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Begonnen von amarillo, 2006-09-07, 09:23:21

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amarillo

Ich kenne da eine Frau - recht sympathisch aber auch ein wenig überkandidelt.
Immer wenn ich sie sehe, frage ich mich, ob es nicht ein Verb 'kandideln' geben memüsse. Und wer wäre unterkandidelt? Jemand von lähmend langweiliger Lahmarschigkeit? Ich bitte um Eure Hilfe.
Das Leben strebt mit Urgewalt nach Entstehung und Musik.

katakura

#376
Zitat von: amarillo in 2017-06-24, 18:14:17
Ich kenne da eine Frau - recht sympathisch aber auch ein wenig überkandidelt.
Immer wenn ich sie sehe, frage ich mich, ob es nicht ein Verb 'kandideln' geben memüsse. Und wer wäre unterkandidelt? Jemand von lähmend langweiliger Lahmarschigkeit? Ich bitte um Eure Hilfe.

... mein schlauer gelber freund konrad verriet mir söben, dass das adjektiv "kandidel" (von lat. candidus in der bedeutung von heiter / fröhlich) in der norddeutschen umgangssprache für "heiter / lustig" steht ... da es das adjektiv schon gibt - braucht es dann wirlchk das verb "kandideln"? ...
Toleranz ist vor allem die Erkenntnis, dass es keinen Sinn hat, sich aufzuregen. (Helmut Qualtinger)

amarillo

#377
Aber sicher doch, weil es schön wäre. Seit wann steht sprachliche Notwendike im Zentrum GSVlichen Bemühens? Und Deinen gelben Freund Konrad mochte ich noch nie als ernstzunehmende Referenz in solchen Fragen akzeptieren. Wo bleibt denn da unser Grundgedanke der Sprachanarchie, wenn wir uns nach solchen staubtrockenen Erbsenzählern richten?
Das Leben strebt mit Urgewalt nach Entstehung und Musik.

Kilian

kandideln steht ja auch schon seit Langem in unserer entsprechenden Liste.

amarillo

Da haben wir den Salat - hätte ich doch erst einmal recherchieren sollen - ts ts ts, ich Dummerchen.
Das Leben strebt mit Urgewalt nach Entstehung und Musik.

amarillo

Ich fuhr mit dem Rad entlang des Rheins.

Ich fuhr mit dem Rad den Rhein entlang.

Weiß mir jemand den grammatischen und/oder auch semantischen Schlüssel zu den unterschiedlichen Kasus zu reichen? Ich wäre Euch sehr entbunden, da ich das Schloss nicht selbst entsporren bekomme.
Das Leben strebt mit Urgewalt nach Entstehung und Musik.

Kilian

Die Grimms schreiben dazu:

ZitatENTLANG , in longitudinem, praeter, secundum, längs, ein uraltes, ehrwürdiges wort, an dem sich, wovon sp. 447 ausgegangen wurde, der zusammenhang zwischen ende und ent deutlich bewährt. diesem entlang vergleicht sich das goth. and þata, da vorbei. es gibt aber ein alts. adj. antlang, ags. andlong in longitudinem porrectus, das sich mit zeitbegriffen verbindet, antlangan dag. Hel. 129, ags. andlangne däg. Beov. 4226 drückt aus den ganzen, geschlagnen, sommerlangen tag, andlonge niht. Beov. 5872, die ganze, lange nacht hindurch. dies andlang lautet aber altn. endilângr, welches offenbar mit ende, d. i. spitze, ziel der länge gebildet ist, hier zu suchen scheint auch der schlüssel für das aus unserm rechtsalterthum bekannte symbol per andilangum, andilaginem, vandilaginem, wo sich wieder das enden und wenden gar nicht verkennen läszt, vgl. DWB antlang 1, 500.
Aus dem acc. neutr. des adj. andlang entspringt unsre partikel entlang, gleich dem ags. andlang, andlong, woraus sich engl. along kürzte; sie hat sich weder ahd. noch mhd. dargeboten, mangelt auch allen älteren nhd. wörterbüchern, selbst
[Bd. 3, Sp. 565]


Henisch und Stieler lassen sie unverzeichnet, erst Frisch 1, 227a bringt endlang und endlangest als niedersächsisch bei und im brem. wb. steht entlangs 1, 310. 2, 12. seitdem gilt sie unter allen unsern schriftstellern und hat nichts gemeines, wie Adelung wähnt, sondern klingt edler als das gleichbedeutige längs. altn. at endilöngu, entlang, með endilengri anni, praeter fluvium.
Hier fragt es sich nach dem casus, den entlang bei sich hat.
1) natürlich scheint der gen., wie es auch ags. heiszt andlang þäs veofudes. 3 Mos. 1, 15, bei Luther an der wand des altars; andlong sæ. Jos. 3, 16 und franz. le long du mur, le long du Rhin, le long de la rivière.
wir hatten schon den ganzen tag gejagt
entlang des waldgebirges.
Schiller 495b.

so auch bei bloszem lang: giengen des klosters lang. hebamme 738.
2) öfter begegnet der acc., meist der partikel vorausgehend:
indem neun hufen entlang er den leib ausdehnte. Od. 11, 577;

so sprachen sie die nacht entlang,
bis morgenlicht ins höfchen drang.
Bürger;

wir heben die reusen
den schilfbach entlang.
Salis 91;

und wälder umgrünen
die hügel entlang.
Göthe 3, 78;

von dem berge zu den hügeln,
niederab das thal entlang,
da erklingt es wie von flügeln,
da bewegt sichs wie gesang. 3, 65;

er schwebt heran auf luftigem gefieder
um stirn und brust den frühlingstag entlang. 3, 102;

er wandle so den erdentag entlang. 41, 316;

dasz ich dem ersten buch Mosis viel zeit und aufmerksamkeit gewidmet und manchen jugendlichen tag entlang in den paradiesen des orients mich ergangen. Göthe 6, 156;
was die schwalbe sang, was die schwalbe sang
die den herbst und frühling bringt,
ob das dorf entlang, ob das dorf entlang
das jetzt noch klingt.
Rückert 291;

wird mein schatten glänzend wandeln dieses deutsche volk entlang.
Platen 89;

doch auch nachfolgend:
hoch rollten die wogen entlang ihr gleis.
Bürger 36a;

so zieh ich im triumphgesang
entlang die lange strasze.
Rückert.

diese adjective gleichen jenen fügungen adlangan dag, den sommerlangen tag.
3) tadelhaft steht der dativ: dem ufer, dem meere entlang reisen;
preisend wallten sie dann entlang dem krummen gestade.
Stolberg 1, 396;

wie man ihn auch mit längs verbindet: längs dem flusse hin, längs der strasze, nnl. langs de straat.
4) praepositionen sind aber verstattet:
athmet, sie (die freude) duftet im rosengestäude,
fühlet! sie säuselt am bächlein entlang.
Salis 11;

drei jahre sitzt er auf dem Gibichenstein
und horchet auf der Saale wellenschlag,
die unter seinem gitter rauscht entlang.
Uhlands Ernst s. 8.

Eine zwingende Erklärung für die zwei Kasus finden wir nicht; wie so oft wird wohl eine gehörige Portion sprachgeschichtlichen Zufalls mitspielen. Es klingen aber einige Faktoren an, die den Genitiv bei entlang begünstigt haben könnten: es ist ein sehr altes Wort mit Wurzeln mit guten Verbindungen in alte, genitivfreudige Sprachen und es steckt erkennbar das Substantiv Länge darin, die Präposition hat sich womöglich aus einer Konstruktion entwickelt, bei der das Objekt der Präposition ein Genitiv-Attribut zu der Länge war. Die Reste dieser Konstruktion werden natürlich auseinandergerissen, wenn entlang als Postposition verwendet wird – das scheint mir ein plausibler Erklärungsansatz dafür, dass sich da dann ein ,,normalerer" Fall wie der Akkusativ durchgesetzt hat.

amarillo

Zunächst einmal tausend Dank für die umfangreiche Antwort - auch wenn ich das so kaum an meine Studiosi weitergeben werde.

Besonders hübsch das Rückert-Zitat:

so zieh ich im triumphgesang
entlang die lange strasze.
,

denn gerade hier kekünne man sich auch durchaus einen Genitiv vorstellen:

so zieh ich im triumphgesang
entlang der langen strasze.
Das Leben strebt mit Urgewalt nach Entstehung und Musik.

Wortklaux

Der Fall hat mir auch schon Kopfzerbrechen beritten.

Bei dem Rückertzitat (ebenso wie bei dem Bürgerzitat) liegt meinem Sprachgefühl die Auffassung als umgestellte Konstruktion mit einem trennbaren transitiven Verb näher; daher braucht das abgetrennte Partikel weder vor noch nach dem Akkusativobjekt zu stehen:

Die lange Straße ziehe ich im Triumphgesang entlang.
Die lange Straße, die ich im Triumphgesang entlangzog, war von Bäumen gesäumt.

Der Dativfall scheint mir in dem Fall weniger "tadelhaft", wenn "entlang" keine eindeutige Richtungs- oder Bewegungsfunktion aufweist:

Entlang dem ganzen Flussufer wurden prächtige Platanen gepflanzt.

Aber vielleicht wäre in diesem Fall die Präposition "längs" passender.

amarillo

Verzeiht, liebe Freunde, wenn ich Eure wohlverdonene Sonntagsruhe mit einer Frage störe, hinsichtlich welcher mir die Wichtike eine Beantwurt auch nicht so ganz klar ist:

Muss eine Apposition den Kasus des Objekts tragen, auf das sie sich bezieht?

Beispiel:

Johannes, unser viel zu früh verblichener Zechbruder, gedenken wir alljährlich mit einem Mordsbesäufnis.

Johannes, unseres viel zu früh verblichenen Zechbruders, gedenken wir ....


Geht beides? Bin ich nur zu pingelig und muss mich am Ende einen Schnürsenkelbügler nennen oder gar der Pinzettenwichserei zeihen lassen?
Das Leben strebt mit Urgewalt nach Entstehung und Musik.

Kilian

Für mich klingt nur das zweite Beispiel richtig. Ich süge also: ja, muss.

amarillo

Vielen Dank, dann bin ich berohigen. Mir klang das obere Beispiel auch etwas schräg, aber nach stetigem Hin- und Herprobieren war ich zur Gänze unversorchen.
Das Leben strebt mit Urgewalt nach Entstehung und Musik.

Berthold

#387
Na ja, der Duden hält als Geni-/Genetiv auch Johannes' für chmulg.
Im vorlü-, pardon, vorliegenden Falle wäre das vielleicht sogar vorzuziehen, weil sonst so irgendwie der Nominativ soggaroren worden wären täterte.
Schon stärker neutsch wäre "Johannessens", vor allem, wenn jener Johannes ein Bäuchlein hatte und ein starker Esser war.
Dann ließe er sich allerdings schlecht vom (z.B.) Norweger, Färinger oder sogar Norddeutschen, Herrn Johannessen und dessen Geni-/Genetiv unterscheiden. 

katakura

#388
... gestern storlp ich in einem radiobeitrag vom deutschlandfunk über das Wort vielversprechendster ... klingt erst einmal plausibel, dann aber wie ein falsch geboldener Superlativ, der eher meistversprechender lauten memüsse ... indes klingt meistversprechender sehr ungebraulch ... ist vielversprechend irgendwie so zum eigenen Wort geworden, dass bei der sturg nicht mehr das adverb viel gestorken wird? ...

... und in diesem Zusammenhang fiel mir dann noch ein ahln komischer kandidat ein: meistbietend ... das scheint sich auch verselbststandogen zu haben, denn vielbietend und mehrbietend scheint es nicht (mehr?) zu geben ...

... hat jemand eine uhn, wie sich mit diesen vielleicht falschen bzw. fehlenden steigerungsformen verhält? ... und gibt's da vielleicht noch mehr von solch seltsamen Kandidaten?
Toleranz ist vor allem die Erkenntnis, dass es keinen Sinn hat, sich aufzuregen. (Helmut Qualtinger)

Kilian

Tja, warum ist der ,,richtige" Superlativ meistversprechend kaum gebräuchlich, meistbietend – und auch nächstliegend – aber schon?

Ein möglicher Erklärungsansatz: meistbietend und nächstliegend werden nur bzw. viel im Superlativ gebraucht, konnten sich also von vornherein mit der ,,richtigen" Form durchsetzen. Bei vielversprechend ist hingegen der Positiv gebräuchlicher und wird daher mehr als ,,normales" Adjektiv wahrgenommen, das regelmäßig gesteigert wird...