erlaubten" entlang.

Das soll bitte keine Kritik sein, aber die Unbekümmertheit eines 18jährigen macht mich oft neidisch. Das Korsett der eigenen Ausbildung drückt bisweilen ein wenig auf den Hüften.
Das Leben strebt mit Urgewalt nach Entstehung und Musik.

Kilian

Zitat von: amarillo in 2005-01-29, 17:32:45Der Beispiele gäbe es noch hunderte; das Beste ist, man sagt nichts anderes dazu. Wenn jemandem feature nicht in den Kram passt, soll er doch benutzen, was ihm Spaß bringt.

Genau. Und sobald jemand auf ein Wort kommt, das mich überzeugt, wird's geändert. ;D

ZitatIch selbst erwische mich beim Augenrollen, dann denke ich wieder: was bist du doch für ein arrogantes Arschloch!

Vor ein paar Jahren machten ja in der Presse die Websites Furore, die den falschen Gebrauch des Apostrophs in Wort und Bild anprangerten. Philipp Oelwein, der eine dieser Websites betreibt, hat einen Motivations-Aufsatz geschrieben, der sehr gut vertritt, worauf Kritik am Sprachgebrauch primär abzuzielen hat: Auf Unreflektiertheit dahinter! (Das ist wohl ungefähr das, was du mit den Ecken meintest, aus denen manche Anglizismen quellen, right? ;)) Rollt, denkt und schilt man nach dieser Maxime, kann man sich, so meine ich, einiges an Arrogantes-Arschloch-Sein ersparen. :D

amarillo

#23
Wäre es nur die Unreflektiertheit, ich schömpfe nicht einmal. Es ist das perfide Wollen einer Medien-,  Werb- und Politindustrie, der ich nicht einmal Dusseligkeit als mildernden Umstand zugestehen kann.

Diese Sauhunde wissen in ihrer Mehrheit nur zu gut, wie  sich Sprache zum Rattenfangen verwenden läßt.

Wenn auf "Viva" oder  "MTV" dummdeutsch gesprochen wird, will ich nicht einmal dagegen anstinken; die können nicht anders. Ich gehe ja auch nicht in den Zoo und versuche dem Zebra seine Streifen auszureden.

Es sind diese nadelstreifig-pomadigen, aalglatt-smarten Typen, die sich als gebildete Globalversteher gerieren und dann einen Seim verschwallen, daß man explodieren möchte. Man braucht sich nur die Nachrichten in den privaten Sendern anzuschauen; ich tue das ab und zu  um meinen Masochismus zu befriedigen und meine Wut (kein Zorn: Wut!) wachzuhalten.  

Das Leben strebt mit Urgewalt nach Entstehung und Musik.

Kilian

Wohl wahr! Hier fand neulich ein Mitmensch schöne Worte: "Das andere Planspiel, dessen Bezeichnung 'Schul/Banker' natürlich von einem Schlips stammt, einem gelackten, einem Krawattenträger, dem man, damit der Schlips besser passt, das Sprachzentrum entfernt hat..."

amarillo

Das Schlimme ist: diese Kanaillen haben ihre Sprachzentren ja noch und wissen sie gewinnbringend einzusetzen.

amarillo - ich bin fertig mit diesem Thema.
Das Leben strebt mit Urgewalt nach Entstehung und Musik.

caru

gut. fertig mit dem thema.

übrigens, "mobiltelefon" ist ungefähr so deutsch wie "extras". aber wen störts, mich nicht ;D
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Nijntje - de echte nederlandse konijn

amarillo

Handy ist doch klasse, was gibt es da zu verbessern?

Meine Tochter hat kürzlich nach ihrem "Quatschi" gesucht, war aber wohl nur innerfamiliärer Sprachgebrauch.
Das Leben strebt mit Urgewalt nach Entstehung und Musik.

gehabt gehabt

Zitat von: Kilian in 2005-01-29, 16:11:13
D Natürlich sind die Rubriken, die unter "Features" zusammengefassen sind, auch etwas zu verschiedenartig für einen präzisionswütigen Begriff.



Das ists natuerlich: in diesem Zusammenhang sind Features=Rubriken. Das passt auch ganz gut, weil die Uebrschriften der Rubriken auf diesem Internetauftritt (=website) rot sind.

Newsletter=Rundbrief

Kilian

Zitat von: amarillo in 2005-01-29, 21:07:34Handy ist doch klasse, was gibt es da zu verbessern?

Es ist ein ganz besonders blendungsmächtiger Falscher Freund. Denn es tut so, als wäre es aus dem Englischen übernommen, dabei ist es ein Fantasiewort - sieht nach typisch "denglischem" Heißluftgehabe aus, wenn du mich fragst. Aber ich will die Leute, die den Begriff geprägt haben, nicht schelten: Vielleicht gab es ja in der Frühzeit der Mobiltelefone ein Produkt mit dem Namen handyphone, und im deutschen Sprachraum wurde der erste Teil halt zur generellen Produktbezeichnung verallgemirnen. Für diese Entstehungsgeschichte hätte ich Verständnis.