Frage an gehabt gehabt

Begonnen von amarillo, 2005-03-05, 12:51:38

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caru

ich hab mal eine arthur conan doyle-biographie gelesen. da hieß es über einen studienaufenthalt in der schweiz, zu seiner bevorzugten lektüre dort hätten gehört "the German romantic authors, such as Goethe and Schiller".
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Nijntje - de echte nederlandse konijn

versucher

Die deutsche Epocheneinteilung mutet beinah preußisch-militärisch an. Der Dichterfürst ist der General, Schiller sein Adjutant, dann kommen alle andern, ganz unten in der Hierarchie krümmen sich Jean Paul und Kleist unter dem Gewicht der Höhergestellten, weil sie in keiner der Kategorien zugelassen wurden. Eckensteher wie in einer preußischen Rohrstockschule.
Aber so streng ist es ja auch nicht mehr, seit man begriffen hat, dass die Welt nicht nur aus Deutschland besteht.

amarillo

Zitat von: versucher in 2005-03-09, 13:46:27
Aber so streng ist es ja auch nicht mehr, seit man begriffen hat, dass die Welt nicht nur aus Deutschland besteht.

Leider ist das noch nicht bis in alle Schädel vorgedrungen.
Das Leben strebt mit Urgewalt nach Entstehung und Musik.

caru

als mein vater zur schule ging, lief ja der literaturkundeunterricht so ab, als wäre immer noch das 19. jh., schiller wäre erst kürzlich gestorben und leute wie brentano, c. f. meyer usw. wären praktisch zeitgenossen.

heut gibts schon deutschlehrer, die mit den schülern nur noch 20. jh. lesen, und kaum ein mittelschulabsolvent unter 50 kann mit den namen jean paul und kleist überhaupt was anfangen.

welche situation ist die miesere?
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Nijntje - de echte nederlandse konijn

gehabt gehabt

Welche Misere ist die miesere;-)

In der Musik kommt es mir so vor, dass der uebergang von der Klassik zur Romanik fliessend stattfindet. Beethoven und Schubert lassen sich in keine der Schubladen einordnen (so wie Jean Paul). Aber selbst wenn wir Prototypen nehmen wie Mozart fuer die Klassik und Heine fuer die Romantik, so glaube ich, dass beide aehnlich gedacht, komponiert und gedichtet haben: sie leugnen Gefuehle nicht, beide aber beschreiben sie aus einer gewissen Distanz. Bei Heine ist das quasi sein Markenzeichen, und Mozart hat sich auch dementsprechend geaeussert, dass seine beispielsweise die Wutausbrueche von eines Osmin eher als Karikatur oder Beschreibung sieht, und sich die Musiker keines wegs dazu hinreissen alssen sollten sich allzusehr damit zu identifizieren. Ich koennte mir gut vorstellen, dass Mozart Heinegedichte wunderbar vertont haette, haette er etwas laenger gelebt, mit Eichendorff haette er eher wenigiger anfangen koennen.

caru

wenn du mich fragst: übergänge zwischen kunstrichtungen sind grundsätzlich fließend - ausgenommen fälle, wo sich jemand hinstellt und sagt: "alle bisherige dichtung/musik/malerei/skulptur etc. war mist, wir machen ab heute alles anders!"

für mein empfinden geht heine mit emotionen ironisch um, mozart eher "lustig" - heine schildert sie mit verhaltenem grinsen, mozart stellt sie in den vordergrund, so daß er selbst und andere sie von allen seiten betrachten und gegebenenfalls drüber lachen können. ob die beiden ansätze sich vertragen hätten?
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versucher

Ich knüpfe hier an die französische Aussprache von Heine und Hesse an: Ich finde es ein interessantes Phänomen, dass es feste, wiedererkennbare Akzente gibt: Englisch mit spanischem, arabischem, indischem, französischem Zungenschlag, fast wie eine eigene Sprache, parallel zu den "Originalen".

amarillo

Und dabei hat jede Kombination ihren ganz eigenen Charme.

Unübertroffen - für mich - an musikalischer Präsenz, wohlkingender Schönheit, einfühlsamer Harmonie und nicht nicht enden wollender Schmeichelei für das Ohr: französische Liebeserklärungen mit sächsischem Akzent... ;D
Das Leben strebt mit Urgewalt nach Entstehung und Musik.

Kilian

Das klingt faszinamös... gibt's da Hörbeispiele im Netz?

gehabt gehabt

Zitat von: caru in 2005-03-10, 17:37:23
wenn du mich fragst: übergänge zwischen kunstrichtungen sind grundsätzlich fließend - ausgenommen fälle, wo sich jemand hinstellt und sagt: "alle bisherige dichtung/musik/malerei/skulptur etc. war mist, wir machen ab heute alles anders!"
Der Uebergang von der gotischen zur Renaissance-Architektur ist ziemlich bruesk und ich weiss nicht, ob man hier ein Missing Link benennen kann. Chimaeren ja: die Saeulen gotisch und die Decke Renaissance, aber einen Uebergangsstil gibts wohl kaum. Irgendwann muss Gotik Megaout gewesen sein. Merkwuerdig, dass dies noerdlich der Alpen und in Spanien so sehr viel spaeter, aber auch dann ziemlich ploetzlich stattfand. Kann sich jemand diese Zeitverschiebung erklaeren?

caru

die plötzlichkeit verstehe ich - das war so ein "wir machen's ab heut anders" fall. dunkles mittelalter und aberglauben hinter sich lassen, besinnung auf errungenschaftern der antike etc, was halt so zur renaissance gehört.

zeitverschiebung ist mir noch nie aufgefallen. um wieviel denn? (nix kunstgeschichte im caru-kopf)
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Nijntje - de echte nederlandse konijn

Agricola

Zitat von: gehabt gehabt in 2005-03-08, 13:58:20
Meine Tochter kam neulich nach Hause. Ihr Spanischlehrer habe in Literatur die Romantik durchgenommen und an die Tafel geschrieben, einer der herausragenden Dichter der deutschen Romantik sei "Wete" und sein bekanntester Roman klinge so aehnlich "Weter". Ich habe ihr gesagt, er heisse Goethe und er haette sich gegen diese Klassifizierung gewehrt, sie solle aber nicht insistieren, es helfe nicht viel, da in Spanien die Lehrer viel schlauer seien als wir Deutschen und sie solle in der naechsten Arbeit schreiben, Goethe sei Romantiker.
Kann mein einen Klassiker überhaupt noch klassifizieren? Es ist doch eher eine Entklassifizierung oder vielleicht gar eine Deklassierung, wenn man Goethe zum Romantiker macht.
The future lies in front of me,
but "lies" is all that I can see.