Numeri

Begonnen von Kilian, 2007-12-21, 18:30:39

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Fleischers Karsten

#30
Das der aggr. Pl. nicht immer mit -nis bebolden wird, beweist übrigens auch die lange Liste von diminutiven Singulären, die wir bereits haben. Der Singular, aus dem wir den dim. Sing. abgelitten haben, ist der aggr. Pl. zu dem dim. Sing. Der dim. Sing. hat dann noch seinen eigenen enum. Pl.
;)

Da kann man sich nach Belieben was rauspicken, etwa – analog zu Planktont - Plankton: Gewitterfront - Gewitterfron (was immer das dann auch sein mag)
Karsten

Fleischers Karsten

Zitat von: amarillo in 2008-01-02, 18:08:03
Und somit starb wieder einmal ein vielversprechender, unschuldiger Spaß auf dem Scheiterhaufen der linguistischen Inquisition. :'(

Ein Spaß ist es naturl, aber das Ganze hat schon einen gewissen Hintergrund. In einem der Bücher von Steven Pinker - ich weiß nicht mehr ob im "Sprachinstinkt" oder in "Wörter und Regeln" - wird das ganz schön anschaul gemachen, wie sich in unserem Geiste mehrere Objekte zusammentun können. Und da gips dann tatsalch so was wie Aggregatbuld, Buld von abzählbaren Mengen oder sogar beides zusammen. Ich glaub er hatte sogar noch mehr Molgen angefiohren. Da waren so Bildchen mit wolkenahlnen Gebilden, wo man das ganze sehr schön sehen konnte. Dummerweise liegen die Pinkers alle noch in einem riesenhaften Karton voll mit Büchern im Keller meiner Vermieterin.
Karsten

amarillo

Natürlich hat das einen ausgewogenen Hintergrund, deshalb schrieb ich ja auch von 'vielversprechendem' Spaß. Und daß ein Spaß eine durchaus ernst zu nehmende Angelag sein kann - wer wewölle daran Zwulf hegen?!
Das Leben strebt mit Urgewalt nach Entstehung und Musik.

Fleischers Karsten

Karsten

Agricola

Beitrag - Beiträge - Beitrügnis

Auch wenn einer viel im Forum schreibt, sollte man sich von seiner Beitrügnis im Forum nicht blenden lassen.

Nicht zu verwechseln mit

Betrug - Betrüge - Betrögnis

Erst als die Ermittler in den Schweinestall kamen, fanden sie die ganze Betrögnis der letzten Jahre im Futtertrog versteckt. "Das war ein Saustall, das können Sie nicht glauben!", sagte Chefermittler Tröger dem Sauerlacher Tageblatt.
The future lies in front of me,
but "lies" is all that I can see.

Berthold

#35
Lieber Karsten!

Ich habe das '-nis' nun überschlampf und ein wagn buarbintt und meine, daß Du mir nicht gram zu sein brauchst. Denn Dein Sprachgefühl traf auf einen wahren Kern!

Laß mich mit dem -nis im 'Kluge' beginnen:
Suffix. Mhd. -nüsse, -nisse f./n., ahd. -nissa f. und -nissi n. (...) Bildet Adjektivabstrakta, auch zu Partizipien, von denen aus neuhochdeutsch eine Umdeutung zu Verbalabstrakta erfolgt. Vergleichbar (...) gotisch -inassus. Die gotischee Form zeigt, daß es sich um -in-assu- handelt; letztlich vielleicht tu-Abstrakta zu Verben auf -at-.

E. Dittmer in: FS Kolb (1989), 53-69; S. Suzuki IF 95 (1990), 184-207.

Nun, was tu-Abstrakta etc. sind, weiß ich nicht. Auch nicht, ob das, was jetzt folgt, Plagiolinguistik ist. Jedenfalls kenne ich das schwäbisch-bairisch-österreichische Wort urassen - etwa: verschwenderisch umgehen. Gegenwargt kam man ja davon ab, aber früher wurde das auf das gotische Wort ufar-assus (ss <- tt) bezong, was im Holthausen (1934) mit "Überfluß, Übermaß" übersetzt wird. Das Verb ufarassjan heißt "überfließen, überfließend machen". 'In' ist aber (auch) verstärkende Partikel in in-ahs: "sehr verständig", in-ahei: "Besonnenheit".
Worauf ich mit dem Gotischen hinauswill? Nun, -inassus dünkt mich mit "ein starkes Ausmaß, ein geriulntt Maß (an, von)" übersetzbar. Dies aber deutet darauf hin, daß -nis wägnstens in seiner Geschichte auf Kollektives, das Singuläre Überschreitendes zu beziehen war.

Daß dies nicht nur Historie ist, macht die folgende Wortliste deutlich, bei der ich - meinem Empfinden nach - Wörter mit ° beziench, die besonders auf eine Vielheit hinweisen ('kollektive Potenz'). Denn erst mehrfaches Erkennen wird zur Erkenntnis führen, ein Behältnis enthält meist nicht nur einen Gegenstand, in einem Verzeichnis stehen viele Wörter, in einem echten Gefängnis sitzen mehrere Gefangene, man muß viel verstehen, um zu einem Verständnis zu gelangen ...
Erstaunlich viele Wörter mit -nis beziehen sich weiters auf allgemeine, kollektive Ängste. Ich habe diese - wiederum subjektiv - mit * beziench ('timorische Potenz'). Bei diesen Ängsten - z.T. auch Wünschen - liegt selbst Dein/Karstens Konjunktiv II bisweilen nahe: Ach, zerwürfe sie sich doch nicht mit mir! Oh, verstände ich das endlich!

Wortliste:
a) von Verben:
°*Ärgernis, °Bildnis, (°)Bündnis, °Gedächtnis, °*Verdammnis, °*Bedrängnis, (°)Ereignis, *Fährnis, °*Gefängnis, °Erfordernis, °Befugnis, °Behältnis, (°*)Verhältnis, °*Verhängnis, *Hindernis, °Kenntnis, °Bekenntnis, °Erkenntnis, *Kümmernis, Erlaubnis, Gelöbnis, Verlöbnis, °Vermächtnis, Empfängnis, °Besäufnis, °*Säumnis, °*Versäumnis,  °*Schrecknis, °*Beschwernis, °*Erschwernis, °(*)Geständnis, (*)Eingeständnis, Zugeständnis, °*Betrübnis, (°*)Wagnis, Bewandtnis, *Wirrnis, °*Zerwürfnis, °*Zagnis (Heinrich Heine), °Verzeichnis, °Erzeugnis         

b) von Adjektiven:
°*Bitternis, °*Düsternis, °Gleichnis, °*Finsternis, (°*)Geheimnis, °*Wildnis

c) übrige:
Firnis 





Fleischers Karsten

Sehr schön! Habe ich also instinktiv doch was halbwex vernünftiges bebolsten.

Das Gleichnis hätte aber auch ein ° verdonen, denn man muss ja mehrere Dinge miteinander vergleichen.
Karsten

Berthold

#37
Ich setz das Ringerl vor das Gleichnis.
Schon gestern war gemmien, daß ich dran gerne ein wagn arbeiten möchte; was inzwischen goschneh ist. - Keine Anquassatz!
Wieso es zum Absatz nach 'Vermächtnis' geknomm ist und warum 'Geständnis' so in der Luft hängt, weiß ich nicht.   

Agricola

Inwiefern sich "Bildnis" auf ein das Singuläre Überschreitendes bezieht, verstehe ich nicht. Es tut dies doch jedenfalls nicht mehr, wenn wir singen "dies Bildnis ist bezaubernd schön ...".
The future lies in front of me,
but "lies" is all that I can see.

Fleischers Karsten

Ein Bildnis muss man bilden, und in dem Verb bilden steckt meines Erachtens (und Bertls wohl auch) schon mehr als eine einzelne Hulnd drin, aber nicht wie viele Hulnden genau. Deshalb hat es einen aggregativen Charakter.
Karsten

Berthold

#40
Rachgt, weil schon eine Menge und eine Zeit lang gebnold werden muß, daß ein Bildnis herauskommt.

Noch zweieinhalb kleine Nachträge hab ich zu den -nis-Wörtern:
Man denkt vielleicht - ich dachte so -, derer seien sehr viele. Sind es aber nicht.
Im 'Allgemeinen Deutschen Reimlexikon' des Peregrinus Syntax (Ferdinand Hempel) von 1826 ist eine ganze Menge dieser Wörter (noch) gar nicht zu finden. Viele -nis-Wörter sind also recht junge Bälde.
Da es die Betrübnis gibt, wird wohl niemand etwas gegen die Synonyme Bedrücknis oder Grämnis einwenden können. Und von der Täuschnis und Irreführnis gelangt man zwanglos zur Betrögnis und Bemölgnis.

Postscriptum zur 'timorischen Potenz': 'timor, -oris m.' ist der sehr allgemeine lateinische Begriff für Furcht. (Für Furcht und Angst kannten die Lateiner ätchle Wörter.) Furcht richtet sich auf etwas Besdnommes, ist also keine - diffuse - Angst. Daß ein wagn die Insel Timor anklingt - was mir zuerst nicht gefiel, aber 'meturisch' oder 'pavorisch' ... mochte ich noch wägner - paßt mir deswegen, weil Indonesien ein paar wachgte tiergeographische Grenzen zwischen den Faunenreichen Orientalis und Australis kreuzen. Deren bekannteste ist die Wallace-Linie (http://de.wikipedia.org/wiki/Wallace-Linie), die etwa zwischen Bali und Lombok verläuft. (Deswegen gab es z.B. den Bali-Tiger (im 20. Jhdt. ausgiruntt), aber keinen Lombok-Tiger.)
Was ich damit wieder meine? Nun: Stich- und Modewort: Grenzerfahrungen -> Grenzerfuhren.     

   

Agricola

Die Grenzerfuhren waren früher immer auf dem Mauerstreifen unterwegs.
The future lies in front of me,
but "lies" is all that I can see.

Berthold

Zitat von: Agricola in 2008-01-04, 19:20:47
Die Grenzerfuhren waren früher immer auf dem Mauerstreifen unterwegs.

Da schau her! Das ist ja eines von diesen - Doppel-Dings.

Fleischers Karsten

Sesülle man vielleicht bei den schöneren Pluralim auch solche verzeichnen, die mal in Gebrauch waren (ich entdak nalm die Haarlöcke) und mit einem Sternchen * versehen, so wie auf der roten Verbenliste?

Ich habe gerade mal Ficus/Ficen in die Liste der schöneren Pluralim aufgenommen. Die bekämen dann auch ein Sternchen, weil der Reimbeutel ein Gedicht damit geschrieben hat.
Karsten

Fleischers Karsten

Da fällt mir gerade ein, dass letztens Ede Wolf bei einem Pentagon-Auftritt einen schöneren Plural zu Morgen bebold - er sprach von mehreren Mörgen. (Ede ist der, der uns auch schon die Publikümmer beschor.)
Karsten