Anfrage

Begonnen von amarillo, 2006-09-07, 09:23:21

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amarillo

Beim gestrigen Interview des ORF mit dem Entführungsopfer N.K. fiel mir auf, daß Letztere das Partizip "gewunschen" benotz.
Ein Blick in unsere Liste zieg mir, daß wir die nämliche Form bevorzugen (wünschen - wunsch - wönsche - gewunschen). Handelt es sich hier um einen externen Erfolg, frug ich mich und goolg heute diese Form. Es kamen mehr als 20.000 Einträge dabei heraus.

Handelt es sich hierbei um eine vor allem im österreichischen Sprachraum anzutreffende Form? Wie sagen unsere Wiener Kollegen? Wird das Präteritum in Österreich auch entsprechend GSV-Eintrag zur Anwendung gebracht?
Das Leben strebt mit Urgewalt nach Entstehung und Musik.

caru

"gewunschen" dünkt mich eine alte österreichische form zu sein, ebenso wie "geschumpfen".


N. K. spricht, aus gründen ihrer einzigartigen lebensgeschichte, wie eine frau der vorvorigen generation; dazu paßt für mein gefühl das "gewunschen".
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Nijntje - de echte nederlandse konijn

amarillo

Also wirkt "gewunschen" auf Dich sanft verstaubt?
Das Leben strebt mit Urgewalt nach Entstehung und Musik.

Kilian

geschumpfen und gewunschen stehen auch schon auf der Roten Liste.

caru

Zitat von: amarillo in 2006-09-07, 11:07:55
Also wirkt "gewunschen" auf Dich sanft verstaubt?

ja. von meiner 92jährigen oma kann ich mir "gewunschen" vorstellen, von jüngeren leuten schwer. ich glaube auch, in der hochsprache sagt man das auch bei uns nicht.

die form erscheint übrigens 1x im 3. akt von strauss/hofmannsthals rosenkavalier.
(\___/)
(>´x´<)
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Nijntje - de echte nederlandse konijn

AmelieZapf

Hallo zusammen,

"gewunschen" ist nbair. noch in allen Altersklassen gängig. "geschumpfen" nicht.

Grüße,

Amy
Religion heute:
Ex oriente deus,
ex machina lux.

amarillo

#6
"scheren" ist ein setsames Verb; ich meine jetzt nicht seine Bedut "sich kümmern".
Auch im Hinblick auf 'schneiden' sind mir zwei Konjugationen geläufig: stark (schor - geschoren) und schwach (scherte - geschert). Dabei kann ich die verschiedenen Bedüte nicht einmal genau ausmachen.

Zur Sommerzeit schor ich den Kater.(Nicht wirklich!)

Beim Herunterfallen scherte der Betonblock den Stahlträger förmlich ab.

Klar, in beiden Fällen wird geschnitten, aber....
Kennt noch jemand weitere Verben dieser Art?
Das Leben strebt mit Urgewalt nach Entstehung und Musik.

VerbOrg

Zitat von: amarillo in 2006-09-10, 13:14:12Beim Herunterfallen scherte der Betonblock den Stahlträger förmlich ab.
Hier haben wir es dann mit dem Verb abscheren zu tun.
Mir war das Verb zwar bisher nicht bekannt, aber laut canoo.net gibt es auch hier sowohl die regelmäßige als auch die unregelmäßige Flexion.
Das normale "scheren" wird ja hauptsächlich unregelmäßig, laut Duden aber (seltener) auch regelmäßig gebeugt. Und das eben in jenem schnittigen Sinne.

Ein seltsames Verb fürwahr.

amarillo

Am "ab" allein kann es nicht liegen:
Über Jahrmillionen scherte das sich aufwölbende Gebirge die darüber liegenden Sedimentmassen.
Das Leben strebt mit Urgewalt nach Entstehung und Musik.

VerbOrg

Das ist aber ein "scheren" nicht im Sinne von abschneiden, sondern von abschleifen. Im DWDS wird dies als eigene - zweite - Bedeutung aufgeführt.
Allerdings gibt's hier keine Hinweise darauf, ob es in dieser Bedeutung NUR schwach oder auch stark konjugiert werden kann.

Vielleicht sollten wir auf einen sprachlich bewanderten Gesteinsexperten warten...

Berthold

#10
Zitat von: amarillo in 2006-09-10, 13:28:54
Am "ab" allein kann es nicht liegen:
Über Jahrmillionen scherte das sich aufwölbende Gebirge die darüber liegenden Sedimentmassen.
'Sich kümmern (um jmdn./etw.)' heißt bei uns auch 'sich scheren (um)'. Seine Stiefmutter hat sich um ihn nie geschert. (Wohl haupts. - nahezu immer? - als 'sich nicht scheren (um)' verwonden. Nebenbedoyt: sich einmischen: Scher dich nicht drum!)

Bei 'scheren' (von Schafen, Kömöndören etc.) gibt mein koreanisch - tajces/(und d. - k.) Wb. übrigens & sogar an: schierst, schiert, schier!
Aber das steht schon irgendwo.

Agricola

Zitat von: VerbOrg in 2006-09-10, 13:37:04
Das ist aber ein "scheren" nicht im Sinne von abschneiden, sondern von abschleifen. Im DWDS wird dies als eigene - zweite - Bedeutung aufgeführt.
Allerdings gibt's hier keine Hinweise darauf, ob es in dieser Bedeutung NUR schwach oder auch stark konjugiert werden kann.

Vielleicht sollten wir auf einen sprachlich bewanderten Gesteinsexperten warten...
Meines Erachtens bedeutet es weder "abschneiden" noch "abschleifen", sondern "parallel zueinander verschieben".
http://de.wikipedia.org/wiki/Scherkraft
Das obige "Beim Herunterfallen scherte der Betonblock den Stahlträger förmlich ab." halte ich für eine irrtümliche Verwendung. Man recherchiere unter "Scherwiderstand", "Scherfuge", "Fugenscherung", "Scherfestigkeit", "Scherversuch", "Scherverformungen" usw.

Die "Schere" ist ein Gerät, bei dem zwei flache Metallstücke parallel (im Sinne der Flächenbewegung) gegeneinander verschoben werden. "Scheren" im Sinne von schneiden ist dann von diesem Wort abgeleitet. Im technischen Bereich hat "abscheren" jedoch noch eine andere, eigentlich dritte Bedeutung:
http://www.bauwerk-verlag.de/baulexikon/index.shtml?ABSCHEREN.HTM

Meines Erachtens wäre eine mögliche Verwendung dieses Begriffes (die nicht aus der Definition unmittelbar folgt):
"Wegen der plötzlichen Drehung des Kranes scherte der Betonblock vom Stahlträger ab und fiel herab." Was bedeutet, dass die Halterung, die den Betonblock mit dem Stahlträger verband, parallel zur Verbindungsebene belastet wurde und sich durch eben diese Belastung löste.
The future lies in front of me,
but "lies" is all that I can see.

Berthold

#12
In meinem Etymologiebuch (dem 'Pfeifer') finde ich zwei 'scheren':

1) scheren1 - '(eine Oberfläche) kahlschneiden, rasieren, etw. kurz abschneiden'. Das starke Verbum ahd. skeran 'schneiden, scheren' (8. Jh.), mhd. schern '(ab)schneiden, scheren, durch Scheren der Tonsur zum Mönch bestimmen, abernten, belästigen, quälen, abteilen, ordnen', mnd. schêren, mnl. scêren 'schaben, kratzen (Dieses 'scheren' gibt es auch bei uns - (oo)-schea-n], scheren, nl. scheren, aengl. sceran, engl. to shear 'scheren, abschneiden, mähen', anord. skera 'schneiden, schlachten', schwed. skära
hat neben sich ein (im Nhd. nicht erhaltenes) schwaches
Verbum ahd. skerren 'einordnen, einlassen, begrenzen' (um 800), mhd. schern '(ab)teilen, wohin schaffen, absondern, ausschließen, zuteilen', asächs. skerian 'zu-, einteilen', mnd. schêren, mnl. scêren 'zuteilen', aengl. scearian 'zuteilen, bestimmen'. Das schwache Verb gehört semantisch zu den unter Schar1 behandelten Substantivformen [- die ich hier nicht näher erwähne -] und ist wohl als Denominativum aufzufassen.
[Vermot: Ob nicht doch der G'scherte (Gscheade) eher auf dieses Verbum zurückgeht - einer, der ausgeschlossen, eingeordnet, begrenzt, zugeteilt ... - wird) als, wie fast jedeR zu wissen glaubt, auf die Kurzhaartracht ländlicher Unfreier? Ein geschorenes Schaf schwankt nämlich im Dialekt - wo überall? - zwischen 'gschead' und 'gschoa-n/gschua-n'. Vielleicht hat aber der 'G'scherte' verhindert, daß man leichthin auch ein geschorenes Schaf als 'gscheads Schoof' bezeichnet.]

Außergerman. sind verwandt ... griech. keírein 'abschneiden, scheren', lit. skìrti 'trennen, teilen, scheiden, zuteilen', lat. caro 'Fleisch'... sowie air. scar(a)im 'trenne'. Erschließbar ist eine ... Wurzel ie. *(s)ker(e - Schwalaut) - 'schneiden'. Hierher gehören Wendungen wie sich (nicht) um etwas scheren 'sich (nicht) kümmern, sorgen um etwas' (17. Jhdt.) [Ein 'positives Beispiel' - danke, lieber Thomas Ofenböck! - ist: 'Ich allein hab mich um dich geschert.'], heute meist schwach flektiert (unter Einfluß von scheren²?), wohl auf die Bedeutung von mhd. schern 'belästigen, quälen (...) zurückgehend; (alles) über einen Kamm scheren ... (16. Jh.); sein Schäfchen scheren (18. Jh.), ungeschoren ..., ahd. ungiscoran (10. Jh.), mhd. ungeschorn. Schererei ... (18. Jh.)

2) scheren² - 'sich fortmachen, sich packen, sich entfernen', älter 'schnell eilen, entkommen' (15. Jh.), vgl. nd. scheren 'gehen, eilen, laufen'. Die Herkunft des schwachen Verbs ist unsicher. Vielleicht kann es an ahd. skerôn 'mutwillig sein', aber auch an 'sich ausruhen' (9. Jh.) angeschlossen werden. Außergerman. sind ... griech. skaírein 'springen, hüpfen', ... russ. skóryj 'schnell, flink', ... vergleichbar, so daß auf die Wurzel ie. *(s)ker(e - Schwa) - 'springen, herumspringen', eigentl. '(sich) drehend bewegen, schwingen' zurückgegangen werden kann. Zu deren Erweiterungen gehören Scherz und schrecken1. ...

ausscheren 'aus der Reihe gehen, den Kurs verlassen, aus dem Schiffsverband herausfahren' (19. Jh.), allgemein 'sich von einer Gemeinschaft absondern' (20. Jh.). Aus der Seemannssprache; vgl. nd. scheren 'gehen, eilen, laufen', auch 'hin und her schweben, fliegen oder fahren' und 'beim Schlittschuhlaufen nach beiden Seiten in Halbkreisen ausschweifen' (18. Jh.), 'seitlich abweichen' (19. Jh.).
       

Agricola

Danke für die ausfühlrige Reschursch, also war meine pseudoetymologische Ableitung von "scheren" im Sinne von Schneiden aus "scheren" im Sinne von Parallelverschieben falsch, und es ist wohl umgekohren, dass die Scherkräfte vom Mechanismus der zum Schneiden verwondenen Schere abgelitten sind. Was aber nichts daran ändert, dass die Scherung in der Technik, Geologie, Mathematik etc. mit Schneiden nichts zu tun hat.
The future lies in front of me,
but "lies" is all that I can see.

amarillo

Kann, soll, darf man "al dente" steigern?
Ich meine, es ist nicht steigerbar, da es bereits einen optimalen Zustand beschreibt. In der gerade laufenden Kochsendung sprechen die aber davon, daß die Nudeln noch etwas "al denter" sein könnten.
Das Leben strebt mit Urgewalt nach Entstehung und Musik.