Bemme

Begonnen von Günter Gans, 2005-11-02, 22:09:33

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caru

Zitat von: VerbOrg in 2005-11-03, 20:47:21
Wie sagt ihr denn bitte schön zu beschmorenen Broten. Brote? Oder seids ihr da ein wenig einfältiger?


wir äußern uns da meist in komposita. butterbrot, marmeladebrot, käsebrot... ein eigenes wort für "(mit egal was) bestrichenes brot" kenn ich nicht.
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Nijntje - de echte nederlandse konijn

amarillo

Zitat von: caru in 2005-11-03, 20:41:30
Schrippe, Rundstück, Bemme, Stulle - kommt alles aus der sprache der hottentotten, wenn es nach dem verständnis des durchschnittlichen österreichers geht.
Welch hottentottischer Sprachreichtum.
Das Leben strebt mit Urgewalt nach Entstehung und Musik.

J**

also "bemme" ist bei uns in der familie ein gebräuchlicher begriff (von meinem vater aus dem thüringischen, seiner heimatregion, importoren. meint sowohl "stulle" (ohne alles), als auch geschmiertes (ggf. zusammengeklapptes) butterbrot. eine schmalzstulle ist auch als "fettbemme" bekonnen...

nur um nochmal von den brötchen zum fadenthema zurückzukommen
Manche Menschen legen ihre Kindheit ab wie einen alten Hut oder eine Telefonnummer, die nicht mehr gilt. Nur, wer erwachsen wird und ein Kind bleibt, ist ein Mensch.
Erich Kästner

Günter Gans

Zitat von: J** in 2005-11-04, 11:41:57
also "bemme" ist bei uns in der familie ein gebräuchlicher begriff (von meinem vater aus dem thüringischen, seiner heimatregion, importoren. meint sowohl "stulle" (ohne alles), als auch geschmiertes (ggf. zusammengeklapptes) butterbrot. eine schmalzstulle ist auch als "fettbemme" bekonnen...

Siehe da, schon wieder Thüringen; das Ländchen scheint STARK im Kommen.
Was denn, Stulle ohne alles gibt's auch? Jetzt blicke ich bald nicht mehr durch, muss wohl meinen Hirnteig noch etwas gehen lassen.
Nanu, Uli Wickert, ein Thüüüüringer? Langsam kreisen wir ihn ein.

Zitat von: J** in 2005-11-04, 11:41:57nur um nochmal von den brötchen zum fadenthema zurückzukommen

Huch, wird hier fein ausdifferenzoren; dabei lag der Abschwiff von der Bemme zur Semmel doch nah. Ha, ich werde sogar noch auf andere Teigwaren abschweifen, da kenn ich nix, weil: Neben der Sprache dürfte Teig das am vielfältigsten Formbare sein, was Mensch auf Erden zu Gebote steht.

Sprachreichtum kann natürlich auch zu Verwurr führen – denkt nur an den Maultaschenkrieg 1879, als Schwaben, Russen, Italiener und Chinesen jeder gegen jeden kompfen, weil jeder darauf behorr, Erfinder der Maultaschen/Wareniki/Ravioli/Dumplins zu sein. Konnte nie gekloren werden. Ich glaube ja, die Dinger wurden unter dem Namen Momo zuerst von den Tibetern entwulcken (oder heißt's in diesem Fall ausgewulken?).
Gehen Sie immer in den Wald zur Paarung? (Loriot)

VerbOrg

Zitat von: Günter Gans in 2005-11-04, 20:14:56Was denn, Stulle ohne alles gibt's auch?
Bei uns in der Familie wurde da unterschieden: Mit Stulle bezinch man das zusammengeklappene Teil mit was drauf, ungeklappen war's - egal ob mit oder mit ohne was drauf - 'ne Schnitte.

caru

und wenn man auf die schnitte was draufstreicht, ohne sie zusammenzuklappen, geht sie ins bemmentum über?
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Nijntje - de echte nederlandse konijn

Günter Gans

Hmmja. Ich differenzöre das so: Am Anfang war der Laib (vorher gab es da natürlich noch die Ähre, das Korn, den Müller, das Mehl, den Bäcker, den Ofen – halt das ganse Alte Testament aus Brotsicht).

Entliäbe man ihn, schnötte ihn also in Scheiben, erhielte man die Schnitte. Beliäge oder beströche man diese mit einem Beleg (Rotschmierkäse oder Romadur z.B. hat definitiv eine Fußnote, daher der Name), erriche die Schnitte das Stadium des Bemmentums, wie von carun recht bemurken.

Kliepe man die Bemme zusammen, erstörke sie zum Stullentum. Interessant dabei: Waß vorher drauflag, liegt jetzt drin, aus der Perspektive des draufgeklappenen Bemmenteils sogar drunter – selbst Brote sind relativ.

Verdülppe man das Ganse, fiähre dies zu einem veritablen Doppel-, Tripel- oder Quadrupeldecker – die Amerikaner bauen ja nachgerade Wolkenkratzer aus Sandwiches. Die Essbur solcher Monstrositäten (*mayonnaiseinärmeltrief*) gleicht aber dem Versuch, eine Cadillac-Stretch-Limousine in Rothenburg ob der Tauber zu wenden.
Gehen Sie immer in den Wald zur Paarung? (Loriot)

Günter Gans

Nanu, Teigfaden schon geschlossen? Das wär' doch zu früh.

Im verdienstvollen Projekt "Rheinisches Wörterbuch" der Germazopen unter den Trierischen Germanisten fand ich noch:

Saar: dat Melchbrötchen, Weißbrötchen
Köln: Wasserbrötchen, Schösschen, Röggelche, Rip, Krentebrötchen (mit Korinthen), e gebildt Brötchen
Heinsberg-Dremmen, Mörs-Wallach: twiepenneks Brötchen
Klever Land: süte (moje) Brötjes

Nett auch die übertragenen Bedüte für "Brötchen":
Solingen: weibliches Geschlechtsteil
Bergheim-Hüchelhoven, Saarbrücken-Feching: Testikel des Ebers (der ist für den Kollegen Porcus, den einzig Einzelnen)  ;D
Erkrath, Geilenkirchen, Heinsberg: Malve, besonders deren Frucht
Köln: Hirtentäschel
Jülich-Inden: Mauerpfeffer
Neuwied-Honnefeld: fresch Brötchen = grüner Junge, Taugenichts.

Nebenbei öffnet sich hier ein weites Feld für Labenzianer...
Hoffentlich habe ich Nichtrheinländer die etwas verschrubene Systematisur der Germazopen richtig kaporen und wiedergegeben.  :-\

Ah, und Pfälzisch gibt's noch Protchen. Und natürlich smörrebröd - das ist eindeutig dänis, denn swedis heißt's smörgas.

Wie macht ihr das mit den ausländischen Sonderzeichen? Bei mir kommt da immer nur solch glyphisches Zeug wie &#8211;. Gern hätte ich hier das echte durchgestrichene dänise o und das swedise a mit Ringlein drauf generoren.
Gehen Sie immer in den Wald zur Paarung? (Loriot)

Kilian

ZitatTestikel des Ebers (der ist für den Kollegen Porcus, den einzig Einzelnen)

Wie, haben Eber nur ein... nein, da war der Bollerwagen meiner Fantasie jetzt auf einem holperigen Pfad.

Faszinamös jedenfalls, diese Bedetungsvielfalt!

Was nutzt du für ein Betriebssystem? Unter Windows hilft die (Start -> (Alle) Programme -> Zubehör -> Systemprogramme ->) Zeichentabelle.

caru

"brötchen" hab ich auch schon mal als ausdruck für "gesäß" gelesen. in einem ralf-könig-comic ;D
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Nijntje - de echte nederlandse konijn

amarillo

Abschwiff von Brötchen und Stulle, aber thematisch verwandt: im Raum Köln - so erfuhr ich unlängst - hat sich für die allgemein bekannten Puddingteilchen/Puddingbrezel der Begriff "Eiterbrille" etabloren. Wenig appetitanregend, aber in seiner Bildhuft kaum noch zu übertreffen.
Das Leben strebt mit Urgewalt nach Entstehung und Musik.

VerbOrg

Ich hoffe, die Dinger schmecken nicht so, wie sie aussehen...

Stollentroll

Zitat von: Günter Gans in 2005-11-12, 23:12:28
Nett auch die übertragenen Bedüte für "Brötchen": Solingen: weibliches Geschlechtsteil

Wo um alles in der Welt hast Du denn die Info her   ???  Das war mir bis getz nicht bekannt   :o
3 Dinge sagen immer die Wahrheit : Kinder, Besoffene und Leggings.

Berthold

#28
Zitat von: amarillo in 2006-11-04, 12:34:59
Abschwiff von Brötchen und Stulle, aber thematisch verwandt: im Raum Köln - so erfuhr ich unlängst - hat sich für die allgemein bekannten Puddingteilchen/Puddingbrezel der Begriff "Eiterbrille" etabloren. Wenig appetitanregend, aber in seiner Bildhuft kaum noch zu übertreffen.
Die 'Eiterbrille' führt uns nun froychl zu einem Abschwiff in einen wahrhaft 'uadinea-n' Sprachbereich, zur Fachsprache an & in den Wiener Würstelständen:
Unter dem, das ich in jüngerer Zeit aufschnipp, nenne ich zuerst die 'Eitrige' (sprich etwa: Aeddreche) selbst, auch 'Eiterfinger' geheißen. Das ist die 'Käsekrainer'. Eine Wurstsorte, die, auf dem Blech erhotzen und dann (an)geschnitten, allerliebst & bis an das Fensterglas (wenn's ganz schlimm kommt, in ein Kundenauge - 'in di Gluudsch fon an Ghund-n'), Käsetröpferln ejakulieren kann. Wie die 'Waldviertler' heißt, muß ich, trotz der gleichfalls mannchlnen Symbolik, verschweigen, weil's zwar ein wagn bewundernd, aber doch rassistisch ist.
Dafür nenne ich den 'Buckel' (Buugl), das 'Scherzerl', das abgeronde Stück an beiden Enden eines Brotes. Erwähnen will ich auch den 'G'spiebenen' (Gschbiiwana), den scharfen Senf, oder den Griffigen, den süßen Senf, mit kleinen dunklen Flankerln drin (Frage: "Siass oda schoaf?"). Selbst über die 'Arschpfeiferln' (Oaschbfaeffa-ln), die scharfen Pfefferonis, will ich nicht mein Schweigen breiten. Lassen wir's mit den 'Mottenkugeln', den weißen Zwiebelchen, hier genug sein.
Getrunken wird dazu etwa ein 'Aluweckerl' - eine Dose Bier -, beispielsweise ein 'Sechzehnerblech' (Sechdsenableech), ein Ottakringer, dessen Brauerei im 16. Wiener 'Hieb', eben in Ottakring, steht.
An Kebapständen habe ich noch keine Sprachforscherei butriemb.



katakura

... da bertl gerade so schön von den würstelständen beracht, möchte ich als thüringer doch auch noch meinen senf dazugeben, bzw. euch auf die bemme schmieren:

... der begriff ,,bemme" stammt wahrschieln aus dem ostmitteldeutschen (thüringische und sächsische mundarten), wo er heute noch vielerorts gebraulch ist ...

... meines wissens nach wird er erstmals durch LUTHER (der zum einen thüringer war und zum anderen ,,nach der meißnischen kanzley" schrieb) erwohnen ... in seiner 1525 verfießenen epistel ,,habt eynerley mutt und synn unternander" beklug der gute martin den hang der menschen, sich auf herkunft und geburt etwas einzubilden ... als beispiel dafür fohr er die kinder an, die sich bereits ebenso verhielten: ,,... die kinder thun auch also, eym iglichen gefellet seyne putterpomme am besten" (einem jeglichen gefällt seine Butterbemme am besten) ...

... seinerzeit schon scheint die butterbemme also ein beliebtes und gängiges essen gewesen zu sein ... und wenn ihr in die nächste butterbemme beißt, gedenket mal eben luthers "putterpomme" :)
Toleranz ist vor allem die Erkenntnis, dass es keinen Sinn hat, sich aufzuregen. (Helmut Qualtinger)