Zahlensprache

Begonnen von amarillo, 2005-03-07, 09:44:45

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amarillo

Woher kommt eigentlich die deutsche Form, Zahlen zu sprechen (einer vor Zehner); im Englischen und in den mir bekannten romanischen Sprachen ist das umgekehrt. Hier findet das auch jemand seltsam:
http://www.sueddeutsche.de/,tt2m2/jobkarriere/berufstudium/artikel/858/48810/
Das Leben strebt mit Urgewalt nach Entstehung und Musik.

Arnymenos

Ich finde das ganz normal. Spätestens seit ich gälische Sprache (Gaeilge na hEireann (Irlands) agus (und) na hAlban (Schottlands)) kenne. Da geht das so:

ein Mann und zwanzig

Ein solches System funktioniert schön bis eben zur Zehn. Es scheint (wie auch das Deutsche) nicht unter Berücksichtigung höherer Zahlen geschaffen zu sein. Und das ist doch mehr als verständlich: Der homo spaiens primonumericus sagt zu seiner Primonumerica: "Du Schatz, ich habe gerade Zahlwörter erfunden!" Worauf sie in weiser weiblicher Voraussicht antwortet: "Das führt aber zu Problemen mit Zahlen, die über die Anzahl unserer Finger hinausgehen. Stell' Dir nur vor, wie sehr die Wirtschaft darunter leiden wird!"

Demjenigen, der das angelsächsische System für gut hält, halte ich Folgendes entgegen: Da es international im Flugverkehr eingesetzt wird, führen Missverständnisse hin und wieder zu Tragödien. Wegen Unklarheiten der englischen Sprache sterben Menschen! In einem meiner Kurse an der Uni diskutieren wir das kommenden Freitag. (Jedenfalls haben wir uns das so bestellt, weil wir diese Behauptung des Dozenten doch etwas krass fanden. Jetzt lesen wir den Artikel über diese Unfälle.)
Ein Beispiel: 2.2-2.22 heißt [tu: tu: tu: tu: tu: tu:]. Erinnert stark an die 666 französischen Sägen. Da wurden Höhenangaben missverstanden und Flugzeuge kollidierten mit Bergen.

Aber im Rahmen von Pisa fand man auch heraus, dass das Walisische wegen seines klaren Zahlensystems den Kindern das Rechnen schneller beibringt. Seltsam, da es doch mit dem Irischen und Schottisch-Gälischen verwandt ist. Meine Mitgrundschüler schrieben 657 zum Teil so: Erst die 6, dann die 7 auf Lücke, dann die 5 reingequetscht. So wollten sie Fehler vermeiden. Aber mit einer Zahlenreform löst man keine Bildungsprobleme. Das Argument, Ausländern entgegenzukommen, finde ich besonders pervers. Sollen wir auf die Grammatik und unsere schönen synthetischen Formen (und zwölf, einundzwanzig sind mehr oder weniger synthetisch) verzichten, nur weil diejenigen, die kein richtiges Deutsch können, das nicht verstehen? Ja, warum sprechen wir dann nicht gleich alle Türkisch, oder Arabisch, oder Englisch?

Man rechnet nicht in Zahlwörtern. Jedenfalls ich nicht. Ich habe keinen Denkprozess, der [tse:n] und [aIns] zu [Elf] umsetzt. Ich kann [tse:n] auf 10 abbilden, [aIns] auf 1, die beiden addieren, und das Ergebnis als [Elf] aussprechen. In Einzelfällen kann ich/man phonetisch/morphologisch addieren. "Eins und zwanzig" ist "einundzwanzig", "dreihundert und vier" ist eben das, "dreihundertzwanzig und vier" ist "dreihundertvierundzwanzig". Erstklässler mögen das so versuchen, und dann sind sie mit dem Walisischen, Japanischen etc. besser beraten. Aber ich bezweifele, dass das die Fähigkeit des Rechnens ist. Für das Rechnen gibt es Zahlsymbole, gerade um Zahlwörter vom Rechnen zu trennen.

Mit meiner ganzen verbissenen Ignoranz: Die Zahlsprech-Reform ist Müll. Sie fördert das Rechnen nur oberflächlich, führt zu Mehrdeutigkeiten an Stelle von schwierigen Eindeutigkeiten und zerstört die synthetische Komponente von Sprache.

amarillo

Danke für die vielen lieben Worte, aber meine Frage berühren diese nicht, die zol nämlich darauf ab, woher die deutsche Sprechweise stammt.
Ich hatte keinerlei Kritik an der Sprechweise anderer Sprachen im Sinn, es darf gern alles so bleiben, wie es ist.
Das Leben strebt mit Urgewalt nach Entstehung und Musik.

MrMagoo

#3
Zitat von: Arnymenos in 2005-03-07, 12:20:51
Ich finde das ganz normal. Spätestens seit ich gälische Sprache (Gaeilge na hEireann (Irlands) agus (und) na hAlban (Schottlands)) kenne. Da geht das so:

ein Mann und zwanzig

Ja, das wäre  "aon air fhichead", alternativ gibt es im Gälischen aber auch "fichead 's a h-aon".



ZitatEin solches System funktioniert schön bis eben zur Zehn. Es scheint (wie auch das Deutsche) nicht unter Berücksichtigung höherer Zahlen geschaffen zu sein. Und das ist doch mehr als verständlich: Der homo spaiens primonumericus sagt zu seiner Primonumerica: "Du Schatz, ich habe gerade Zahlwörter erfunden!" Worauf sie in weiser weiblicher Voraussicht antwortet: "Das führt aber zu Problemen mit Zahlen, die über die Anzahl unserer Finger hinausgehen. Stell' Dir nur vor, wie sehr die Wirtschaft darunter leiden wird!"

Ehm... bitte??



ZitatDemjenigen, der das angelsächsische System für gut hält, halte ich Folgendes entgegen: Da es international im Flugverkehr eingesetzt wird, führen Missverständnisse hin und wieder zu Tragödien. Wegen Unklarheiten der englischen Sprache sterben Menschen! In einem meiner Kurse an der Uni diskutieren wir das kommenden Freitag. (Jedenfalls haben wir uns das so bestellt, weil wir diese Behauptung des Dozenten doch etwas krass fanden. Jetzt lesen wir den Artikel über diese Unfälle.)
Ein Beispiel: 2.2-2.22 heißt [tu: tu: tu: tu: tu: tu:]. Erinnert stark an die 666 französischen Sägen. Da wurden Höhenangaben missverstanden und Flugzeuge kollidierten mit Bergen.


Da halte ich aber dann doch eher andere Gründe für die entscheidenden, daß es zu Unfällen kommt - beispielsweise eine unklare Aussprache.
Bei der Zahl 2.2-2.22 werden mit Sicherheit auch die Punkte berücksichtigt, gelesen wohl als "two-dot-two-dash-two-dot-twenty-two (oder: double-two)".



ZitatAber im Rahmen von Pisa fand man auch heraus, dass das Walisische wegen seines klaren Zahlensystems den Kindern das Rechnen schneller beibringt. Seltsam, da es doch mit dem Irischen und Schottisch-Gälischen verwandt ist. Meine Mitgrundschüler schrieben 657 zum Teil so: Erst die 6, dann die 7 auf Lücke, dann die 5 reingequetscht. So wollten sie Fehler vermeiden.

Ich kenne viele Deutsche, die das auch heute auf diese Weise machen.



ZitatAber mit einer Zahlenreform löst man keine Bildungsprobleme. Das Argument, Ausländern entgegenzukommen, finde ich besonders pervers. Sollen wir auf die Grammatik und unsere schönen synthetischen Formen (und zwölf, einundzwanzig sind mehr oder weniger synthetisch) verzichten, nur weil diejenigen, die kein richtiges Deutsch können, das nicht verstehen? Ja, warum sprechen wir dann nicht gleich alle Türkisch, oder Arabisch, oder Englisch?

So in etwa sehe ich das auch, ich würde sogar noch weitergehen: Eine Zahlenreform wäre an Verwirrung gar nicht mehr zu übertreffen.

Die Zahl 21 wird nicht unbedingt als synthetische Form aufgefaßt, selbst wenn sie in einem Wort geschrieben steht. Ob man Einundzwanzig oder Ein-und-zwanzig schreibt, ist nur eine normative Regel.
Selbst 12 ist nicht wirklich synthetisch, wird aber so aufgefaßt, da die Bestandteile kaum mehr zu erkennen bzw. abzuleiten sind.
Genaugenommen ist das komplette Zahlensystem komplexer als man sich vorstellen kann.

Interessanterweise können im Französischen Bildungen wie "quatre-vingt-dix" (90) von Muttersprachlern tatsächlich nicht immer aufgedröselt werden.
Ich habe schon ein paar erstaunten Franzosen ihre eigene Zahlenbildung erklärt! :)
Da das Französische aber einen fast manischen Drang zum Verschleifen und Zusammenziehen hat, denke ich, daß das hier eher der Grund dieser Synthetisierung ist.


ZitatMan rechnet nicht in Zahlwörtern. Jedenfalls ich nicht. Ich habe keinen Denkprozess, der [tse:n] und [aIns] zu [Elf] umsetzt. Ich kann [tse:n] auf 10 abbilden, [aIns] auf 1, die beiden addieren, und das Ergebnis als [Elf] aussprechen. In Einzelfällen kann ich/man phonetisch/morphologisch addieren. "Eins und zwanzig" ist "einundzwanzig", "dreihundert und vier" ist eben das, "dreihundertzwanzig und vier" ist "dreihundertvierundzwanzig".

In Einzelfällen??
Mit Ausnahme weniger Zahlen steht dir aber eine unendliche Zahlenreihe gegenüber, die eben genauso morphologisch und phonetisch zusammengesetzt ist.

Meiner Meinung nach ist das gesamte Zahlensystem der deutschen Sprache eine Mischung aus auf verschiedenen Grundzahlen aufbauende Gesamtheit:

Hauptsächlich bestimmt durch das metrische System werden besonders Zahlen ab 10 so geordnet, dabei sind jeweils die Zehner die wichtigen Bausteine, auf die alles weitere aufbaut und die in sich selber wiederum eigentlich analytische Zehnerzusammensetzungen sind:

Das Suffix "-zig" steht im Grammatischen Wechsel (=> hier der Wechsel g/h wie auch in ziehen-gezogen) und e-->i Umlaut mit "zehn". "Zig" bedeutet demnach nichts anderes als eine Einheit von Zehn --> die "Zehner" werden also in dieser Weise geformt:
20 --> zwan+zig = zwei Zehner ('zwan' ist eine alte flektierte Form von zwei)
30 --> drei+zig = drei Zehner ('-ßig' anstelle von '-zig' hat hier eine lautliche Ursache)
40 --> vier+zig = vier Zehner usw.
Noch im Mittelhochdeutschen wurde auch die Zahl 100 so geformt:
100 = zehanzic = zehn Zehner

Weiterhin ist übrigens selbst die Zahl Zehn im Grunde eine analytische Form, ihre Bestandteile waren einst "zwe+han"; 'zwe' ist natürlich eine Form von "zwei", 'han' bedeutet nichts anderes als "Hand".
Zehn heißt also im Grunde: Zwei Hand.

Zu Elf und Zwölf:
Auch diese beiden Zahlen sind zusammengesetzt, nämlich folgendermaßen:
Elf < ein+lif
Zwölf < zwâ+lif

"Lif" ist eine Bildung zu einer Wurzel, die noch im englischen Zeitwort "leave" vorhanden ist und bedeutet somit "Das Übrige, Übriggelassene".
Elf und Zwölf bedeuten daher "Ein Übriges" bzw. "Zwei Übriges" aufbauend auf der Einteilung zu "Zwei Hände"

Bei den Zahlen von 13-19 tritt '-zehn' an die Stelle von -lif.
Dies deutet auf eine alte Zählweise in Zwölferschritten hin, daher wohl auch das Wort "Dutzend", welches wiederum aus dem Lateinischen stammt und nichts anderes beseutet als "dua+decem" (Zwei+Zehn(er)).

Übrigens ist hier zu beachten, daß selbst die englische Sprache bei der Anordnung Einer+Zehner bleibt: Eleven => a+lif, Twelve => twa-lif, weiterhin thirteen, fourteen, etc. wie auch im Deutschen drei+zehn, vier+zehn, usw.

Ab 10 sind also alle Zahlen aus analytischen Bildungsweisen hervorgegangen, doch ist dies wahrscheinlich auch der Fall bei einigen Zahlen unter 10:

Die Zahlen Eins, Zwei, Drei sind sehr alte Zahlen und wahrscheinlich synthetisch - doch scheinen mir die Bildungen zwei und drei aufgrund derselben Endung -ei verdächtig...
Auch Vier, Fünf, Sechs und Sieben sind recht alt, aufgrund dessen ist auch eine genaue Analyse hier schwierig.
Die Zahl Acht ist dem etymologischen Wörterbuch zufolge eine alte Dualbildung zu Vier, bedeutet demnach "Zwei Vierer" und
Neun ist interessant, denn die Zahl ist wahrscheinlich aus einer Bildung zum Adjektiv neu entstanden, was noch deutlich zu erkennen ist.
Danach bezeugt 'Neun' eine alte, auf Acht aufbauende Zählweise, denn sie ist die neue Zahl, diejenige, mit der eine neue Reihe beginnt.

Weitere Einteilungen, die auch aus anderen Zahlsystemen stammen könnten, sind Sammelbezeichnungen wie beispielsweise:
Paar = 2 Stück
Dutzend = 12 Stück (s.o.)
Schock = 60 Stück
---> eine im Französischen erhaltene Einteilung, denn Zahlen ab 60 werde zusammengesetzt, z.B. 70 = soixante-dix.
Eine Einteilung, die auf 20 beruht muß es auch gegeben haben, wie oben erwähnt bedient sich auch das Französische und das Gälische dieses Aufbaus.


ZitatErstklässler mögen das so versuchen, und dann sind sie mit dem Walisischen, Japanischen etc. besser beraten. Aber ich bezweifele, dass das die Fähigkeit des Rechnens ist. Für das Rechnen gibt es Zahlsymbole, gerade um Zahlwörter vom Rechnen zu trennen.

Ich vermute eher, daß es die Zahlsymbole hauptsächlich deshalb gibt, um schriftliches Rechnen zu vereinfachen und überschaubar zu machen:

1743
+231
-------
1974
====

Anstelle
Eintausendsiebenhundertdreiundvierzig
+Zweihunderteinunddreißig
---------------------------------------------------
Eintausendneunhundertvierundsiebzig
=============================



ZitatMit meiner ganzen verbissenen Ignoranz: Die Zahlsprech-Reform ist Müll. Sie fördert das Rechnen nur oberflächlich, führt zu Mehrdeutigkeiten an Stelle von schwierigen Eindeutigkeiten und zerstört die synthetische Komponente von Sprache.

Dito :)
Wâ mag ich mich nu vinden? wâ mac ich mich nu suochen, wâ? nu bin ich hie und bin ouch dâ und enbin doch weder dâ noch hie. wer wart ouch sus verirret ie? wer wart ie sus zerteilet mê?
(Gottfried von Straßburg)

amarillo

#4
Ich werde das Gefühl nicht los, daß ihr meine Frage nicht verstanden habt, oder nicht beantworten wollt. Nochmal:

Warum sprechen wir die Einer vor den Zehnern, die Romanen und Briten aber die Zehner vor den Einern?

Wie's die Slawen halten, weiß ich nicht, auch Finnen und Ungarn liegen diesbezüglich für mich im Dunkeln.
Das Leben strebt mit Urgewalt nach Entstehung und Musik.

gehabt gehabt

#5
ZitatEin Beispiel: 2.2-2.22 heißt [tu: tu: tu: tu: tu: tu:]. Erinnert stark an die 666 französischen Sägen. Da wurden Höhenangaben missverstanden und Flugzeuge kollidierten mit Bergen.


Das klingt nach der Anekdote, wo ein Englaender in Paris zwei Fahrkarten
bestellt:  Two to Toulouse , und darob der Beamte antwortet:
Taeteraetaetae


Am Deutschen stirbt's sich nicht so leicht, aber wie in einem anderen Faden
erwaehnt, kann man durch die Fuehrerscheinpruefung fallen:
Parken Sie hinter dem roten Auto!
Was soll man machen? Das Auto passieren und dann parken, oder
parken, bovor man es passiert hat?

gehabt gehabt

Hier eine Hypothese zum Zaehlen auf Deutsch:

Klar dass der Haeupling der Germanen, seine Finger benutzt hat, wenn er nach der Schlacht seine Mannen zusammengezaehlt hat: 'drei unddreissig, 'vier und dreissig
'fuenf unddreissig. Der Haeuptling der Iberer hat es ebenso gemacht treinta y 'tres,
treinta y 'cuatro ...

Das Wichtige bei dieser schwierigen Beschaeftigung, ist, sich nicht bei den Einern zu verzetteln, die Zehner behaelt man leicht "im Sinn". Das Deutsche betont natuerlicherweise die erste Silbe, deshalb muss der Deutsche so zaehlen, dass die Einer mit der betonten Silbe zusammenfallen und der Romane macht es genauso.

Die Ger- und die Romanen zaehlen also nicht unterschiedlich sondern nach dem gleichen Prinzip: die Einser werden betont.

Versucht mal mit den Fingern zu Zahlen, wenn es hiesse: 'dreissig drei,   'dreissig vier ...

Davon stirbt auch niemand aber man verzaehlt sich eben leicht.

caru

die slawen sind "vernünftig", so weit ich weiß, und sagen erst die hunderter, dann die zehner, dann die einer. desgleichen die ungarn und türken, vermutlich auch die finnen.

den gleichen seltsamen dreh wie die deutschsprachigen haben auch die inder: 657 heißt auf sanskrit

s.ad. ´sataani saptapa^ncaas.ac ca
"sechs hunderte siebenundfünfzig und"

und auf hindi

chah sau sattaavan
"sechs hundert siebenundfünfzig"

also ist die antwort ganz klar: wir machen das aus solidarität mit den indern  :D
(\___/)
(>´x´<)
('.')__('.')

Nijntje - de echte nederlandse konijn

amarillo

Na bitte, geht doch; so einfach und ergreifend können auch komplexe Sachverhalte gekloren werden. ;D

Ich danke Dir, caru (oder sollte ich "sabu" sagen?)

Lang lebe die deutsch-indische Sprachsolidarität. Leuchtet ja auch ein: die Inder haben Mathe erfunden, also muß deren (und unsere) Redeweise richtig sein - fertig. ;)
Das Leben strebt mit Urgewalt nach Entstehung und Musik.

Arnymenos

Und die Inder sind ja schwer im Kommen... also völlig gerechtfertigt.

Da waren noch ein paar Punkte offen aus meinem langen Beitrag.
Das Urmenschenbeispiel: Genau so unsinnig ist es, Zahlensysteme unter dem wirtschaftlichen Aspekt zu erfinden. Jedenfalls damals.
Die morphologische/phonologische Addition: So, dass man keine Wurzeln verändern, ja gar nicht rechnen muss, sondern nur die Ausspracheformen der Wörter behandeln. Funktioniert natürlich unendlich oft, aber ist dennoch deutlich in der Minderheit (dürfte gegen Null gehen).
Naja, alles nicht so wichtig.

Dann habe ich aber nochmal eine Frage: Wie sieht ein Dual der Zahl vier aus? Semantisch ist das ein Paar von Vierergruppen, oder? Aber ich sehe zwischen "vier" und "acht" keinerlei Zusammenhang. Ist das dann eine Suppletivform (Ersatzbildung)? Warum dann aber gerade 4-8 und nicht auch 3-6, wenn wir ohnehin von Suppletion ausgehen müssen?

caru

einen dual von vier kenne ich nicht. aber "acht" heißt im altindischen neben as.t.a auch as.t.au - und das -au hintendran sieht wie eine duale nominativendung aus. auch bei altgriechisch oktô kommt die dual-assoziation auf.

das erklären nun manche als "zweimal die spitzen" (vgl. griechisch ak-ros "spitz", ak-mê "gipfel" usw.) - weil es eine einhändige zählmethode gegeben habe, bei der man mit dem daumen an den fingerspitzen entlangzählt. und das sind dann eben vier, und zweimal die fingerspitzen sind acht. insofern wäre "acht" für die indogermanen und/oder -iraner etwas duales gewesen, daher die endung.
(es stimmt, daß auch noch zeitgenössische indische händler einem die preise vorrechnen, indem sie mit einem daumen an den fingern derselben hand rumfummeln. aber das system dahinter durchschaut man als westler nie, geht zu schnell  ::))

obige ausführungen entspringen unüberprüft aus den tiefen meiner erinnerung und können ungenau sein. Magoo?
(\___/)
(>´x´<)
('.')__('.')

Nijntje - de echte nederlandse konijn

Kilian

Kennt sich hier eigentlich jemand mit Esperanto aus? Mich interessöre, wie da das Zahlensprechen gelöst ist. Ideal wäre für mich in einer Kunstsprache, wenn man möglichst einfach die dezimale Zusammensetzung heraushören könnte, gleichzeitig die Wortgrenzen beim Sprechen mehrerer Zahlen unmittelbar hintereinander aber auch eindeutig hörbar sind. Ihr wisst schon, dass so Sachen wie "neun, zehn, tausenddreihundert, vier..." -> "neunzehn, tausend, dreihundertvier" nicht passieren können.

caru

"nau, dek, mil tricent, kvar..."
"dek-nau, mil, tricent kvar..."

das wären deine beiden zahlenreihen auf esperanto. das prinzip bei vielstelligen zahlen ist einfach: von links nach rechts. niemals irgendwelche verbindungsdingsbumse wie "und"; keine sonderwörter für zahlen über 10, wie "elf" oder "zwölf". also:

naucent sepdek-unu mil tricent okdek-kvin
"neunhundert siebzig-eins tausend dreihundert achtzig-fünf"
= 971385
(\___/)
(>´x´<)
('.')__('.')

Nijntje - de echte nederlandse konijn

MrMagoo

#13
Zitat von: gehabt gehabt in 2005-03-07, 15:09:41
Hier eine Hypothese zum Zaehlen auf Deutsch:

Klar dass der Haeupling der Germanen, seine Finger benutzt hat, wenn er nach der Schlacht seine Mannen zusammengezaehlt hat: 'drei unddreissig, 'vier und dreissig
'fuenf unddreissig. Der Haeuptling der Iberer hat es ebenso gemacht treinta y 'tres,
treinta y 'cuatro ...

Das Wichtige bei dieser schwierigen Beschaeftigung, ist, sich nicht bei den Einern zu verzetteln, die Zehner behaelt man leicht "im Sinn". Das Deutsche betont natuerlicherweise die erste Silbe, deshalb muss der Deutsche so zaehlen, dass die Einer mit der betonten Silbe zusammenfallen und der Romane macht es genauso.

Die Ger- und die Romanen zaehlen also nicht unterschiedlich sondern nach dem gleichen Prinzip: die Einser werden betont.

Versucht mal mit den Fingern zu Zahlen, wenn es hiesse: 'dreissig drei,   'dreissig vier ...

Davon stirbt auch niemand aber man verzaehlt sich eben leicht.


Diese These leuchtet ein, so hätte ich mir das auch zusammengereimt.

Das Englische hat (soweit ich das behalten habe) in älteren Sprachstufen wie das Deutsche gezählt, also Einer vor Zehner.
Da das Englische aber romanische Wörter und auch Bildungsweisen später wie ein Schwamm aufgesogen hat, könnte der Übergang ins Zehner-Einer-System eine Folge der Romanisierung sein.
Wâ mag ich mich nu vinden? wâ mac ich mich nu suochen, wâ? nu bin ich hie und bin ouch dâ und enbin doch weder dâ noch hie. wer wart ouch sus verirret ie? wer wart ie sus zerteilet mê?
(Gottfried von Straßburg)

MrMagoo

#14
Arnymenos
ZitatDann habe ich aber nochmal eine Frage: Wie sieht ein Dual der Zahl vier aus? Semantisch ist das ein Paar von Vierergruppen, oder? Aber ich sehe zwischen "vier" und "acht" keinerlei Zusammenhang. Ist das dann eine Suppletivform (Ersatzbildung)?

Zitat von: caru in 2005-03-07, 19:04:23
einen dual von vier kenne ich nicht. aber "acht" heißt im altindischen neben as.t.a auch as.t.au - und das -au hintendran sieht wie eine duale nominativendung aus. auch bei altgriechisch oktô kommt die dual-assoziation auf.

das erklären nun manche als "zweimal die spitzen" (vgl. griechisch ak-ros "spitz", ak-mê "gipfel" usw.) - weil es eine einhändige zählmethode gegeben habe, bei der man mit dem daumen an den fingerspitzen entlangzählt. und das sind dann eben vier, und zweimal die fingerspitzen sind acht. insofern wäre "acht" für die indogermanen und/oder -iraner etwas duales gewesen, daher die endung.
(es stimmt, daß auch noch zeitgenössische indische händler einem die preise vorrechnen, indem sie mit einem daumen an den fingern derselben hand rumfummeln. aber das system dahinter durchschaut man als westler nie, geht zu schnell  ::))

obige ausführungen entspringen unüberprüft aus den tiefen meiner erinnerung und können ungenau sein. Magoo?

Ja, genau so ist es, caru.
Aus dem etymologischen Wörterbuch kann ich noch folgendes beisteuern:

VIER
mhd. vier, ahd. fior, angelsächs. fêower, engl. four.
Das daneben erscheinende angelsächs. fydher- weist mit gleichbedeutend gotisch fidwôr auf eine germanische Grundform *petwor, die mit altirisch cethir, lat. quattuor, altindisch catúr, litauisch keturì auf indogermanisch *kuetuôr (mit verschiedenen Ablautbildungen) zu vereinen ist. Dessen Deutung kann nur mit Vorbehalt gegeben werden:
Nach F. Muller, Idg. Forschung, 1927, ist es eine alte Zusammensetzung *oket(o)-uoro "Spitzenreihe", aus dem unter acht entwickelten *oketom und altind. vâra, litauisch vorá "Reihe".

ACHT
Ahd. ahto, angelsächsisch eahta, engl. eight vereinen sich mit griech. októ, lat. octô, altirisch ocht, altind. astáu auf indogerm. *oktôu, offenbar eine Dualform, die als "zwei Vierer" zu deuten sein dürfte.
Zur Wurzel *ak-, *ok- gehört mit gleichem Suffix wie *(de)km-tom "Zehnerreihe, Hundert" zu indogerm. *dekm "Zehn" ein indogerm. *oketom "Spitzenreihe", das im Dual *oketôu die zweimal vier Spitzen der Finger beider Hände (ohne Daumen) bezeichnen konnte.


Die Chinesen zählen übrigens interessanterweise mit nur einer Hand bis (mindestens) zehn. Das wäre das, was Du bei den Iranern angesprochen hast, caru.


ZitatWarum dann aber gerade 4-8 und nicht auch 3-6, wenn wir ohnehin von Suppletion ausgehen müssen?

Wie erwähnt gehe ich persönlich davon aus, daß es mehrer Zahlsysteme gibt/gab, die sich mischten, sodaß wir die Zahlen 4 und 8 aus einer auf 4 oder 8 aufbauenden Zahlenreihe genommen haben, die Zahlen 3 oder sechs aus einem anderen System stammen.
So würde ich auch die Zahl 'fünf' als eine aus einem weiteren Zählsystem stammende Zahl auffassen, denn unsere 'zehn' ist wie gesagt eine Zusammensetzung aus zwe-han ('zwei Hand, Hände'). Die Grundzahl für 5 (eine Form, die in etwa der Form "han" entsprechen müßte, ist verlorengegangen.).
Kennt jemand zufällig eine Sprache, in der die Zahl 5 Ähnlichkeit mit der Form "han" hat?!

Dies ist wie gesagt eine These meinerseits - vielleicht weiß jemand von euch noch weiteres? :)
Wâ mag ich mich nu vinden? wâ mac ich mich nu suochen, wâ? nu bin ich hie und bin ouch dâ und enbin doch weder dâ noch hie. wer wart ouch sus verirret ie? wer wart ie sus zerteilet mê?
(Gottfried von Straßburg)