Kausativ in Konjugationsliste aufnehmen

Begonnen von gehabt gehabt, 2005-03-10, 10:26:47

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versucher

Da kommen wir an einen spannenden Punkt:
Wenn wir all das abziehen, was du nennst, ist es dann noch Deutsch? Ich meine, wie viel kann man dem Deutschen nehmen, bis es nicht mehr Deutsch ist? Geht das überhaupt? Ab wann wäre es eine andere Sprache oder "nicht mehr" Deutsch? Wo verlaufen die Grenzen zwischen Sprachen? Das Thema Platt schneidet ähnliches an, in einem andern Faden hieß es, es sei kein deutscher Dialekt, sondern eine andere Sprache. Woran erkennt man das?

Und zum attributiven Gebrauch kann man ein Riesenfass aufmachen.
Ich anne das ause Radio und ause das anne Licht. Aber wir sprechen ja gerade woanders vom nämlichen Thema!


Arnymenos

Die größten und zudem morphemlosen Wortkategorienverhunzer, die Amerikaner, schaffen es nicht, ein außes Licht zu annen: "to on an out light"? Das würde nichtmal mein Prof hier sagen, und der schreckt sonst vor nichts zurück. (<eine seltsame Konstruktion von ihm> -- "Can you say that?" -- "I just said it." Das ist seine Argumentation.)

Wenn man vom "anschalten" zum "an machen" geht, dann verliert das Verb seine Bedeutung. Und leere Verben lässt man dann ausfallen... Doch Halt! Hier ändert sich Sprache nicht, hier geht der Inhalt unter, hier treten Mehrdeutigkeiten auf. Ob man ein Licht anzündet, anschaltet oder anknippst, oder ob man einen Motor anwirft, ein Teil anlegt, Geld anlegt, mit etwas angibt, das alles macht doch Unterschiede. Präpositionen haben als Verben keine Existenzberechtigung.

Kann man das denglische "outen" eigentlich im Englischen verwenden? M.E. nicht. Ich schräke davor zurück. Gehört habe ich es in vier Monaten Irland jedenfalls nicht.

amarillo

Zitat von: Arnymenos in 2005-03-13, 14:45:52
(<eine seltsame Konstruktion von ihm> -- "Can you say that?" -- "I just said it." Das ist seine Argumentation.)

Verstehe ich nicht, wo ist der Witz?

ZitatKann man das denglische "outen" eigentlich im Englischen verwenden? M.E. nicht. Ich schräke davor zurück. Gehört habe ich es in vier Monaten Irland jedenfalls nicht.

Aber sicher kann man, wenn man nur will und sich traut. Geht natürlich nicht, wenn man mit einem Auge ängstlich darauf schielt, sich auch bloß "korrekt" auszudrücken, um seine profunden Fremdsprachenkenntnisse vorzuführen.  Dabei zeigt doch erst der spielerische Umgang, daß man sich sprachlich freigeschwommen hat. ;)
Das Leben strebt mit Urgewalt nach Entstehung und Musik.

Arnymenos

Es wird nur witzig, wenn man eine seiner Konstruktionen einfügt. Für ihn existiert diese allein schon deshalb, weil er es gesagt hat.

Kilian

Was hat eine Sprache an grammatischen Konstruktionsmöglichkeiten "nötig"? Mir fallen spontan und intuitiv zwei Antwortmöglichkeiten ein:

1. Was eine Sprache "nötig" hat, bestimmen die Anforderungen, die die Wünsche nach Konstruktionsmöglichkeiten der Sprecher an die Grammatik richten. Eine Quelle solcher Wünsche sind z.B. Analogieschlüsse und "Faulheit":
- "Wenn ich ausgerissen attributiv gebrauchen kann, will ich auch ab attributiv gebrauchen können."
- "Wenn ich das Akkusativ-Objekt durch Passiv zum Subjekt machen kann, will ich auch das Instrumentalis-Objekt durch Instrumentenpassiv zum Subjekt machen können."

2. Eine Sprache hat "nötig", was sie braucht, um alles ausdrücken zu können, was die Sprecher ausdrücken wollen. Arnymenos sagte, glaube ich, mal, alle Sprachen seien in diesem Sinne gleich mächtig. Nach diesem Nötigkeitsbegriff können wir auf sehr viel Schnickschnack verzichten, z.B. auf die von mir genannten Eigenheiten des Deutschen. Und, weniger radikal, die oben genannten Wünsche werden abgeschlagen, die Sprecher werden zur Umgehung der grammatischen Beschränkung verdonnert:
- "Ab ist eine Präposition, also muss ich auf sie verzichten und z.B. von einem ausgerissenen Bein sprechen."
- "'Ich wurde dem Kunden den Stapel tackern gemacht.' klingt sehr umständlich. Da das Deutsche kein Instrumentalis kennt, muss ich hier eben aufs Passiv verzichten."

Nun sprachst du ein anderes Thema an:

Zitat von: versucher in 2005-03-13, 14:12:04Da kommen wir an einen spannenden Punkt:
Wenn wir all das abziehen, was du nennst, ist es dann noch Deutsch? Ich meine, wie viel kann man dem Deutschen nehmen, bis es nicht mehr Deutsch ist? Geht das überhaupt? Ab wann wäre es eine andere Sprache oder "nicht mehr" Deutsch? Wo verlaufen die Grenzen zwischen Sprachen? Das Thema Platt schneidet ähnliches an, in einem andern Faden hieß es, es sei kein deutscher Dialekt, sondern eine andere Sprache. Woran erkennt man das?

"In brief, on purely lingustic grounds, two speech systems are considered to be dialects of the same language if they are (predominantly) mutually intelligible. (...) On the other hand, purely linguistic considerations can be 'outranked' by sociopolitical criteria, so that we often encounter speech systems which are mutually intelligible, but which have nonetheless been designated as separate languages." (David Crystal, Language Death)

Wir hatten diesen letztgenannten Fall schon bei Katalanisch/Hochspanisch, Crystal nennt auch noch Dänisch/Norwegisch/Schwedisch und Serbokroatisch <-> Bosnisch/Kroatisch/Serbisch als Beispiele.

Nach dem rein linguistischen Kriterium wäre unser neues speech system mit Instrumentalis und Instrumentenpassiv vielleicht tatsächlich eine neue Sprache, weil zwar wir die anderen verstehen könnten, die anderen uns aber nicht! ;D Andererseits ist der neue Fall und das neue Passiv vielleicht doch zu sehr eine Randerscheinung, an die man sich schnell gewöhnen könnte, um eine prädominante Interlegibilität kaputt zu machen.

Striche man das vorhandene Hochdeutsch die grammatischen Geschlechter und das Dativ, könnten wir die, die so sprächen, zweifellos verstehen. Die uns auch...? Nach kurzes Eingewöhnung bestimmt. Tja, wie viel müsste man ändern, um das wechselseitige Verstehen so zu beeinträchtigen, dass ein Sprachbarriere entstünde? In dem Tat, ein spannendes Frage.

Ly

Zitat von: Kilian in 2005-03-13, 19:04:18
Striche man das vorhandene Hochdeutsch die grammatischen Geschlechter und das Dativ, könnten wir die, die so sprächen, zweifellos verstehen. Die uns auch...? Nach kurzes Eingewöhnung bestimmt. Tja, wie viel müsste man ändern, um das wechselseitige Verstehen so zu beeinträchtigen, dass ein Sprachbarriere entstünde? In dem Tat, ein spannendes Frage.

Würde man dann noch eine Lautverschiebung hinzufügen, wäre die Sprachbarriere glaube ich da...
It isn't always how you look. Look at me. I'm handsome like anything, and I haven't got anybody to marry me yet.

Arnymenos

Lautverschiebung?

Dann haben wir es bald mit dem Problem zu tun, dass nur das Allerwenigste von dem, was wir erdenken, überhaupt genügend Anwendung in beispielen findet. Und so stünden wir unserer eigenen Kreation ebenso unverständig gegenüber wie alle anderen.

Allerdings wäre es ein großer Spaß, bekannte Lautverschiebungen anderer Sprachen auf das heutige Deutsch anzuwenden. Ein Blick ins Jiddische zeigt da Interessantes wie Naheliegendes. Man kann ebenso gut die Dialekte nehmen.

Die Situation, dass Sprecher der einen Sprache die andere verstehen, aber nicht umgekehrt, ist sehr seltsam. Und in der Tat, gestorkenes (und weiter verschandeltes Deutsch) enthält ja Hochdeutsch, so dass es für uns immer verständlich bleibt. Deutsch plus Instrumentalis ist mehr als Deutsch, wenn der neue Fall nicht Einsparungen an anderer Stelle dient.

Unser Regulativ ist das, was auf die GSV-Seite kommt. Und außer den Verben hat es noch nichts dahin geschafft. Das ist vielleicht auch besser so. Ein neuer deutscher Dialekt gehört unter eine andere Überschrift. Und um einen solchen zu kultivieren sind wir zu wenige, denke ich.

Ich muss amarillo Recht geben, dass es zu lange keine Gedichte mehr gegeben hat. Darin sind doch erst all die neuen Formen erblohen! Mir selbst werde ich in Zukunft auferlegen, alles Neue auch mit einem Gedicht zu unterlegen. Darin fehlt mir zwar die Erfahrung, aber es dient ja einem guten Zweck.

Dass es sich in Zukunft ziehm'
wenn Neues wird erfunden mim,
es auch in Reime sei gefasst,
so dass es in die Sprache passt.

Kilian

Zitat von: Arnymenos in 2005-03-13, 19:35:27Unser Regulativ ist das, was auf die GSV-Seite kommt.

Ich würde dort schon gerne auch unseren Experimenten einen gewissen Platz einräumen, aber so viel Zeit habe ich nicht. Also muss sich das erstmal aufs Forum beschränken.

Arnymenos

Bitte zerstöre nicht den ernsthaften Ansatz der GSV. Wir haben genug Spötter. ;D

MrMagoo

Zitat von: Kilian in 2005-03-13, 19:04:18Nach diesem Nötigkeitsbegriff können wir auf sehr viel Schnickschnack verzichten, z.B. auf die von mir genannten Eigenheiten des Deutschen. Und, weniger radikal, die oben genannten Wünsche werden abgeschlagen, die Sprecher werden zur Umgehung der grammatischen Beschränkung verdonnert:

- "Ab ist eine Präposition, also muss ich auf sie verzichten und z.B. von einem ausgerissenen Bein sprechen."
- "'Ich wurde dem Kunden den Stapel tackern gemacht.' klingt sehr umständlich. Da das Deutsche kein Instrumentalis kennt, muss ich hier eben aufs Passiv verzichten."

"Nötig" scheint mir das meiste in unserer Sprache, das macht sie zu dem, was sie ist.
Ich erwähnte glaube ich schon irgendwo, daß, wenn man auf einer 'Ebene' in der Sprache etwas wegkürzt, dies auch eine Veränderung auf anderen 'Ebenen' der Sprache zur Folge haben kann.
Ein Wegfall der Kasusendungen würde wohlmöglich zu einer festeren Wortstellung im Satz und den häufigeren Gebrauch von Präpositionen führen (siehe Englisch), feste Worstellung wiederum könnte Auswirkungen auf die Konjugation haben, diese wiederum irgendetwas anderes beeinflussen.

Außerdem: Warum sollte eine Präposition nicht auch in die Kategorie eines Adjektivs übergehen können? Im Englischen beispielsweise, das ja auch eine germanische Sprache ist, werden dauernd Wörter anderen Kategorien einverleibt.
Wâ mag ich mich nu vinden? wâ mac ich mich nu suochen, wâ? nu bin ich hie und bin ouch dâ und enbin doch weder dâ noch hie. wer wart ouch sus verirret ie? wer wart ie sus zerteilet mê?
(Gottfried von Straßburg)

Kilian

Zitat von: MrMagoo in 2005-03-13, 21:17:39"Nötig" scheint mir das meiste in unserer Sprache, das macht sie zu dem, was sie ist.

Der Nötigkeitsbegriff mit der laufenden Nummer 3. :D

ZitatAußerdem: Warum sollte eine Präposition nicht auch in die Kategorie eines Adjektivs übergehen können?

Ja, warum nicht? Ich bin ja Anhänger des ersten Nötigkeitsbegriffes!

MrMagoo

Zitat von: Ly in 2005-03-13, 19:22:23
Zitat von: Kilian in 2005-03-13, 19:04:18
Striche man das vorhandene Hochdeutsch die grammatischen Geschlechter und das Dativ, könnten wir die, die so sprächen, zweifellos verstehen. Die uns auch...? Nach kurzes Eingewöhnung bestimmt. Tja, wie viel müsste man ändern, um das wechselseitige Verstehen so zu beeinträchtigen, dass ein Sprachbarriere entstünde? In dem Tat, ein spannendes Frage.

Würde man dann noch eine Lautverschiebung hinzufügen, wäre die Sprachbarriere glaube ich da...

*g* Noch eine? Wir verschieben aber wieder die p, t, k, in Ordnung?! ;)
(Soo viele haben wir ja nicht mehr übrig seit der letzten Verschiebung)
Wâ mag ich mich nu vinden? wâ mac ich mich nu suochen, wâ? nu bin ich hie und bin ouch dâ und enbin doch weder dâ noch hie. wer wart ouch sus verirret ie? wer wart ie sus zerteilet mê?
(Gottfried von Straßburg)

gehabt gehabt

Zitat von: Arnymenos in 2005-03-13, 15:13:25
Es wird nur witzig, wenn man eine seiner Konstruktionen einfügt. Für ihn existiert diese allein schon deshalb, weil er es gesagt hat.
Gut gesprochen und beinahe schon cartesianisch. "Dixi ergo est". Fast so gut wie "Le grammaire c'est moi". So antworten bekommt man, wenn man Auslaender ueber deren Grammatik belehren will.  ;)

amarillo

Zitat von: gehabt gehabt in 2005-03-14, 09:22:13

So antworten bekommt man, wenn man Auslaender ueber deren Grammatik belehren will.  ;)

Wer würde das denn wagen? Von Oberlehrern und VHS-Absolventen mal abgesehen. :o
Das Leben strebt mit Urgewalt nach Entstehung und Musik.

Ly

Zitat von: MrMagoo in 2005-03-13, 22:17:32
Zitat von: Ly in 2005-03-13, 19:22:23
Zitat von: Kilian in 2005-03-13, 19:04:18
Striche man das vorhandene Hochdeutsch die grammatischen Geschlechter und das Dativ, könnten wir die, die so sprächen, zweifellos verstehen. Die uns auch...? Nach kurzes Eingewöhnung bestimmt. Tja, wie viel müsste man ändern, um das wechselseitige Verstehen so zu beeinträchtigen, dass ein Sprachbarriere entstünde? In dem Tat, ein spannendes Frage.

Würde man dann noch eine Lautverschiebung hinzufügen, wäre die Sprachbarriere glaube ich da...

*g* Noch eine? Wir verschieben aber wieder die p, t, k, in Ordnung?! ;)
(Soo viele haben wir ja nicht mehr übrig seit der letzten Verschiebung)

Ne, das wäre ja langweilig... man könnte doch mal Vokale verschieben, sowas hatten wir glaube ich noch nicht, oder?
It isn't always how you look. Look at me. I'm handsome like anything, and I haven't got anybody to marry me yet.