NOMEN: Systematischer Teil

Begonnen von Ku, 2005-05-08, 17:37:30

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Kilian

#180
Ich stelle mir gerade Balthasar Matzbach, wie er an der Wurstbude mit vollen Backen neue kakokonsonantische Paradigmen diskutiert, und die pikierten Gesichtszuckungen seines Gegenübers vor.

Abschwiff: Wusstet ihr Zugreisenden eigentlich, dass ihr an historischer Stätte der Bahn hurrt? Als ich gestern Und oben sitzt ein Rabe wahllos in der Mitte aufschlug, sprang mir der fuldamentale Bahnhof ins Auge, an dem der Held des Buches sich gerade befand. Wie er dort hinkam, weiß ich nicht, zum Lesen habe ich diese Woche nämlich keine Zeit. ;D

Fleischers Karsten

Fulda ist auch Teil meiner noch immer nicht geschriebenen Verschwurtheorie...
Karsten

Günter Gans

Zitat von: AmelieZapf in 2006-05-07, 20:31:27
flennen -> Flunst (schon bei Mann)
rennen/rinnen -> Runst (ebenso)

Echt? Wo stehtndat? Thomas? Heinrich? Golo? Oder irgend so 'n Mann an sich? Verzeih, Du musst wissen, lauter Sexisten hier, selbst bei den Weibern.

Nebenbei: Kommt blutrünstig auch von rinnen?
Gehen Sie immer in den Wald zur Paarung? (Loriot)

AmelieZapf

Hallo Günter,

Zitat von: Günter Gans in 2006-05-12, 20:10:47
Zitat von: AmelieZapf in 2006-05-07, 20:31:27
flennen -> Flunst (schon bei Mann)
rennen/rinnen -> Runst (ebenso)

Echt? Wo stehtndat? Thomas? Heinrich? Golo? Oder irgend so 'n Mann an sich?

Das steht hier.


Zitat von: Günter Gans in 2006-05-12, 20:10:47
Nebenbei: Kommt blutrünstig auch von rinnen?

Ich vermute das. Zumindestens läßt das darauf schließen, da der ursprüngliche Bedaut von blutrünstig blutend war, "eine blutrünstige Wunde", also eine, aus der das Blut rinnt. Dementsprechend sei für uns "das Rennen" "die Renst", nicht "die Runst", nach meiner Ablautregel, der noch niemand widersprochen hat.

Liebe Grüße,

Amelie
Religion heute:
Ex oriente deus,
ex machina lux.

AmelieZapf

Hallo zusammen,

wie ich eben herausfand, gibt es selbst für meine unabgelautenen Ünste und Ünfte historisch gewachsene Vorbilder:

dienen -> Dienst
spinnen -> (Ge-)Spinst

Grüße in die Runde,

Amelie
Religion heute:
Ex oriente deus,
ex machina lux.

AmelieZapf

Hallo Gemeinde,

es hebt sich der Vorhang und ich stelle vor: die Zwillingsschwestern von Unft und Unst -- Urst und Ulst!

Beide sind historisch belegt:

wellen -> Wulst
schwellen -> (Ge-)Schwulst
dorren -> Durst

Dies öffnet einer großen Anzahl von Worten die Tür zur starken Substantivur, es seien als Beispiele genannt:

ballen -> Balst
bellen -> Bulst
brüllen -> Brulst
drillen -> Drulst
erhellen -> Erhulst
fällen -> Fulst
fallen -> Falst
füllen -> Fülst
gellen -> Gulst
gesellen -> Gesulst
grollen -> Grulst
hallen -> Halst
hüllen -> Hulst
killen -> Kulst
knüllen -> Knülst
knallen -> Knulst
lallen -> Lulst
prallen -> Prulst
quellen -> Quulst
rollen -> Rulst
schellen -> Schulst
schallen -> Schalst
schmollen -> Schmulst
schnellen -> Schnulst
schnallen -> Schnalst
sollen -> Sulst
stellen -> Stelst
stillen -> Stulst
tollen -> Tulst
trollen -> Trulst
vergällen -> Vergulst
verzollen -> Verzulst
wollen -> Wolst (wg. wellen)

Weiters:

plärren -> Plurst
sperren -> Spurst
zerren -> Zurst

Es gäbe sogar noch die Molg, damit aus Substantiven Verben rückzuzüchten, z.B. "werren" oder "wörren" für "Wurst herstellen". "spennen" für "herumgeistern", "wannen" für "an Gewicht zulegen" (NB: die beiden letzteren ohne Ablut).

Zu guter Letzt (und damit reicht's für heute) öffnet uns (Ge-)Schwulst eine weitere Tür: das konkretere Substantiv wird mit Ge- kennzgeinchen, z.B.:

lehren -> Lurst (Gelehrsamkeit), Gelurst (Lehre).

Gute Nacht wünscht

Amelie
Religion heute:
Ex oriente deus,
ex machina lux.

Günter Gans

Zitat von: AmelieZapf in 2006-05-12, 21:43:23
Das steht hier.

Ach so, DER Mann. Joh, guter Mann, das. Auch seine nach oben offene Kolumne und sein Fränkisch-Sprachkurs haben mich sehr gespießen.
Gehen Sie immer in den Wald zur Paarung? (Loriot)

AmelieZapf

#187
Hallo zusammen,

vor ein paar Wochen schon (bevor ich hier schrieb, also) kam mir auch ein schönes altes Paradigma unter, das Substantive aus Adjektiven erzeugt. Die Rede ist von ~selig -> ~sal. Das geht hin- und rückwärts.

Eine unvollständige Liste (Sternchen markieren Neuschupfe), geornden nach aufsteigender Absard:

mühselig -> Mühsal
trübselig -> Trübsal
scheuselig (vermutlich zu scheußlich kontrahiert) -> Scheusal
labselig* -> Labsal
rinnselig* -> Rinnsal
rührselig -> Rührsal*
saumselig -> Saumsal*
habselig -> Habsal*
armselig -> Armsal*
redselig -> Redsal*
leutselig -> Leutsal*
wirrselig* -> Wirrsal
drangselig* -> Drangsal
feindselig -> Feindsal*
schickselig* -> Schicksal
duselig -> Dusal*
dusselig -> Dussal*
gruselig -> Grusal*
kieselig -> Kiesal*
bruchselig* -> Bruchsal
siselig* -> Sisal

Grüße,

Amy
Religion heute:
Ex oriente deus,
ex machina lux.

Agricola

Nicht zu vergessen:
hörselig - Hörsaal
oh, das war aber jetzt ein Tippfehler!
The future lies in front of me,
but "lies" is all that I can see.

Ku

#189
Zitat von: AmelieZapf in 2006-05-19, 19:57:18
Hallo zusammen,
vor ein paar Wochen schon (bevor ich hier schrieb, also) kam mir auch ein schönes altes Paradigma unter, das Substantive aus Adjektiven erzeugt. Die Rede ist von ~selig -> ~sal. Das geht hin- und rückwärts.
Hai Amelie, würfest du mal einen Blick auf das Brett "Über die GSV" und in den Faden "Enttausch" #12, dann wüsstest du um unsere geistige Nähe.

AmelieZapf

Hallo Ku,

Zitat von: Ku in 2006-05-31, 20:15:50
Hai Amelie, würfest du mal einen Blick auf das Brett "Über die GSV" und in den Faden "Enttausch" #12, dann wüsstest du um unsere geistige Nähe.

der Punkt geht an Dich! Wir sollten unsere schönen Adjekt- und Substantive einmal schön zusammenstellen.

Gruß,

Amy
Religion heute:
Ex oriente deus,
ex machina lux.

Ku

Hei Amy
Zitat von: AmelieZapf in 2006-06-01, 11:26:52
Hallo Ku,
Wir sollten unsere schönen Adjekt- und Substantive einmal schön zusammenstellen.
Gruß,
Amy
Wir sind ja noch gar nicht fertig mit ,,..ei", ,,..enz" und ,,..anz", wie man in diesem Faden ab #145 nachlesen kann.
Du bist unvoreinge-Nomen. Mach mal einen Vorschlach.

Agricola

The future lies in front of me,
but "lies" is all that I can see.

AmelieZapf

#193
Hallo zusammen,

Mr. Magoo bemerkte einmal die Herkuft von Nomen auf *-V-ft von Verben auf *-V-ben. Zum Bsp:

treiben -> Trift
schreiben -> Schrift
geben -> Gift
haben -> Haft

Das Ganze gibt's nun auch brachialabgelauten, als Pendant zu den Ünften, Ünsten, Ürsten und Ülsten, die Üfte:

graben -> Gruft
schieben -> Schuft (vermute ich)
leben -> Luft (kann gut sein).

Jetzt können wir übertragen und uns neue Verben schaffen nach der Nomen Bild:

dieben/daben -> Duft
kraben -> Kraft
saben -> Saft (er steht in Saft und Kraft -> er säbt und kräbt! :D )
taben -> Taft

Schade ist's um schaben -> Schaft und stieben -> Stift. Die sind schon anders belegt.

HALT! Widerruf! Nachtrag: Schaft kann schon von schaben kommen. Ehemals mag ein Schaft (für meinetwegen eine Schaufel) ein simpler Ast gewesen sein, von dem man die Rinde vorher abgeschabt hat.

Der umgekehrte Prozeß geht natürlich auch:

beben -> Buft
bleiben -> Blift
glauben -> Gluft (damit ist das schwächliche "der Glauben" endlich weg)
heben -> Huft (Heft ist schon belegt)
kleben -> Kleft (Kluft ist schon belegt)
lieben -> Lift :) Aerosmith - die Legende lebt
loben -> Loft (auch nett, wir können ja das aus dem Englische eingedrungene Loft wieder wegdrängen)
proben -> Proft, Pruft
rauben -> Ruft
reiben -> Rift
schrauben -> Schruft
schweben -> Schwift
sieben -> Sift (kann es durchaus schon einmal gegeben haben, kommt mir bekannt vor)
stäuben/stauben -> Stuft (Zwei Krapfen bitte, aber sparen Sie sich die Zuckerbestuft)
sträuben -> Struft (Trotz heftiger Struft wurde der Einbrecher verhaften)
streben -> Strift
traben -> Truft
trüben -> Trüft
üben -> Uft (macht den Meister!)
weben -> Wuft

Grüße,

Amy
Religion heute:
Ex oriente deus,
ex machina lux.

Bertl

Zitat von: AmelieZapf in 2006-05-13, 00:37:03
Hallo Gemeinde,

wellen -> Wulst
schwellen -> (Ge-)Schwulst
dorren -> Durst

lehren -> Lurst (Gelehrsamkeit), Gelurst (Lehre).

Gute Nacht wünscht

Amelie

Ihr Lieben!
Ein wenig Pfeifers 'Etymologisches Wörterbuch des Deutschen' durchgeblartten - und gleich findet sich eine Mögleick mehr.

Zwei Beispiele:

brummen (einen tiefen Ton hervorbringen, ..., summen) - Brunft: "Mhd. brunft ist unter Hinzufügung (Hinzufug) eines Gleitlautes -f- und nachfolgendem Wandel von m zu n (wie bei Vernunft, Zunft, ...) ablautendes ti-Abstaktum zu mhd. bremen 'brummen, brüllen' (s. Bremse1, brummen); daher eigentl. (eugalnt) 'Begattungsruf'.

kommen - "Kunft  f. 'das Kommen, Ankommen' (selbständiges Substantiv bis ins 19. Jh. ... Ableitung künftig"
Kunft jetzt in Ab-, An-, Aus- (vgl. Auskunftei), Ein- (wohl jetzt nur noch Einkünfte; "mhd. înkumft 'Eintreffen, Ankunft'"), Her-, Nieder-, Überein-, Unter- Zu- (Adj. zukünftig) und Zusammenkunft.

Herzlichst!
Der Berthold