Leihwörter

Begonnen von edragedlih, 2004-03-25, 20:43:22

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edragedlih

Bitte, schützen Sie Ihre Sprache insgesamt,
wehren Sie alle Leihwörter und erfinde einen schönen deutschen Ersatz!!

Kilian

#1
I wo, Leihwörter sind doch nicht grundsätzlich etwas Schlimmes. Im Gegenteil, sie sind durchaus cool und haben genug raison d'être, solange auf die semantische Akkuratesse geachtet wird... Handy (Mobiltelefon) ist ein böses Wort, "Gesichtserker" (Nase) aber auch...

Schöne deutsche Ersätze, wenn man sie denn findet, können ja durchaus mit den Leihwörtern koexistieren. So finde ich zum Beispiel "Klapprechner" (statt Laptop) oder "Wandelwart" (statt Ambivalenz) sehr schön... des Weiteren sollte auch die Kunst des Eindeutschens nicht verloren gehen - so kann man zum Beispiel das bildschöne französische Wort magnetophone nehmen und nicht groß verändern, nur den deutschen Schreib- und Aussprachegewohnheiten anpassen und erhält "Magnetofon" - ein Wort, das sich hinter "Kassettendeck" durchaus nicht verstecken muss. Das hat gegenüber bloßen Übernahmen von Worten anderer Sprachen (wie auch z.B. bei Computer) den Vorteil, dass man beim Sprechen nicht ständig zwischen zwei Aussprachesystemen hin- und her switchen muss, somit weniger phonetische Unfälle entstehen.

Alle Möglichkeiten der wechselseitigen Befruchtung von Sprachen halten jedenfalls den Geist geschmeidig. Es soll nur unverkrampft, ästhetisch, semantisch bewusst und behutsam geschehen.

MrMagoo

--- "Handy (Mobiltelefon) ist ein böses Wort, "Gesichtserker" (Nase) aber auch..."


Findest Du?
Also dem "Gesichtserker" kann ich (vom Morphologischen her) nichts "böses" ansehen - ein einfaches Synonym zur Nase, und durchaus kein Leihwort, denn es ist ja nicht aus einer anderen Sprache übernommen. Sclimmer fänd ich's, wenn man statt Gesichtserker so etwas wie "Face Gazebo" süge - in diesem Fall wäre der Ausdruck genauso böse wie "Handy" für Mobiltelefon, wobei ich Mobiltelefon bereits ebenso als Lehnwort betrachte, wie Handy und der Meinung bin, man könne es doch sehr viel besser durch "tragbarer Fernsprecher" oder einfach "tTragfernsprecher" ersetzen.


Bei Deinen weiteren Anführungen muß ich Dir größtenteils rechtgeben, auch wenn dort noch deutlich die Lehnwörter durchschimmern und man selbst diese noch durch einige bessere deutsche Begriffe ersetzen könnte...
Wâ mag ich mich nu vinden? wâ mac ich mich nu suochen, wâ? nu bin ich hie und bin ouch dâ und enbin doch weder dâ noch hie. wer wart ouch sus verirret ie? wer wart ie sus zerteilet mê?
(Gottfried von Straßburg)

Kilian

ZitatAlso dem "Gesichtserker" kann ich (vom Morphologischen her) nichts "böses" ansehen - ein einfaches Synonym zur Nase, und durchaus kein Leihwort, denn es ist ja nicht aus einer anderen Sprache übernommen.

Nein, nichts Böses vom Morphologischen her. Ich habe "Gesichtserker" auch nicht als Beispiel für ein Leihwort angeführt, sondern im Gegenteil ("Gesichtserker aber auch") als typisches, allgemein bekanntes Beispiel krampfhafter Ersetzung verbreiteter (bzw. verbrittener :)) Leihwörter durch deutsche Neologismen, resultierend aus der Auffassung, Leihwörter seien grundsätzlich etwas Unerwünschtes. Letztere Auffassung teile ich nicht.

Meine Hauptkritik am Wort "Handy" zielt auf die Tatsache, dass das Wort im Englischen in der Bedeutung gar nicht existiert und mir die Benutzung des Wortes daher ziemlich unreflektiert erscheint.

Die Wertung der Benutzung von Leih- und Lehnwörtern ist stufenlos, letztlich ästhetisch und damit subjektiv.

caru

"gesichtserker" tät ich nicht unbedingt als beispiel benutzen.

warum nicht? weil es niemals im ernst als ersatz für "nase" gedacht war, sondern nur von böswilligen spöttern herrn philipp von zesen in den mund gelegt wurde, als hätte er's wirklich vorgeschlagen.

sein wirklicher vorschlag war "schnauber"! ;D

Kilian

Dieser historische Hintergrund war mir gar nicht geläufig. Von dem losgelöst, bleibt das Beispiel ja geeignet.

Ich muss aber zugeben, dass der "Gesichtserker" auch heute noch meist den Spöttern und Gegnern der Sprachschützer als Keulenargument gegen z. B. die Vermeidung überflüssiger Anglizismen dient.

caru

seltsam, daß sich gerade dieser dumme witz halten konnte. zesens eigene ideen, um selbst gut eingebürgerte meist lateinische lehnwörter zu ersetzen, waren nämlich kaum weniger lustig:

jungfernzwinger (nonnenkloster) ;D
obererzvater (papst)
dachschnauber (schornstein)
tageleuchter (fenster)
zeugemutter (natur)
pflanzherr (vater) ;)
meuchelpuffer (pistole) :P
hauptstürze (hut)

böswillig zugeschrieben wurden ihm außer dem gesichtserker auch "windfang" (mantel) und "pelzene mausefalle" (maus!).

eingebürgert haben sich hingegen seine neuworte

verfasser (autor),
augenblick (moment)

sowie "vertrag", "abhang" und "umgang" (kann momentan nicht feststellen, welche fremdwörter dadurch ersetzt wurden.

Kilian


MrMagoo

Das ist ja echt interessant - vielen Dank für den Link!!
Wâ mag ich mich nu vinden? wâ mac ich mich nu suochen, wâ? nu bin ich hie und bin ouch dâ und enbin doch weder dâ noch hie. wer wart ouch sus verirret ie? wer wart ie sus zerteilet mê?
(Gottfried von Straßburg)

Kilian

Ich war auch vollkommen verbloffen, dass so viele von Kindesbeinen an ganz selbstverständlich vertraute Wörter absichtliche Neuschöpfungen als Ersatz für Fremdwörter waren. Und ich muss sagen, Philipp von Zesen verstand sein Handwerk gut; die Wörter sind schön und treffen, sonst wären sie wohl auch nicht so erfolgreich geworden. Zudem sind die Wörter "Menschenschlachter" und "Meuchelpuffer" wohl unzweideutiger Ausdruck einer recht abnickbaren Gesinnung. :)

Von den bisher erfolglosen Eindeutschungen werde ich mich bemühen, Dörrleiche, Gottestum, Leuthold, Schalksernst und Scheidekunst ein wenig in meinen aktiven Wortschatz einfließen zu lassen. :)

MrMagoo

Das wäre auf jeden Fall mal eine Maßnahme.

Ich will mal nachsehen, wie viele und wenn, welche dieser Wörter, die nicht unbedingt in den aktiven Wortschatz eingedrungen sind, dennoch in den Wörterbüchern verzeichnet sind, die ich besitze... und ob es dazu besondere Anmerkungen gibt.
Wâ mag ich mich nu vinden? wâ mac ich mich nu suochen, wâ? nu bin ich hie und bin ouch dâ und enbin doch weder dâ noch hie. wer wart ouch sus verirret ie? wer wart ie sus zerteilet mê?
(Gottfried von Straßburg)

Kilian

Da bin ich dann auch mal gespannt. :)

caru

"scheidekunst" scheint vor ca. 100 jahren durchaus im gebrauch gewesen zu sein. kann mich an eine stelle bei karl may erinnern. (allerdings hieß es da, glaube ich "die chemie oder scheidekunst", er truh also seinen lesern nicht zu, daß sie es ohne weiters verstünden.)

Kilian

#13
Heute stieß ich beim Blättern im Wahrig rein zufällig auf das Wort "Wundarzt", das man anstelle von "Chirurg" wiederbeleben könnte.

Das H

als erstes wollte ich anmerken das es sich bei dem "bösen" Wort Händy auch nicht um ein Leihwort aus dem Englischen handelt, sondern es seinen Ursprung eher in der Region Österreich und Umgebung hat.
Dort soll es sich nämlich zugetragen haben, das als einer der Ureinwohner dieses Völkchens das erste Mal ein solches Wunderwerk der Technik erblickte, er den Ausruf tat...
"Hän die kei Schnua?!"
Aber das auch nur als humoristische Anmerkung am Rande.

Mmmh , ansonsten läßt sich über die Vor und Nachteile von Leihwörtern viel diskutieren aber wenig sagen, denn was des einen Leid, da er die Verschandelung der deutschen Sprache fürchtet ist des anderen Freud, da er vom Kaffekocher der Chefs zum Chief Service Manager im Executed Office wird, was sich bei weitem besser anhört, gell ?